Neu-Ulmer Zeitung

Konflikt mit Woelki „hat mir die Augen geöffnet“

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Interview Die Landsberge­rin Viola Kohlberger wirft dem umstritten­en Kölner Kardinal

nach einem Aufeinande­rtreffen Machtmissb­rauch vor. Was passiert ist

Frau Kohlberger, Sie sind Mitglied des „Synodalen Wegs“– eines Reformproz­esses zwischen deutschen Bischöfen und engagierte­n Katholiken. In einem Instagram-video haben Sie nun von einem unangenehm­en Gespräch erzählt, das Sie kürzlich mit Kardinal Rainer Maria Woelki bei der Synodalkon­ferenz in Frankfurt hatten. Können Sie das Aufeinande­rtreffen mit dem Kölner Erzbischof schildern?

Viola Kohlberger: Im Kern ging es darum, dass ich in einem Redebeitra­g im Plenum auf ihn und andere Menschen Bezug genommen habe, die nach den neuesten Entscheidu­ngen aus Rom weiterhin ihr Bischofsam­t ausüben dürfen.

Zum Beispiel auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße, dem in einem Rechtsguta­chten Pflichtver­letzungen im Umgang mit Missbrauch­sfällen bescheinig­t wurden ...

Kohlberger: Ich sagte, dass ich im Vorfeld der Versammlun­g nicht gewusst habe, wie ich dort den Menschen begegnen solle, die sich mehr für den Schutz des Systems als für den Schutz der Menschen einsetzen würden.

Wie ging es dann nach der Kritik in Ihrem Redebeitra­g weiter? Kohlberger: Am Tag darauf sprach mich Rainer Maria Woelki auf diesen Redebeitra­g an – und darauf, dass ich ihn seiner Meinung nach aus reiner Emotionali­tät und ohne Grundlage beschuldig­en würde. Alle Gutachten und sogar der Heilige Vater in Rom hätten bestätigt, dass er sich nichts vorzuwerfe­n habe. Ich versuchte dagegen zu argumentie­ren, beispielsw­eise durch den Verweis auf seinen Umgang mit Betroffene­n sexuellen Miss- brauchs, den ich stark kritisiere. Er warf mir vor, dass meine emotionali­sierten Posts in den Sozialen Medien die Menschen aufmischen würden und der Grund dafür seien, weshalb Menschen aus der Kirche austreten würden.

Wie fühlten Sie sich im Anschluss daran?

Kohlberger: Ich brauchte einen Moment, um zu realisiere­n, was gerade passiert war. Dann hatte ich direkt das Gefühl, dass es nicht in Ordnung war, wie das Gespräch verlaufen ist – und dass das nicht an mir liegt. Ich habe dann den anderen jungen Synodalen geschriebe­n und mich ihnen anvertraut.

Was hat Sie dazu bewegt, die Geschehnis­se bei der Synodalkon­ferenz in einem Video auf Ihrem Instagramk­anal öffentlich zu machen? Kohlberger: Ich beschäftig­e mich im Rahmen des Synodalen Wegs viel mit dem Thema Machtmissb­rauch und fühle mich dazu sprachfähi­g. Andere, die vielleicht ähnliche Ereignisse erlebt haben, wollte ich dazu ermutigen, Missstände ebenfalls öffentlich anzusprech­en.

Welche Reaktionen bekommen Sie auf Ihr Instagram-video?

Kohlberger: Das Video wird sehr viel geteilt und hat knapp 10000 Aufrufe. Auch Doris Reisinger (Theologin, Buchautori­n und Missbrauch­sopfer, Anm. der Redaktion) hat es auf Twitter verlinkt, darüber habe ich mich gefreut. Ich bekomme insgesamt viel Solidaritä­t und Unterstütz­ung, zum Beispiel aus den katholisch­en Jugendverb­änden. Das ist unglaublic­h bestärkend. Ich bekomme aber auch viele schlimme Kommentare, die ich inzwischen nicht mehr lese. Meine Freundinne­n und Freunde helfen mir, indem sie die schlimmste­n Kommentare melden.

Sie sind weiterhin Mitglied des Synodalen Wegs. Wie beeinfluss­t das kürzliche Aufeinande­rtreffen mit Kardinal Woelki Ihr weiteres Engagement im Reformproz­ess?

Kohlberger: Es hat mir ein Stück weit die Augen geöffnet. Der Zusammenst­oß ist ein gutes Beispiel dafür, wie auch auf der Synodalver­sammlung Macht ausgespiel­t und missbrauch­t werden kann.

Der Münsterane­r Kirchenrec­htsprofess­or Thomas Schüller sprach von einer „Form des Psychoterr­ors“: „Diese bischöflic­hen Herren kennen keine Gnade und keinen Respekt.“Kohlberger: ...das verdeutlic­ht, woran wir arbeiten müssen. Ich fühle mich insgesamt aber in meinem Engagement bekräftigt und motiviert.

Das Erzbistum Köln hat eine Stellungna­hme abgegeben. Demnach bedauert der Kardinal sehr, dass bei Ihnen der Eindruck entstanden ist, dass er Druck ausgeübt habe. Es sei zentral, miteinande­r im Gespräch zu bleiben, „wenn man einen gemeinsame­n Weg in die Zukunft finden wolle“.

Kohlberger: Wenn Rainer Maria Woelki seine Entschuldi­gung ernst gemeint hat, nehme ich sie an.

Interview: Alexandra Hartmann

Viola Kohlberger, 29, aus Lands‰ berg am Lech ist promoviert­e Theologin, ehrenamtli­che Diözesan‰ vorsitzend­e der Deutschen Pfad‰ finderscha­ft St. Georg in Augsburg und Mitglied des Synodalen Wegs.

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Viola Kohlberger
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Rainer M. Woelki

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