Der Csukandidat und seine Ziele
Bundestagswahl In Neu-ulm entscheiden die Christsozialen über ihren Neuanfang. Und doch dreht
sich vieles um Georg Nüßlein. Was Alexander Engelhard erreichen will und wie er sich abgrenzt
Neuulm Am Ende wird die Verliererin beinahe stärker umworben als der Mann, der sich im direkten Duell durchgesetzt hat. „So ein Abend wie heute kann auf dem politischen Weg auch ein Schritt nach vorn sein“, sagt Neu-ulms Csu-kreischef Thorsten Freudenberger. Und Georg Schwarz, der den Csukreisverband Günzburg kommissarisch führt, betont: Man wolle Julia Dümmler unbedingt dabei behalten. 65 Stimmen hat die 44-jährige Rechtsanwältin bekommen, für ihren Gegenkandidaten Alexander Engelhard, 48, votierten 93 Delegierte. Gegenkandidat? Vor der Abstimmung spricht Schwarz sogar von einem Gegenentwurf.
Dümmler wie Engelhard stünden für einen „glaubhaften Neubeginn“, betont Freudenberger zu Beginn des Abends. Ein Neubeginn, den die CSU braucht: Georg Nüßlein, sei 2002 stets direkt gewählter Abgeordneter des Bundestagswahlkreises 255 Neu-ulm, soll sich bei einem Geschäft mit Corona-schutzmasken bereichert und Steuern hinterzogen haben. Freudenberger spricht von „Verfehlungen“, Schwarz später von einem „absoluten moralischen No-go“. Der frühere Thannhauser Bürgermeister schließt auch den Landtagsabgeordneten Alfred Sauter ein, der ebenfalls in die Maskenaffäre verstrickt ist: „Wir müssen die saure Suppe, die uns diese Abgeordneten eingebrockt haben, nun auslöffeln.“
159 Delegierte aus drei Csukreisverbänden haben sich in der Eissporthalle beim Donaubad in Neu-ulm getroffen, um über die Nüßlein-nachfolge abzustimmen. Es ist kühl, die Delegierten sitzen auf bunten Stühlen in großen Abständen zueinander. Der Mann, mit dem sie alle nichts mehr zu tun haben wollen, hat auf der Tagesordnung noch einen Platz: „2.3. Bericht der/des Bundestagsabgeordneten“, steht da. Doch Georg Nüßlein ist nicht gekommen, er ist aus der CSU ausgetreten und abgetaucht – krankgeschrieben, sagt sein Anwalt. „Aus bekannten Gründen können wir den Tagesordnungspunkt überspringen“, sagt Wahlleiter Jens Gaiser. Von den Delegierten kommt keine merkliche Reaktion.
Dann ergreift Neu-ulms Oberbürgermeisterin Katrin Albsteiger das Wort, sie wirbt für Alexander
Engelhard. Als frühere Bundestagsabgeordnete wisse sie, was in Berlin wichtig sei: Man müsse beruflich im Leben stehen, menschlich etwas darstellen und die Kommunalpolitik kennen und verstehen. Dass alles gelte für den 48-Jährigen, der im Weißenhorner Stadtteil Attenhofen eine Mühle betreibt: „Es ist einer von uns, einer aus unserer Mitte. Er passt da rein wie die Faust aufs Auge“, sagt sie.
Der Appell von Georg Schwarz für die Krumbacher Rechtsanwältin Julia Dümmler klingt anders: „Wir haben uns viele Gedanken gemacht, ob wir uns überhaupt um einen Kandidaten oder eine Kandidatin aus dem Kreisverband Günzburg bemühen sollen“, räumt er ein. Doch Dümmler, 44 Jahre alt, sei bestens geeignet und stehe glaubhaft für einen Neuanfang. Auch und gerade, weil sie sich erst seit Kurzem politisch engagiere und kein Teil eines etablierten politischen Netzwerks sei.
Engelhard selbst nutzt seine Bewerbungsrede, um inhaltliche Ideen zu beschreiben: Er wolle sich im Bundestag für regionale Verkehrsthemen einsetzen, für die Finanzierung der Kliniken, für perfektes Internet auf dem Land und für Umweltpolitik mit Praxisbezug. „Ich möchte mit euch zusammenarbeiten wie in einem Familienbetrieb“, sagt er zu den Delegierten.
Dümmler spricht über mögliche Schwächen ihrer eigenen Kandidatur – und hält dagegen. Sie sei ganz neu in der Politik, aber das mache den angestrebten Neubeginn der hiesigen CSU glaubwürdiger. Sie sei Juristin, aber auch Familienmanagerin und wegen ihres Berufs ständig mit Menschen zusammen. Sie komme aus dem Kreisverband Günzburg, sei aus familiären und beruflichen Gründen aber erst kurz dabei. „Sie können mir vertrauen, sie können sich auf mich verlassen“, betont sie.
78 Delegierte stellt der Kreisverband Neu-ulm, 61 der Kreisverband Günzburg und 21 der Kreisverband Unterallgäu. Die Unterallgäuer halten sich an diesem Abend zurück. Keiner ergreift das Wort, eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten haben sie nicht ins Rennen geschickt. Doch es gibt Anerkennung: Von Freudenberger und von Schwarz, die sich gegenseitig und die Parteifreunde aus dem Unterallgäu für die faire und transparente Zusammenarbeit bei der Kandidatensuche loben.
Einer der eigentlich 160 Delegierten fehlt, eine Stimme ist ungültig, 93 gehen an Engelhard und 65 an Dümmler. Ob die Kreisverbände Neu-ulm und Günzburg geschlossen für ihren Bewerber und die Unterallgäuer mehrheitlich für Engelhard gestimmt haben, bleibt unklar. Der Sieger gehört am Freitagabend zu den letzten, die um kurz nach halb neun die Eissporthalle verlassen. Die Csu-fahnen sind da schon abgebaut. Er sei schon sehr zuversichtlich gewesen, bekennt Engelhard, im Vorfeld habe er viele gute Rückmeldungen bekommen. Sicher sei er sich aber nicht gewesen: Georg Nüßlein hatte sich vor 19 Jahren überraschend und nur mit einer Stimme Vorsprung gegen den heutigen Neu-ulmer Landrat Thorsten Freudenberger durchgesetzt und später das Direktmandat geholt.
Auch für die Wahl gibt sich Engelhard zuversichtlich. Aber wie ist das mit dem Neubeginn? Seine lange kommunalpolitische Erfahrung sei ein Vorteil für die Arbeit im Bundestag, glaubt der 48-Jährige. Er sei ein anderer Mensch als Nüßlein, sagt Engelhard: „Ich bin ehrlich und geradlinig.“Und: „Keiner hat mich auf Georg Nüßlein angesprochen. Die Leute haben mir gesagt: Alexander, ich finde es gut, dass du das machst.“