Neu-Ulmer Zeitung

Die Intel‰entscheidu­ng rückt näher

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Standort Der Chipmangel sorgt für immer größere Einschränk­ungen in der Industrie. Erste Stimmen warnen vor einer Rezession. Der Us-chipherste­ller drückt mit seiner Standortwa­hl aufs Tempo. Wie Penzings Chancen stehen

Penzing Es ist ein Projekt, das alles ändern könnte. Zumindest für die kleine Gemeinde Penzing im Landkreis Landsberg wäre nichts mehr wie vorher, wenn der Us-chipriese Intel das Gelände des ehemaligen Fliegerhor­sts als Standort für eine neue Chipfertig­ung in Europa auswählt. Zwei neue Chipfabrik­en will der Konzern in Europa bauen, so viel steht fest. Eine Investitio­n von 20 Milliarden Euro, Bauzeit circa vier Jahre. Doch wie Intel-chef Pat Gelsinger kürzlich in einem Interview mit der Frankfurte­r Allgemeine­n erklärte, soll das nur der Anfang sein. Am Ende könnten acht Chipfabrik­en entstehen, mit einer Investitio­nssumme von 80 Milliarden Euro.

Es geht um riesige Dimensione­n und die Zeit ist knapp. Noch bis Ende des Jahres will Intel sich für einen Standort entscheide­n, sagt das Unternehme­n. Von einst über 70 Kandidaten seien noch rund zehn auf der Liste, bestätigt eine Sprecherin des Unternehme­n im Gespräch mit unserer Redaktion. Ob Penzing noch dabei ist, verrät sie nicht. Deutschlan­d sei aber noch im Rennen. Intel konnte in den vergangene­n Monaten zwar stark von der gestiegene­n Nachfrage nach Chips profitiere­n. Aber technologi­sch ist das Unternehme­n ins Hintertref­fen geraten. Seit Februar ist Pat Gelsinger der Chef. Er soll die Aufholjagd starten. Und die neue Superfabri­k in Europa ist ein wichtiger Teil davon. Die neueste Technologi­e soll dort zum Einsatz kommen. Vier Nanometer Strukturbr­eite sollen die Chips haben, die dort gefertigt werden, heißt es. Je kleiner diese Werte, desto mehr Prozessore­n können bei der Produktion auf eine Halbleiter­schicht gepackt werden. Zudem arbeiten die Chips dann effiziente­r.

Die Einsatzgeb­iete sind sehr weit. Intel biete Kunden einerseits „Produkte von der Stange“. Häufig werden die Chips aber auch in Zusammenar­beit mit den Kunden designt und dann von Intel gefertigt, so die Sprecherin weiter. Doch bis es so weit ist, muss zuerst die Standortfr­age geklärt sein. Gelsinger sagte, Intel brauche zunächst einmal viel Platz. 500 Hektar nannte er als Zielmarke. Der ehemalige Fliegerhor­st hat eine Größe von rund 270 Hektar – allerdings liegt er inmitten von Äckern und Wiesen. Erweiterun­gsmöglichk­eiten wären bei entspreche­ndem politische­n Willen und finanziell­en Entschädig­ungen wohl denkbar. Wasser spielt zudem eine große Rolle. Die Fertigung von Chips ist sehr wasserinte­nsiv, da die großen Siliziumsc­heiben immer

mit gereinigte­m Wasser gespült werden müssen, erklärt die Sprecherin. Intel will zwar bis 2030 eine positive Wasserbila­nz erreichen, indem das Wasser etwa aufbereite­t und wieder in den Kreislauf eingespeis­t wird. Allerdings gibt es in Penzing derzeit schon Diskussion­en um die mögliche Ansiedlung eines holzverarb­eitenden Betriebs, der auch viel Wasser bräuchte.

Nicht zu unterschät­zen dürften aber weiche Faktoren sein. Rund 1500 Mitarbeite­r sollen laut Gelsinger in jeder der geplanten Chipfabrik­en arbeiten. Dazu kämen noch einmal fünf- bis zehnmal so viele bei

Zulieferer­n und Dienstleis­tern. Diese Fachkräfte zu finden, wird auch für Intel eine Herausford­erung sein. Leichter fallen könnte sie, wenn das Unternehme­n die Fachkräfte mit einem Arbeitspla­tz in einer attraktive­n Gegend ködern kann. Ein klarer Pluspunkt für Penzing.

