Lieber Batterien wechseln statt laden?
Mobilität Aus China kommen neue Anläufe, leere Elektroauto-akkus gegen volle zu tauschen und dann schnell weiterzufahren. Autofachmann Ferdinand Dudenhöffer warnt deutsche Hersteller, eine Entwicklung zu ignorieren
Augsburg Lange Ladezeiten gelten als ein Problem von Elektroautos. Weshalb also nicht einfach eine leere E-auto-batterie gegen eine volle tauschen? Schnell wäre die Weiterfahrt möglich. Erste Konzepte für solche Wechselstationen scheiterten, doch jetzt wagen zahlreiche chinesische E-auto-hersteller einen neuen Anlauf, der Hersteller Nio drängt damit auch nach Europa. Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer gibt den Wechselstationen der zweiten Generation gute Chancen und warnt in einer neuen Analyse davor, die technische Entwicklung komplett zu ignorieren.
Bereits 2007 hatte der frühere Sap-manager Shai Agassi, eine Israeli, das Unternehmen Better Place gegründet, erinnert Dudenhöffer. Better Place hatte das Ziel, landesweit ein Netz an Wechselstationen aufzubauen, an denen in zehn Minuten ein leerer Akku gegen einen vollen getauscht werden konnte. Doch E-autos waren in dieser Zeit kaum verbreitet. Im Jahr 2013 meldete Better Place Insolvenz an.
Heute gibt es zwar weit mehr Elektroautos auf den Straßen. Trotzdem sprechen einige Gründe gegen die „Swapping Stations“, wie sie im Englischen genannt werden. Zum einen konzentrieren sich alle westlichen Hersteller auf den Aufbau einer Ladeinfrastruktur. Dazu kommt, dass die Ladezeiten kürzer werden. Schließlich stellt sich die Frage, ob die Autobauer überhaupt ein Interesse an auswechselbaren Akkus haben. Fällt der Verbrennungsmotor weg, wird die Batterie zum Schlüsselelement eines Fahrzeugs, mit dem man sich von der Konkurrenz abheben kann.
Haben also Wechselstationen keine Chance mehr? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Derzeit erlebt das Konzept eine Wiedergeburt. In China gibt es mehrere Initiativen für Batteriewechselstationen, hat Dudenhöffer beobachtet. In Peking beispielsweise stellt die Beijing Automotive Group (BAIC) Stationen vor. „In erster Linie sollten die Stationen Taxiunternehmen erlauben, Elektro-taxen ohne lange Ladezeiten zu betreiben“, erklärt er. Auch für das meistverkaufte Elektroauto Chinas, den Mini-ev, soll es bald die Möglichkeit zum Batteriewechsel geben.
Eine prominente Rolle nimmt der chinesische Hersteller Nio ein, der den Batterietausch in den Mittelpunkt seines Geschäftskonzepts rückt. „Die Wechselbatterien sind eine wichtige Technologie für uns“, sagte Hui Zhang, Vize-chef der Nio Group in München, unserer Redaktion. Momentan habe Nio in China bereits 500 Wechselstationen in Betrieb. „Seit wir die Technologie anbieten, ist dort bereits rund vier Millionen Mal eine Batterie getauscht worden“, berichtet er.
Nio will die Stationen demnächst auch nach Europa bringen: In eineinhalb Monaten soll in Lier in der Nähe der norwegischen Hauptstadt Oslo die erste europäische Wechselstation in Betrieb genommen werden. Ende 2022 – im vierten Quartal – werde dann voraussichtlich auch in Deutschland die erste Station eröffnet, berichtet Zhang. „Unser Ziel ist es, bis 2025 rund 4000 dieser Swapping Stations zu betreiben, davon 1000 außerhalb Chinas.“Es könnte sein, dass dieses System in Deutschland zum Beispiel entlang der Autobahnen Sinn hat, wo große Strecken zurückgelegt werden, die Zeit zum Laden aber knapp ist.
Nio-fahrer können per Smartphone-app eine neue, geladene Batterie anfordern, wenn sie merken, dass ihre Reichweite zu Ende geht. Die App lotst sie dann zur nächsten Wechselstation. In diese können die Fahrer wie in eine Garage hineinfahren. Die Station dockt an das Fahrzeug an, wechselt die Batterie, der Fahrer kann in dieser Zeit telefonieren oder Zeitung lesen. Nach drei Minuten ist der Akku ausgewechselt, die Fahrt kann weitergehen. Der Batterien-tausch ist kein Muss. Die Fahrzeuge lassen sich auch an Ladesäulen laden.
Ob sich die Wechselstationen in einem zweiten Anlauf durchsetzen? Bei Audi ist man skeptisch. „Durch die hohe Integration leistungsfähiger und schnellladefähiger Traktionsbatterien gibt Audi einem Wechselsystem keine Chance“, sagt ein Audi-sprecher unserer Redaktion. „Wir sehen die Zukunft in einem dichten und leistungsfähigen Schnellladenetz. Dafür legen wir unsere Autos aus – auf kurze Ladedauer bei hoher Ladeleistung.“
Audi sieht in der Wechseltechnik Nachteile, wenn es um Innovation und die Sicherheit geht: „Für ein Wechselsystem wären sehr stark standardisierte und auf eine oder wenige Größenformate reduzierte Batterien notwendig“, berichtet der Autobauer. Zudem sei das Handling durch die Größe, das Gewicht, das Kühlsystem und die Sicherheit der Kontaktierung bei Batteriesystemen bis zu 800 Volt „nicht sinnvoll und wirtschaftlich lösbar“. Audi bevorzugt den festen Einbau der Batterien: „Bei den E-autos von Audi trägt die hochintegrierte Batterie nicht nur zur integralen Sicherheit bei, sondern ist intensiv und gesamthaft in das Energiemanagement des Fahrzeugs integriert.“
Dudenhöffer dagegen warnt, dass China ein riesiger Automarkt ist, der Standards prägen kann. „Mit einem Netz von Batteriewechselstationen legt China die Grundlagen für ein Infrastrukturprojekt, das chinesischen Autobauern und Mobilitätsdienstleistern Wettbewerbsvorteile sichert.“Weder in Europa noch den USA seien heute ähnliche Projekte zu beobachten. So bestehe die Gefahr, dass man am Ende wie bei Lithium-ionen-batterien der Entwicklung hinterherlaufe.