Neu-Ulmer Zeitung

Krasniqi lebt für den großen Kampf

- VON OLIVER REISER

Boxen Der 34-Jährige aus Gersthofen verteidigt in Magdeburg seinen Weltmeiste­rtitel im Halbschwer­gewicht, den er vor fast genau einem Jahr völlig überrasche­nd gewonnen hat

Gersthofen/magdeburg Vor fast genau einem Jahr hat Robin Krasniqi nicht nur seinen Gegner Dominic Bösel verblüfft, den er in der dritten Runde auf die Bretter geschickt hat. Der Deutsch-albaner, der seit einigen Jahren im Gersthofer Ortsteil Hirblingen zu Hause ist, hat die gesamte Boxwelt überrascht, als er sich den Weltmeiste­rtitel der IBO und WBA im Halbschwer­gewicht (bis 79,4 Kilogramm) schnappte. Fast auf den Tag genau ein Jahr später will der momentan einzige amtierende deutsche Box-weltmeiste­r seinen Titel verteidige­n. An selber Stelle steigt er am Samstag (23.40 UHR/ARD) gegen denselben Gegner in den Ring. In der Magdeburge­r Getec-arena sind 5000 Zuschauer zugelassen.

Dominik Bösel will Revanche für diesen Niederschl­ag, der ihn wie ein Blitz getroffen hat. Robin Krasniqi, eigentlich krasser Außenseite­r, war an jenem 10. Oktober 2020 ebenfalls wie vom Donner gerührt: „Ich habe es erst gar nicht fassen können. Damit ist ein Traum für mich in Erfüllung gegangen. Seitdem bin ich der glücklichs­te Mensch der Welt. Für diesen Moment habe ich gelebt.“

Und überlebt. Krasniqi wuchs in den Wirren des Kosovo-krieges auf. Auf der Flucht hat er sich mit seinen Geschwiste­rn und der Mutter durch den Wald geschlagen. Nach der Rückkehr aus Albanien in den Kosovo war das Elternhaus total zerstört. Mit 17 Jahren holte ihn der Vater, ein politisch Verfolgter, der das Land längst verlassen hatte, nach München. „Das waren schwierige Momente“, blickt Robin Krasniqi, der eigentlich Haxhi heißt, zurück. Verängstig­t und ohne Sprachkenn­tnisse fand er im Boxsport seine Berufung.

Krasniqi galt lange Zeit als einer, der in großen Kämpfen nicht ablieferte. Das änderte sich am 10. Oktober 2020 – im wahrsten Sinne des Wortes – auf einen Schlag. Mit ihm hatte keiner so wirklich als Weltmeiste­r gerechnet. Außer er selbst. „Seit ich den Vorkampf von Henry Maske gegen Virgil Hill vor 10000 Zuschauern bestreiten durfte, ist dieser Traum, den ich schon immer geträumt habe, noch größer geworden.“Diesem Traum hat er seitdem alles untergeord­net, lebt ihn mit äußerster Disziplin. Alkohol oder Zigaretten kommen für ihn nicht in Frage.

Ein Jahr lang hat Robin Krasniqi seit diesem denkwürdig­en Kampf seines Lebens nicht mehr gekämpft. Außer gegen eine Corona-infektion, die ihn im April erwischt hat. Das konnte ihn jedoch nicht stoppen. „Ich bin fit wie noch nie“, sagt der 1,86 Meter große Modellathl­et. Optimal vorbereite­t hat er sich im eigenen Box-gym im Gersthofer Industrieg­ebiet mit seinem Trainer Magomed Tschaburow (51), einem gebürtigen Tadschiken, der ebenfalls in Gersthofen wohnt.

Für Kondition und Kraft wurde Fitness-spezialist Sepp Maurer engagiert. „Robin ist schon seit Tagen in einem Tunnel, hat sein Handy abgeschalt­et und ist nur noch auf den Kampf fixiert“, erzählt Jürgen Riess. Der Inhaber des Gersthofer Eiscafe Giotto wird seinem Freund und Geschäftsp­artner in Magdeburg erneut die Daumen drücken. Ein Jahr lang waren die beiden Meistergür­tel der IBO und WBA ebenfalls in Gersthofen deponiert. In einer Vitrine des nobel durchgesty­lten Boxstudios in einem kubistisch­en Glasbau, dessen Mittelpunk­t ein Boxring bildet. Krasniqi hat es mit Unterstütz­ung seines langjährig­en Sponsors Robert Manhardt im Oktober 2019 eröffnet. Der 34-Jährige vertreibt dort auch ein eigenes Label „RK“für Sportartik­el, Kleidung und Schuhe.

Seit dem Sommer vergangene­n Jahres hat er mit seiner Schwester zudem eine Eisdiele in Augsburgpf­ersee gepachtet. „Ich liebe Eis“, verrät Robin Krasniqi, der am Samstag wieder mit dem traditione­llen albanische­n Lied „Kuq e zi“(Rot und Schwarz) in die Arena einmarschi­eren wird.

Nach dem Sieg gegen Dominic Bösel würde er sich am liebsten mit mehreren Kugeln belohnen. Wer Krasniqi kennt, der weiß, dass er keinen Gedanken daran verschwend­et, dass man Eis auch zum Kühlen von Blessuren verwenden kann.

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