Wie die Kultur sich auf Lockerungen vorbereitet
Corona Sinkt die Sieben-tage-inzidenz unter 100, sind ab Montag wieder kulturelle Veranstaltungen erlaubt. Wie reagiert die Branche?
Landkreis Die Kultur gehört zu den Branchen, die am härtesten von der Corona-pandemie betroffen sind. Mit der Ankündigung, dass Kinos, Theater und Konzerthäuser ab kommendem Montag wieder öffnen dürfen, zeichnet sich wenigstens etwas Licht am Ende des Tunnels ab. Freilich gelten für diese Öffnungen noch deutliche Einschränkungen: Sie gelten nur bei einer Inzidenz unter 100. Test- und Hygienekonzepte sind selbstverständlich erforderlich. Wie groß ist also dieses Licht am Ende des Tunnels wirklich? Kulturschaffende aus der Region berichten, wie sie mit dieser Ankündigung umgehen.
Anette Netter ist Kulturreferentin bei der Stadt Vöhringen. Damit fällt auch das Kulturzentrum Wolfgang-eychmüller-haus in ihren Zuständigkeitsbereich. In gewöhnlichen Zeiten stellt sie ein Aboprogramm auf die Beine, das nicht nur
in der Kleinstadt an der Iller hat. Die nun angekündigten Lockerungen machen ihr Hoffnung, dass das Vöhringer Kulturzentrum ab Herbst tatsächlich zu so etwas wie Normalbetrieb zurückkehren könnte. „Die Veranstaltungen sind soweit eingetütet, die Termine stehen“, sagt sie. Es sei bereits alles ins System eingebucht, der Verkauf startet, sobald etwas mehr Sicherheit da ist, dass die Veranstaltungen tatsächlich stattfinden können.
Sollte die Inzidenz, die im Landkreis Neu-ulm Stand Mittwoch bei 170,1 liegt, weiter fallen und unter die Hunderter-marke rutschen, soll es auch vor Herbst schon kleinere Veranstaltungen geben. „Das planen wir ad-hoc“, sagt Netter. Ein paar Ideen, die sich schnell umsetzen ließen, habe sie schon. So könnte man zusammen mit örtlichen Vereinen etwas organisieren oder den bereits lange geplanten Kinotag durchführen. Der musste im vergangenen Herbst abgesagt werden. Auch die Ausstellung des Vöhringer
Kunstforums, die noch immer im Foyer des Obergeschosses aufgebaut ist, könnte sofort wieder öffnen, wenn es denn erlaubt ist.
In Illertissen könnte schon am 13. Juni wieder ein hochkarätiges Konzert zu hören sein. Der Freundeskreis Kultur im Schloss, dessen Vorsitzender Fritz Unglert ist, hat für dieses Datum einen Auftritt des Klarinettisten und Komponisten Jörg Widmann geplant. Unglert ist optimistisch, dass es stattfinden kann: „Fällt die Inzidenz weiter so schnell, könnten wir schon nächste Woche unter 100 sein.“Dann wäre sogar noch Zeit, das Konzert entsprechend zu bewerben. Normalerweise werden die Veranstaltungen von Kultur im Schloss, bei denen vielfach auch international erfolgreiche Künstler auftreten, ein halbes Jahr im Voraus angekündigt.
Unglerts Ziel ist es, den treuen „Kultur im Schloss-fans“möglichst schnell wieder Konzerte anbieten zu können. Auch während der vergangenen Monate waren immer Auffans tritte geplant, die erst kurzfristig verschoben wurden. Dieses Vorgehen könnte sich jetzt auszahlen: Nach dem 13. Juni ist auch für den 3. Juli schon ein Konzert terminiert. Klarinettistin Sabine Meyer und das Alliage-quintett werden, wenn alles gut geht, ihren Auftritt vom März nachholen. Auch die Planungen für das Festival „Junge Künstler Stars von morgen“im Oktober laufen auf Hochtouren. Sobald die 7-Tage-inzidenz wirklich unter 100 fällt, will Unglert Kontakt zum Gesundheitsamt aufnehmen, um gegebenenfalls das Hygienekonzept vom vergangenen Herbst an neue Vorlagen anzupassen.
Doch nicht überall ist es möglich, sich so schnell an die geänderten Vorgaben anzupassen. Trotz der Aussicht auf mögliche Lockerungen haben sich die Mitglieder des Roggenburger Gemeinderats am Dienstagabend mit Wehmut im Herzen für eine Absage der beliebten Konzertreihe „Blasmusik im Klosterhof“in diesem Jahr ausgesprochen.
Ausschlaggebend für die Entscheidung war, dass die teilnehmenden Gruppen auf absehbare Zeit nicht in Ensemblestärke in Präsenz proben können. In einer Videokonferenz hatten Vertreter aller Kapellen vor einigen Tagen bekräftigt, dass es mindestens eines Vorlaufs von sechs Wochen gemeinsamer Proben bedürfe, um ein Konzertprogramm von etwa einer Stunde auf die Beine zu stellen. Die Konzertreihe sollte bereits nach Pfingsten beginnen. Eine Verlegung auf August oder September sei nicht durchführbar und nicht sinnvoll, hieß es.
Gemeinderat Joachim Graf, der auch Geschäftsführer des Allgäuschwäbischen Musikbundes ist, berichtete zwar von Ankündigungen der bayerischen Staatsregierung, die positiv stimmten. Aber wann es für die Kapellen tatsächlich wieder möglich sein soll, vernünftig zu proben, sei weiterhin unklar. Bürgermeister Mathias Stölzle war zudem weniger optimistisch, was die Inzidenz anbelangt. Er geht davon aus, dass es noch mehrere Wochen dauern wird, bis der Landkreis Neuulm die 100 unterschreitet. Trotz abgesagter Konzertreihe könnte es in Roggenburg zumindest einen „Tag der Blasmusik“geben. Die Gemeindeverwaltung prüft, was möglich ist.
Ähnliche Probleme hat auch die Schwabenbühne. Die geplanten Stücke „Der Tod im Birnbaum“(Manfred Eichhorn) und das Märchen „Rumpelstilzchen“können nicht rechtzeitig geprobt werden. Sie werden um ein weiteres Jahr verschoben. Die Laiendarsteller haben sich stattdessen entschlossen, ihr Kinderstück online zu zeigen. Regisseur Jörg Zenker will mit den Jungschauspielern „Ali Baba und die 40 Räuber“verfilmen. Geprobt wird per Videokonferenz oder mit maximal drei Anwesenden. Als Erwachsenenstück wurde Arthur Schnitzlers „Reigen“gewählt, der sich coronakonform proben lässt, da immer nur zwei Personen gemeinsam auf der Bühne stehen.