Neu-Ulmer Zeitung

Der Csu‰kandidat und seine Ziele

- VON SEBASTIAN MAYR

Bundestags­wahl In Neu-ulm entscheide­n die Christsozi­alen über ihren Neuanfang. Und doch dreht

sich vieles um Georg Nüßlein. Was Alexander Engelhard erreichen will und wie er sich abgrenzt

Neu‰ulm Am Ende wird die Verliereri­n beinahe stärker umworben als der Mann, der sich im direkten Duell durchgeset­zt hat. „So ein Abend wie heute kann auf dem politische­n Weg auch ein Schritt nach vorn sein“, sagt Neu-ulms Csu-kreischef Thorsten Freudenber­ger. Und Georg Schwarz, der den Csukreisve­rband Günzburg kommissari­sch führt, betont: Man wolle Julia Dümmler unbedingt dabei behalten. 65 Stimmen hat die 44-jährige Rechtsanwä­ltin bekommen, für ihren Gegenkandi­daten Alexander Engelhard, 48, votierten 93 Delegierte. Gegenkandi­dat? Vor der Abstimmung spricht Schwarz sogar von einem Gegenentwu­rf.

Dümmler wie Engelhard stünden für einen „glaubhafte­n Neubeginn“, betont Freudenber­ger zu Beginn des Abends. Ein Neubeginn, den die CSU braucht: Georg Nüßlein, sei 2002 stets direkt gewählter Abgeordnet­er des Bundestags­wahlkreise­s 255 Neu-ulm, soll sich bei einem Geschäft mit Corona-schutzmask­en bereichert und Steuern hinterzoge­n haben. Freudenber­ger spricht von „Verfehlung­en“, Schwarz später von einem „absoluten moralische­n No-go“. Der frühere Thannhause­r Bürgermeis­ter schließt auch den Landtagsab­geordneten Alfred Sauter ein, der ebenfalls in die Maskenaffä­re verstrickt ist: „Wir müssen die saure Suppe, die uns diese Abgeordnet­en eingebrock­t haben, nun auslöffeln.“

159 Delegierte aus drei Csukreisve­rbänden haben sich in der Eissportha­lle beim Donaubad in Neu-ulm getroffen, um über die Nüßlein-nachfolge abzustimme­n. Es ist kühl, die Delegierte­n sitzen auf bunten Stühlen in großen Abständen zueinander. Der Mann, mit dem sie alle nichts mehr zu tun haben wollen, hat auf der Tagesordnu­ng noch einen Platz: „2.3. Bericht der/des Bundestags­abgeordnet­en“, steht da. Doch Georg Nüßlein ist nicht gekommen, er ist aus der CSU ausgetrete­n und abgetaucht – krankgesch­rieben, sagt sein Anwalt. „Aus bekannten Gründen können wir den Tagesordnu­ngspunkt überspring­en“, sagt Wahlleiter Jens Gaiser. Von den Delegierte­n kommt keine merkliche Reaktion.

Dann ergreift Neu-ulms Oberbürger­meisterin Katrin Albsteiger das Wort, sie wirbt für Alexander

Engelhard. Als frühere Bundestags­abgeordnet­e wisse sie, was in Berlin wichtig sei: Man müsse beruflich im Leben stehen, menschlich etwas darstellen und die Kommunalpo­litik kennen und verstehen. Dass alles gelte für den 48-Jährigen, der im Weißenhorn­er Stadtteil Attenhofen eine Mühle betreibt: „Es ist einer von uns, einer aus unserer Mitte. Er passt da rein wie die Faust aufs Auge“, sagt sie.

Der Appell von Georg Schwarz für die Krumbacher Rechtsanwä­ltin Julia Dümmler klingt anders: „Wir haben uns viele Gedanken gemacht, ob wir uns überhaupt um einen Kandidaten oder eine Kandidatin aus dem Kreisverba­nd Günzburg bemühen sollen“, räumt er ein. Doch Dümmler, 44 Jahre alt, sei bestens geeignet und stehe glaubhaft für einen Neuanfang. Auch und gerade, weil sie sich erst seit Kurzem politisch engagiere und kein Teil eines etablierte­n politische­n Netzwerks sei.

Engelhard selbst nutzt seine Bewerbungs­rede, um inhaltlich­e Ideen zu beschreibe­n: Er wolle sich im Bundestag für regionale Verkehrsth­emen einsetzen, für die Finanzieru­ng der Kliniken, für perfektes Internet auf dem Land und für Umweltpoli­tik mit Praxisbezu­g. „Ich möchte mit euch zusammenar­beiten wie in einem Familienbe­trieb“, sagt er zu den Delegierte­n.

Dümmler spricht über mögliche Schwächen ihrer eigenen Kandidatur – und hält dagegen. Sie sei ganz neu in der Politik, aber das mache den angestrebt­en Neubeginn der hiesigen CSU glaubwürdi­ger. Sie sei Juristin, aber auch Familienma­nagerin und wegen ihres Berufs ständig mit Menschen zusammen. Sie komme aus dem Kreisverba­nd Günzburg, sei aus familiären und berufliche­n Gründen aber erst kurz dabei. „Sie können mir vertrauen, sie können sich auf mich verlassen“, betont sie.

78 Delegierte stellt der Kreisverba­nd Neu-ulm, 61 der Kreisverba­nd Günzburg und 21 der Kreisverba­nd Unterallgä­u. Die Unterallgä­uer halten sich an diesem Abend zurück. Keiner ergreift das Wort, eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten haben sie nicht ins Rennen geschickt. Doch es gibt Anerkennun­g: Von Freudenber­ger und von Schwarz, die sich gegenseiti­g und die Parteifreu­nde aus dem Unterallgä­u für die faire und transparen­te Zusammenar­beit bei der Kandidaten­suche loben.

Einer der eigentlich 160 Delegierte­n fehlt, eine Stimme ist ungültig, 93 gehen an Engelhard und 65 an Dümmler. Ob die Kreisverbä­nde Neu-ulm und Günzburg geschlosse­n für ihren Bewerber und die Unterallgä­uer mehrheitli­ch für Engelhard gestimmt haben, bleibt unklar. Der Sieger gehört am Freitagabe­nd zu den letzten, die um kurz nach halb neun die Eissportha­lle verlassen. Die Csu-fahnen sind da schon abgebaut. Er sei schon sehr zuversicht­lich gewesen, bekennt Engelhard, im Vorfeld habe er viele gute Rückmeldun­gen bekommen. Sicher sei er sich aber nicht gewesen: Georg Nüßlein hatte sich vor 19 Jahren überrasche­nd und nur mit einer Stimme Vorsprung gegen den heutigen Neu-ulmer Landrat Thorsten Freudenber­ger durchgeset­zt und später das Direktmand­at geholt.

Auch für die Wahl gibt sich Engelhard zuversicht­lich. Aber wie ist das mit dem Neubeginn? Seine lange kommunalpo­litische Erfahrung sei ein Vorteil für die Arbeit im Bundestag, glaubt der 48-Jährige. Er sei ein anderer Mensch als Nüßlein, sagt Engelhard: „Ich bin ehrlich und geradlinig.“Und: „Keiner hat mich auf Georg Nüßlein angesproch­en. Die Leute haben mir gesagt: Alexander, ich finde es gut, dass du das machst.“

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Alexander Engelhard aus Weißenhorn setzt sich durch und tritt als Direktkand­idat der CSU für den Bundestag an.
Foto: Alexander Kaya Alexander Engelhard aus Weißenhorn setzt sich durch und tritt als Direktkand­idat der CSU für den Bundestag an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany