Die Intelentscheidung rückt näher
Standort Der Chipmangel sorgt für immer größere Einschränkungen in der Industrie. Erste Stimmen warnen vor einer Rezession. Der Us-chiphersteller drückt mit seiner Standortwahl aufs Tempo. Wie Penzings Chancen stehen
Penzing Es ist ein Projekt, das alles ändern könnte. Zumindest für die kleine Gemeinde Penzing im Landkreis Landsberg wäre nichts mehr wie vorher, wenn der Us-chipriese Intel das Gelände des ehemaligen Fliegerhorsts als Standort für eine neue Chipfertigung in Europa auswählt. Zwei neue Chipfabriken will der Konzern in Europa bauen, so viel steht fest. Eine Investition von 20 Milliarden Euro, Bauzeit circa vier Jahre. Doch wie Intel-chef Pat Gelsinger kürzlich in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen erklärte, soll das nur der Anfang sein. Am Ende könnten acht Chipfabriken entstehen, mit einer Investitionssumme von 80 Milliarden Euro.
Es geht um riesige Dimensionen und die Zeit ist knapp. Noch bis Ende des Jahres will Intel sich für einen Standort entscheiden, sagt das Unternehmen. Von einst über 70 Kandidaten seien noch rund zehn auf der Liste, bestätigt eine Sprecherin des Unternehmen im Gespräch mit unserer Redaktion. Ob Penzing noch dabei ist, verrät sie nicht. Deutschland sei aber noch im Rennen. Intel konnte in den vergangenen Monaten zwar stark von der gestiegenen Nachfrage nach Chips profitieren. Aber technologisch ist das Unternehmen ins Hintertreffen geraten. Seit Februar ist Pat Gelsinger der Chef. Er soll die Aufholjagd starten. Und die neue Superfabrik in Europa ist ein wichtiger Teil davon. Die neueste Technologie soll dort zum Einsatz kommen. Vier Nanometer Strukturbreite sollen die Chips haben, die dort gefertigt werden, heißt es. Je kleiner diese Werte, desto mehr Prozessoren können bei der Produktion auf eine Halbleiterschicht gepackt werden. Zudem arbeiten die Chips dann effizienter.
Die Einsatzgebiete sind sehr weit. Intel biete Kunden einerseits „Produkte von der Stange“. Häufig werden die Chips aber auch in Zusammenarbeit mit den Kunden designt und dann von Intel gefertigt, so die Sprecherin weiter. Doch bis es so weit ist, muss zuerst die Standortfrage geklärt sein. Gelsinger sagte, Intel brauche zunächst einmal viel Platz. 500 Hektar nannte er als Zielmarke. Der ehemalige Fliegerhorst hat eine Größe von rund 270 Hektar – allerdings liegt er inmitten von Äckern und Wiesen. Erweiterungsmöglichkeiten wären bei entsprechendem politischen Willen und finanziellen Entschädigungen wohl denkbar. Wasser spielt zudem eine große Rolle. Die Fertigung von Chips ist sehr wasserintensiv, da die großen Siliziumscheiben immer
mit gereinigtem Wasser gespült werden müssen, erklärt die Sprecherin. Intel will zwar bis 2030 eine positive Wasserbilanz erreichen, indem das Wasser etwa aufbereitet und wieder in den Kreislauf eingespeist wird. Allerdings gibt es in Penzing derzeit schon Diskussionen um die mögliche Ansiedlung eines holzverarbeitenden Betriebs, der auch viel Wasser bräuchte.
Nicht zu unterschätzen dürften aber weiche Faktoren sein. Rund 1500 Mitarbeiter sollen laut Gelsinger in jeder der geplanten Chipfabriken arbeiten. Dazu kämen noch einmal fünf- bis zehnmal so viele bei
Zulieferern und Dienstleistern. Diese Fachkräfte zu finden, wird auch für Intel eine Herausforderung sein. Leichter fallen könnte sie, wenn das Unternehmen die Fachkräfte mit einem Arbeitsplatz in einer attraktiven Gegend ködern kann. Ein klarer Pluspunkt für Penzing.
Ein Projekt dieser Größenordnung stellt aber auch Politik und Verwaltung vor große Aufgaben. Erfahrungen in dieser Hinsicht hat man jüngst in Grünheide in Brandenburg gemacht, wo Tesla-gründer Elon Musk in Rekordzeit seine erste europäische Fabrik errichtet hat. Mit vorzeitigen Zulassungen konnte Tesla bauen, obwohl die endgültige Genehmigung bis heute aussteht. Auf dem Papier trägt das Unternehmen das Risiko, alles zurückbauen zu müssen. De facto sollen die ersten Fahrzeuge in der über eine Milliarde Euro teuren Fabrik noch heuer vom Band rollen.
Doch im Vergleich zu dem, was Intel vorhabe, sei „der Bau von Tesla eher klein und langsam“, so Intelchef Gelsinger in der FAZ. Unterstützung aus der Politik gibt es für das Vorhaben jedenfalls. Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger macht sich für die Ansiedlung stark. Vor allem aber hat die EU die Chipfertigung als strategische Schlüsselindustrie identifiziert und will seinen rasant geschwundenen Marktanteil nun bis 2030 mit massiven Investitionen auf 20 Prozent verdoppeln. Deutschland will dabei ganz vorne mit dabei sein.
Dass das teuer wird, steht außer Frage. Bei Intel heißt es, die Asiaten förderten den Bau von Chipfabriken zu 20 bis 30 Prozent. Für die Anlagen in Europa sind aber auch Anreize von 35 bis gar 50 Prozent der Kosten im Gespräch. Das stößt durchaus auf Kritik. Denn die Frage stellt sich, ob so viel staatliches Geld ausgegeben werden sollte, wenn doch durch die hohe Nachfrage auf dem Markt Anreize genügend da sein sollten, die Produktion auszuweiten. Der Präsident des Münchwieder ner ifo-instituts, Clemens Fuest, sieht durchaus Argumente dafür: „Ich glaube, es gibt eine Reihe strategischer Güter, bei denen man schon darauf achten muss, dass man nicht erpressbar wird. Insofern habe ich Verständnis dafür, dass die Politik bei einem so strategischen Projekt wie der Halbleiterproduktion vielleicht auch Geld in die Hand nimmt“, sagt Fuest im Gespräch mit unserer Redaktion.
Natürlich wüssten die Chiphersteller, dass der Moment günstig sei, viel staatliches Geld in Form von Subventionen zu bekommen. Aber: „Da ein großer Teil der Chipproduktion in Taiwan liegt und das geopolitisch ein heikler Standort ist, müssen wir nachdenken, in welchen Bereichen bestehen einseitige Abhängigkeiten. In diesem Kontext sollte man auch das Halbleiterprojekt sehen. Es ist nicht schlimm, wenn wir in bestimmten Bereichen von China abhängig sind, vorausgesetzt es gibt auch gegenläufige Abhängigkeiten.“
Wie groß die Abhängigkeit der Industrie von Halbleitern mittlerweile ist, wird derzeit schmerzhaft bewusst: Erst am Donnerstag hat das Statistische Bundesamt gemeldet, dass die Industrieproduktion im September um vier Prozent eingebrochen ist. Gegenüber Februar 2020, dem Monat vor dem Übergreifen der Corona-krise auf Deutschland, liegt die Gesamtproduktion nun neun Prozent tiefer. Schuld daran ist nicht nur, aber sehr stark der Mangel an Halbleitern. Mittlerweile warnt eine ganze Reihe von Ökonomen vor einer sogenannten Flaschenhals-rezession, einem wirtschaftlichen Einbruch infolge von Engpässen bei Vorprodukten. BMW verkaufte von Juli bis Ende September zwölf Prozent weniger Autos als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bei Mercedes-benz brachen die Zahlen sogar um 30 Prozent ein. Kurzfristig helfen die Intelpläne da nicht. Aber der Bedarf dürfte weiter steigen.