Neu-Ulmer Zeitung

Wie die Kultur sich auf Lockerunge­n vorbereite­t

- VON JENS NOLL UND FRANZISKA WOLFINGER

Corona Sinkt die Sieben-tage-inzidenz unter 100, sind ab Montag wieder kulturelle Veranstalt­ungen erlaubt. Wie reagiert die Branche?

Landkreis Die Kultur gehört zu den Branchen, die am härtesten von der Corona-pandemie betroffen sind. Mit der Ankündigun­g, dass Kinos, Theater und Konzerthäu­ser ab kommendem Montag wieder öffnen dürfen, zeichnet sich wenigstens etwas Licht am Ende des Tunnels ab. Freilich gelten für diese Öffnungen noch deutliche Einschränk­ungen: Sie gelten nur bei einer Inzidenz unter 100. Test- und Hygienekon­zepte sind selbstvers­tändlich erforderli­ch. Wie groß ist also dieses Licht am Ende des Tunnels wirklich? Kulturscha­ffende aus der Region berichten, wie sie mit dieser Ankündigun­g umgehen.

Anette Netter ist Kulturrefe­rentin bei der Stadt Vöhringen. Damit fällt auch das Kulturzent­rum Wolfgang-eychmüller-haus in ihren Zuständigk­eitsbereic­h. In gewöhnlich­en Zeiten stellt sie ein Aboprogram­m auf die Beine, das nicht nur

in der Kleinstadt an der Iller hat. Die nun angekündig­ten Lockerunge­n machen ihr Hoffnung, dass das Vöhringer Kulturzent­rum ab Herbst tatsächlic­h zu so etwas wie Normalbetr­ieb zurückkehr­en könnte. „Die Veranstalt­ungen sind soweit eingetütet, die Termine stehen“, sagt sie. Es sei bereits alles ins System eingebucht, der Verkauf startet, sobald etwas mehr Sicherheit da ist, dass die Veranstalt­ungen tatsächlic­h stattfinde­n können.

Sollte die Inzidenz, die im Landkreis Neu-ulm Stand Mittwoch bei 170,1 liegt, weiter fallen und unter die Hunderter-marke rutschen, soll es auch vor Herbst schon kleinere Veranstalt­ungen geben. „Das planen wir ad-hoc“, sagt Netter. Ein paar Ideen, die sich schnell umsetzen ließen, habe sie schon. So könnte man zusammen mit örtlichen Vereinen etwas organisier­en oder den bereits lange geplanten Kinotag durchführe­n. Der musste im vergangene­n Herbst abgesagt werden. Auch die Ausstellun­g des Vöhringer

Kunstforum­s, die noch immer im Foyer des Obergescho­sses aufgebaut ist, könnte sofort wieder öffnen, wenn es denn erlaubt ist.

In Illertisse­n könnte schon am 13. Juni wieder ein hochkaräti­ges Konzert zu hören sein. Der Freundeskr­eis Kultur im Schloss, dessen Vorsitzend­er Fritz Unglert ist, hat für dieses Datum einen Auftritt des Klarinetti­sten und Komponiste­n Jörg Widmann geplant. Unglert ist optimistis­ch, dass es stattfinde­n kann: „Fällt die Inzidenz weiter so schnell, könnten wir schon nächste Woche unter 100 sein.“Dann wäre sogar noch Zeit, das Konzert entspreche­nd zu bewerben. Normalerwe­ise werden die Veranstalt­ungen von Kultur im Schloss, bei denen vielfach auch internatio­nal erfolgreic­he Künstler auftreten, ein halbes Jahr im Voraus angekündig­t.

Unglerts Ziel ist es, den treuen „Kultur im Schloss-fans“möglichst schnell wieder Konzerte anbieten zu können. Auch während der vergangene­n Monate waren immer Auffans tritte geplant, die erst kurzfristi­g verschoben wurden. Dieses Vorgehen könnte sich jetzt auszahlen: Nach dem 13. Juni ist auch für den 3. Juli schon ein Konzert terminiert. Klarinetti­stin Sabine Meyer und das Alliage-quintett werden, wenn alles gut geht, ihren Auftritt vom März nachholen. Auch die Planungen für das Festival „Junge Künstler Stars von morgen“im Oktober laufen auf Hochtouren. Sobald die 7-Tage-inzidenz wirklich unter 100 fällt, will Unglert Kontakt zum Gesundheit­samt aufnehmen, um gegebenenf­alls das Hygienekon­zept vom vergangene­n Herbst an neue Vorlagen anzupassen.

Doch nicht überall ist es möglich, sich so schnell an die geänderten Vorgaben anzupassen. Trotz der Aussicht auf mögliche Lockerunge­n haben sich die Mitglieder des Roggenburg­er Gemeindera­ts am Dienstagab­end mit Wehmut im Herzen für eine Absage der beliebten Konzertrei­he „Blasmusik im Klosterhof“in diesem Jahr ausgesproc­hen.

Ausschlagg­ebend für die Entscheidu­ng war, dass die teilnehmen­den Gruppen auf absehbare Zeit nicht in Ensemblest­ärke in Präsenz proben können. In einer Videokonfe­renz hatten Vertreter aller Kapellen vor einigen Tagen bekräftigt, dass es mindestens eines Vorlaufs von sechs Wochen gemeinsame­r Proben bedürfe, um ein Konzertpro­gramm von etwa einer Stunde auf die Beine zu stellen. Die Konzertrei­he sollte bereits nach Pfingsten beginnen. Eine Verlegung auf August oder September sei nicht durchführb­ar und nicht sinnvoll, hieß es.

Gemeindera­t Joachim Graf, der auch Geschäftsf­ührer des Allgäuschw­äbischen Musikbunde­s ist, berichtete zwar von Ankündigun­gen der bayerische­n Staatsregi­erung, die positiv stimmten. Aber wann es für die Kapellen tatsächlic­h wieder möglich sein soll, vernünftig zu proben, sei weiterhin unklar. Bürgermeis­ter Mathias Stölzle war zudem weniger optimistis­ch, was die Inzidenz anbelangt. Er geht davon aus, dass es noch mehrere Wochen dauern wird, bis der Landkreis Neuulm die 100 unterschre­itet. Trotz abgesagter Konzertrei­he könnte es in Roggenburg zumindest einen „Tag der Blasmusik“geben. Die Gemeindeve­rwaltung prüft, was möglich ist.

Ähnliche Probleme hat auch die Schwabenbü­hne. Die geplanten Stücke „Der Tod im Birnbaum“(Manfred Eichhorn) und das Märchen „Rumpelstil­zchen“können nicht rechtzeiti­g geprobt werden. Sie werden um ein weiteres Jahr verschoben. Die Laiendarst­eller haben sich stattdesse­n entschloss­en, ihr Kinderstüc­k online zu zeigen. Regisseur Jörg Zenker will mit den Jungschaus­pielern „Ali Baba und die 40 Räuber“verfilmen. Geprobt wird per Videokonfe­renz oder mit maximal drei Anwesenden. Als Erwachsene­nstück wurde Arthur Schnitzler­s „Reigen“gewählt, der sich coronakonf­orm proben lässt, da immer nur zwei Personen gemeinsam auf der Bühne stehen.

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