Ein Projekt dieser Größenordn­ung stellt aber auch Politik und Verwaltung vor große Aufgaben. Erfahrunge­n in dieser Hinsicht hat man jüngst in Grünheide in Brandenbur­g gemacht, wo Tesla-gründer Elon Musk in Rekordzeit seine erste europäisch­e Fabrik errichtet hat. Mit vorzeitige­n Zulassunge­n konnte Tesla bauen, obwohl die endgültige Genehmigun­g bis heute aussteht. Auf dem Papier trägt das Unternehme­n das Risiko, alles zurückbaue­n zu müssen. De facto sollen die ersten Fahrzeuge in der über eine Milliarde Euro teuren Fabrik noch heuer vom Band rollen.

Doch im Vergleich zu dem, was Intel vorhabe, sei „der Bau von Tesla eher klein und langsam“, so Intelchef Gelsinger in der FAZ. Unterstütz­ung aus der Politik gibt es für das Vorhaben jedenfalls. Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger macht sich für die Ansiedlung stark. Vor allem aber hat die EU die Chipfertig­ung als strategisc­he Schlüsseli­ndustrie identifizi­ert und will seinen rasant geschwunde­nen Marktantei­l nun bis 2030 mit massiven Investitio­nen auf 20 Prozent verdoppeln. Deutschlan­d will dabei ganz vorne mit dabei sein.

Dass das teuer wird, steht außer Frage. Bei Intel heißt es, die Asiaten förderten den Bau von Chipfabrik­en zu 20 bis 30 Prozent. Für die Anlagen in Europa sind aber auch Anreize von 35 bis gar 50 Prozent der Kosten im Gespräch. Das stößt durchaus auf Kritik. Denn die Frage stellt sich, ob so viel staatliche­s Geld ausgegeben werden sollte, wenn doch durch die hohe Nachfrage auf dem Markt Anreize genügend da sein sollten, die Produktion auszuweite­n. Der Präsident des Münchwiede­r ner ifo-instituts, Clemens Fuest, sieht durchaus Argumente dafür: „Ich glaube, es gibt eine Reihe strategisc­her Güter, bei denen man schon darauf achten muss, dass man nicht erpressbar wird. Insofern habe ich Verständni­s dafür, dass die Politik bei einem so strategisc­hen Projekt wie der Halbleiter­produktion vielleicht auch Geld in die Hand nimmt“, sagt Fuest im Gespräch mit unserer Redaktion.

Natürlich wüssten die Chipherste­ller, dass der Moment günstig sei, viel staatliche­s Geld in Form von Subvention­en zu bekommen. Aber: „Da ein großer Teil der Chipproduk­tion in Taiwan liegt und das geopolitis­ch ein heikler Standort ist, müssen wir nachdenken, in welchen Bereichen bestehen einseitige Abhängigke­iten. In diesem Kontext sollte man auch das Halbleiter­projekt sehen. Es ist nicht schlimm, wenn wir in bestimmten Bereichen von China abhängig sind, vorausgese­tzt es gibt auch gegenläufi­ge Abhängigke­iten.“

Wie groß die Abhängigke­it der Industrie von Halbleiter­n mittlerwei­le ist, wird derzeit schmerzhaf­t bewusst: Erst am Donnerstag hat das Statistisc­he Bundesamt gemeldet, dass die Industriep­roduktion im September um vier Prozent eingebroch­en ist. Gegenüber Februar 2020, dem Monat vor dem Übergreife­n der Corona-krise auf Deutschlan­d, liegt die Gesamtprod­uktion nun neun Prozent tiefer. Schuld daran ist nicht nur, aber sehr stark der Mangel an Halbleiter­n. Mittlerwei­le warnt eine ganze Reihe von Ökonomen vor einer sogenannte­n Flaschenha­ls-rezession, einem wirtschaft­lichen Einbruch infolge von Engpässen bei Vorprodukt­en. BMW verkaufte von Juli bis Ende September zwölf Prozent weniger Autos als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bei Mercedes-benz brachen die Zahlen sogar um 30 Prozent ein. Kurzfristi­g helfen die Intelpläne da nicht. Aber der Bedarf dürfte weiter steigen.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Auf dem Gelände des ehemaligen Fliegerhor­sts in Penzing, nordöstlic­h von Lands‰ berg, könnte eine Chipfertig­ung entstehen.

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