Zum 1. Mai dreht es sich alles um Corona, Klima und Solidarität
Kundgebung Manches ist wie immer im Ulmer Weinhof. Viele Forderungen sind plakativ, doch ein Redner wählt ganz ruhige Töne
Ulm „Solidarität ist Zukunft“, lautete das Motto der Kundgebung zum 1. Mai auf dem Ulmer Weinhof, zu dem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) aufgerufen hatte. Und „Solidarität“war auch einer der meistgenannten Begriffe der Redner. Sehr leidenschaftlich zeigte sich in seiner Mairede Hans-jürgen Urban vom Geschäftsführenden Vorstand der IG Metall. „Es geht um eine gerechte Weltordnung“, mahnte er lautstark. „Der Finanzmarktkapitalismus gehört auf den Müllhaufen der Geschichte!“Seine Wut betraf die Superreichen dieser Welt, er forderte die sofortige Wiedereinführung der Vermögens- und Erbschaftssteuer und setzte sich für ein „buntes Mosaik der Solidarität“ein.
Etwa 300 Menschen hatten sich am Samstagvormittag auf dem Weinhof versammelt. Neben Vertretern des DGB zeigten unter anderen auch Mitglieder der SPD, darunter der Landtagsabgeordnete Martin Rivoir, der Grünen, der Linken, der DKP, der Sozialistischen Deutschen Arbeiter-jugend (SDAJ) und von ausländischen, oft kommunistisch orientierten Organisationen, Präsenz. Es wurden Transparente
mit Aufschriften wie „Der 1. Mai ist der Kampftag der internationalen Arbeiterklasse“, „Krank ist das kapitalistische System. Es lebe der 1. Mai“, aber auch eines von der Umweltgewerkschaft mit dem Aufruf „Gemeinsam die Erde vor dem Kollaps retten!“gezeigt. Neben den Forderungen nach mehr Gerechtigkeit, besserer Entlohnung für die Arbeiter oder die Umverteilung des Kapitals standen bei der Kundgebung auch die Auswirkungen der Pandemie und des Klimawandels auf die wenig privilegierten Teile der Gesellschaft im Fokus. Hansjürgen Urban bekam für die These „Gesundheit ist kein Privileg der Besserverdienenden“viel Beifall.
Irgendwie war es eine normale Maikundgebung – und doch war sie anders. Wegen Corona mussten Abstand gehalten und ein Mund-nasenschutz permanent getragen werden, woran sich die Teilnehmer absolut hielten. Es gab weder musikalische Umrahmung noch Bewirtung noch gemütliches Beisammensein. „Wir sind froh, dass wir hier zusammenkommen können, nachdem die Kundgebung vergangenes Jahr ausfallen musste“, verkündete die Dgb-kreisvorsitzende Petra Wassermann. Es gab aber einen knapp 300 Meter langen Umzug durch die Neue Straße, die Frauenstraße, die Olgastraße, die Wengengasse und über die Neue Straße zurück zum Weinhof, der wie die Kundgebung ruhig und friedlich verlief. Mit Sprechchören wie „Hoch die internationale Solidarität!“oder „Gleiche Rechte für alle!“machten die Umzugsteilnehmer die recht wenigen Passanten auf sich aufmerksam.
Die Themen waren vielfältig. Wandten sich zum Beispiel die Demokratischen Kräfte Ulm explizit gegen Rechtsradikalismus, Faschismus und Chauvinismus, sprach sich Susanne Hirschberger von der Katholischen Betriebsseelsorge gegen alle Diktaturen auf der Erde sowie das Querdenkertum aus. Sie forderte: „Auch die Politik muss die rechten Funken ersticken.“Eine Abordnung von „Fridays for Future“meldete sich mit Thesen wie „Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander“an die Menge und erklärte: „Für eine klimagerechte, menschenfreundliche Welt muss man Arbeit und Schule bestreiken. Wir können unbequem sein, wenn unsere Forderungen weiter ignoriert werden.“
Während Duran Enhan von der Dgb-jugend die Corona-krise in der Ausbildung und „Missstände in der Krankenpflege“beklagte und forderte: „Die Krankenhäuser müssen zurück in die öffentliche Hand“sowie „Es muss Ausbildungs- und Übernahmegarantien für alle geben“, stimmte Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch ruhige Töne an. „Wir dürfen die Sozialpartnerschaft nicht infrage stellen“, sagte er. „Das Miteinander und das Mitbestimmungsrecht in den Betrieben zeigt, dass wir ganz gut durch die Krise gekommen sind. Eine Qualität, um die uns die Welt beneidet. Wir sind aufeinander angewiesen. Wir haben in den vergangenen 13 Monaten so viel Solidarität erlebt. Die Krise hat uns gelehrt, dass wir alles nur gemeinsam schaffen.“