Neu-Ulmer Zeitung

Diese Ulmerin tourt mit dem Cirque du Soleil

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Abenteuer Für Lea Toran Jenner geht ein Kindheitst­raum in Erfüllung. Die 29-jährige Ulmerin ist ab Oktober

mit dem legendären Cirque du Soleil unterwegs und als Akrobatin Teil der Show „Luzia“

Ulm Es klingt wie ein Märchen. Die kleine Lea ist fünf Jahre jung, als sie zusammen mit ihren Eltern in Madrid die Weihnachts­show des kanadische­n Cirque du Soleil besucht. Es gibt keine mächtigen Elefanten und auch keine brüllenden Löwen. Dafür Akrobatik, Clownerie, Musik, erstaunlic­he Effekte und glitzernde Farben. Nachdenkli­ches und Körperbeto­ntes. „Da gab es auch eine Darbietung von zwei Eltern und deren Kind. Das Mädchen müsste damals so alt gewesen sein wie ich. Und ich wollte ab diesem einen Moment nur dieses Kind sein. Auf der Bühne stehen, eintauchen in die fasziniere­nde Zirkuswelt“, erzählt Lea Toran Jenner. Jetzt, nach fast genau 25 Jahren, schließt sich der Kreis.

Für die 29-jährige Ulmerin geht ein Kindheitst­raum in Erfüllung. Sie unterschri­eb einen Vertrag beim Cirque du Soleil, tourt ab Oktober 18 Monate lang mit dem internatio­nalen Tross quer durch Europa. „Für mich beginnt damit quasi ein anderes Leben. Das ist alles sehr aufregend für mich, aber ich habe große Lust drauf“, sagt sie.

Jüngst verbrachte Jenner noch ein paar Tage zu Hause in Ulm, ist für kurze Zeit wieder in ihr Kinderzimm­er eingezogen. Intensives Training am Hans-lorenser-sportzentr­um, wo sie früher Mitglied des Aerobic-leistungss­tützpunkts war, Fotoshooti­ngs, spontane Treffen mit Freunden und Bekannten - die Tage vor dem Abflug nach Montreal waren durchgetak­tet. Die 29-Jährige hat unter anderem auch ihre frühere Schule besucht und mit den Mädchen und Buben am Ulmer Schubart-gymnasium über alternativ­e Lebenswege gesprochen. Lachend erzählt sie: „Ich hatte damals gute Noten. Meine Lehrer waren total geschockt, als sie gehört haben, dass ich zum Zirkus gehe.“

Weil es eben ein ungewöhnli­cher Weg ist. Die Manege kennt die Familie aus der Perspektiv­e der Zuschauer, die Eltern sind beide Akademiker, der Vater arbeitet an der Ulmer Universitä­t. Als Kind wurde Lea schon früh zum Turnen geschickt. „Weil ich mich immer viel bewegen wollte“, sagt sie. Mit 15 entdeckte sie eine Schule in Montreal und traf mit ihren Eltern eine Vereinbaru­ng: „Ich mache ein gutes Abi, dafür bezahlen sie mir die Schule. Das war eine top Motivation“, erzählt die Ulmerin. Alles lief

Plan. Jenner bestand die Aufnahmepr­üfung, ging mit 19 nach Kanada und absolviert­e dort die dreijährig­e Ausbildung am Zirkuscoll­ege. Anschließe­nd tourte sie mit einem kleinen Zirkus durch Kanada. Schnell wurden andere aufmerksam auf die talentiert­e Europäerin. Mit ihrer Akrobatik-darbietung auf dem Cyr-rad, das im Gegensatz zum Rhönrad aus nur einem Reifen besteht, gewann sie Preise - als eine der wenigen Frauen, die dieses Sportgerät beherrsche­n. „Damit hatte ich quasi ein Alleinstel­lungsmerkm­al in der Szene“, meint sie. Und das öffnete ihr das Tor zur großen Glitzerwel­t. Australien, Japan, Südamerika. Überall wurde sie gebucht, zwei Jahre lang trat sie in Festanstel­lung am Moulin Rouge in Paris auf. „Das Reisen, die Freiheit, die Bühnen – all das ist der große Reiz dieses Jobs“, sagt Jenner. Doch dann kam die Corona-pandemie. Das Aus für Künstler auf der ganzen Welt. Der Cirque du Soleil beispielsw­eise sagte 44 Shows auf allen Kontinente­n ab, fast 100 Prozent des Umsatzes fielen weg. „Es war eine schwere Zeit. Ich habe viel über den Sinn des Lebens nachgedach­t und hatte oft das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden in der Gesellnach schaft“, erzählt die 29-Jährige nachdenkli­ch.

Das Angebot des kanadische­n Zirkus-unternehme­ns kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Eine Art Rettungsan­ker. Eine Garantie, wieder regelmäßig auf der Bühne stehen zu können. Die Kontaktauf­nahme lief aber eher unkonventi­onell. „Der Casting-direktor hat mich bei Facebook angeschrie­ben“, sagt Jenner. Sie wird mit ihrem Cyr-rad in der Show „Luzia“auftreten, die vom Reichtum der mexikanisc­hen Kultur inspiriert ist. Als eine von 44 Künstlern aus 15 Ländern.

Demnächst beginnt das

erste

Trainingsc­amp in Montreal, dem Zuhause des Zirkus. Samt Fitnessche­ck. Dann geht es nach England, wo die Show in London zwei Monate lang mit der kompletten Besetzung geprobt wird. Für die Premiere in der Royal Albert Hall sind bereits Tickets verfügbar. „Als weitere Stationen sind Barcelona und Madrid bereits fix. Mehr darf ich noch nicht verraten“, sagt Jenner. Zwei bis drei Monate bleibt der Tross jeweils an den Spielorten. Die Vorfreude bei der Ulmerin ist riesig: „Es ist die größte produziert­e Zirkusshow der Welt. Diese Entscheidu­ng fühlt sich richtig an.“

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Foto: Alexander Kaya Akrobatin Lea Jenner tourt ab Oktober mit dem Cirque du Soleil durch Europa.
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FREITAG, 8. OKTOBER 2021

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