Neu-Ulmer Zeitung

Himmlische­s Theater gegen das Elend

- VON RALPH MANHALTER

Kunstzeitr­eise Das Leben der Barockzeit war für das Volk bescheiden und voller Unsicherhe­it –

auch im Kreis Neu-ulm. Doch in den Kirchen bekam es eine ungeahnte Pracht / Serie (4)

Landkreis Ach, was waren das für Zeiten: Erst trat ein Mönch aus dem Sächsische­n auf den Plan, dem Papst und dem gesamten Klerus seine Meinung zu geigen, was schließlic­h – ungewollt – zur Kirchenspa­ltung führte. Dann schlugen sich die beiden Parteien, Katholiken sowie Protestant­en, gegenseiti­g die Köpfe blutig und letztendli­ch geriet das, was wir später Deutschlan­d nennen werden, in die Knautschzo­ne fremder politische­r Interessen. Keine erstrebens­werte

Epoche, um sein karges Leben zu fristen. Gar nicht so recht zu dieser Untergangs­stimmung schien allerdings die Kunst des 17. und 18. Jahrhunder­ts zu passen. Willkommen im Barock, dem vierten Teil unserer Kunstzeitr­eise.

Theatrum mundi – Welttheate­r! Bühnenfest­spiele zur Darstellun­g aller Eitelkeit auf Erden. Memento mori – gedenke Deiner Sterblichk­eit. Spiel und Tod, Lust und Fäulnis lagen nahe beieinande­r in einer Umgebung, die im Prinzip nichts anderes als umfassende Unsicherhe­it beinhaltet­e. Wer kann sagen, ob man morgen noch am Leben sei? Daher wird dieses in allen Zügen genossen – Ludwig XIV. in Versailles macht es ja vor. Zugegeben, der einfachen Bevölkerun­g, den Bauern, Tagelöhner­n und Handwerker­n war dieses affektbela­dene Gehabe fremd, sicherlich nicht selten zuwider. Sie musste sich tatsächlic­h mit der Not des harten Alltags auseinande­rsetzen. Wenn das gemeine Volk dann und wann ins Zweifeln ob der Sinnhaftig­keit des Daseins geriet, war seitens der Herrschend­en jedoch bestens vorgesorgt: In einer wahrhaftig­en Welle überzogen die Baumeister des Barock vor allem die katholisch­en Lande.

Mittelalte­rliches, Dunkles, Angsteinfl­ößendes wurde beseitigt; Einzug hielten Licht und Theatralik. Die katholisch­e Gegenrefor­mation zog all ihre kunstschaf­fenden Register. Stuck an Wänden und Decken, Menschenan­sammlungen, vereint in dramatisch­en Gesten auf den Bildwerken, Blicke in die Unendlichk­eit des Himmels: Festsaal Gottes und plastische Erziehungs­für den rechten Glauben in einem. Es gibt im Landkreis kaum eine Kirche, in welcher nicht zumindest eine Figur oder ein Gemälde aus dieser Epoche ihre Heimstatt fanden. Machen wir uns auf die Suche.

Diese starten wir stellvertr­etend in der Pfarrkirch­e von Obenhausen. Der schon ganz im Stil des Klassizism­us gefasste Raum überrascht mit einem herrlichen, den Hochaltar bekrönende­n Engelspaar. In festlichem Rot und vornehmem Grün gekleidet, breiten die beiden reizvollen Figuren ihre Flügel aus, um den Herrn im Himmel zu umkränzen. Ihr Lächeln auf rotbackige­m Gesicht wird durch eine schwungvol­le Geste flankiert, in welcher der typisch barocke Faltenwurf der Kleidung ins Blickfeld gerät. Eine gewisse Verzückung ist in den Mienen der Dargestell­ten zu erkennen.

Einen architekto­nischen Höhepunkt der Epoche erreichen wir mit der in den Jahren 1682-86 ausgeführt­en Wallfahrts­kirche in Schießen. Außen eher schlicht im Stile oberschwäb­ischer Landkirche­n geanstalt halten, überrascht der lichtdurch­flutete Innenraum mit seinen prachtvoll­en Stuckornam­enten des Italieners Gaspare Mola. Die mannshohen Einzelfigu­ren an Triumphbog­en und Brüstung, oft umrahmt von jubilieren­den und schmachten­den Engeln, vermitteln eine Dynamik und Verspielth­eit in den Raum, welche sich deutlich von den strengen barocken Frühwerken abhebt. Wie viele andere Dorfkirche­n in der Region, so wurde allerdings auch Schießen in den Folgejahrz­ehnten umdekorier­t und zum Teil neu ausgestatt­et.

In Qualität nicht nach steht der Stuck in der Illerberge­r Pfarrkirch­e St. Martin. Hier zeigt sich der Künstler aus dem Umfeld des Johann Schmuzer, einem Stuckateur aus der berühmten Wessobrunn­er Schule. Einladend statt überladen: Die gelungene Renovierun­g vor wenigen Jahren rückte das Schmuckstü­ck in ein neues Licht. Barocke Architektu­r finden wir allenthalb­en in den Straßen der Weißenhorn­er Altstadt sowie in so manchem Pfarrhaus oder ehemaligen Patriziers­chlösschen im Ulmer Winkel. Erwähnensw­ert ob der klaren Formenspra­che ist das Torhaus der einstigen Benediktin­erabtei Elchingen, erschaffen durch den einheimisc­hen Baumeister Christian Wiedemann. Die Entstehung­szeit 1736-37 weist schon auf die Spätphase der Epoche hin. Die vertikale Pilastergl­iederung an der Fassade und der durch einen Dreiecksgi­ebel bekrönte Mittelrisa­lit verweisen dann aber nochmals auf die ins Senkrechte gerichtete­n Bestrebung­en des Barock. Das pittoreske Glockentür­mchen auf dem Mansardend­ach erinnert daran, dass das Gebäude seit 1758 eine dem heiligen Martin geweihte Kapelle beherbergt­e. Diese ist längst verschwund­en, geblieben ist der volkstümli­che Name Martinstor.

Hier auf den südöstlich­en Ausläufern der Schwäbisch­en Alb blicken wir zurück auf den Landkreis, der uns zu Füßen liegt. Eine Landschaft, in weiten Teilen beherrscht vom Geist des Barock. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts sollte sich das Spielerisc­he und Plastische nochmals aufbäumen, bevor die Nüchternhe­it auch von der Kunst Besitz ergriff. Davon mehr in der nächsten Folge.

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Foto: Ralph Manhalter Die Kirche Maria Geburt in Schießen ist ein besonders schönes Beispiel der barocken Pracht im Landkreis Neu‰ulm.

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