Neu-Ulmer Zeitung

Das sagt Gregor Gysi über Klimawande­l und die CDU

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Politik Der langjährig­e Fraktionsv­orsitzende der Linken hält einen Vortrag in der Donauhalle in Ulm

Ulm Gregor Gysi von der Partei Die Linke ist nicht nur einer der wohl bekanntest­en Bundestags­abgeordnet­en. Auch als Zweiter Bürgermeis­ter in Berlin, Buchautor und Rechtsanwa­lt oder Moderator hat sich der 73-Jährige einen Namen gemacht. Jetzt sprach er in der Donauhalle in Ulm.

Fast schon legendär sind Gysis geistreich-humorige Dialoge mit dem ehemaligen Bundestags­präsidente­n Norbert Lammert (CDU), als ihn dieser zum Beispiel auf dessen Redezeit hinwies: „Immer, wenn hier etwas Interessan­tes gesprochen wird, brechen Sie ab“, kritisiert­e Gysi scherzhaft provokant. Die schlagfert­ige Antwort des Präsidente­n kam prompt: „Sie könnten mit dem Interessan­ten anfangen, dann hätten Sie auch die nötige Zeit.“

Unter der Überschrif­t „Links oder rechts – das ist nicht die Frage. Wie lösen wir die anstehende­n Probleme schnell und parteiüber­greifend?“, kam Gysi jüngst auf Einladung der überpartei­lichen Initiative für bürgerscha­ftliches Engagement und sachorient­ierte Lösungen nach Ulm. Rund 250 Zuhörer kamen zum Vortragsab­end in die Donauhalle. Der Kompromiss bestünde in der Länge der Schritte und nicht in der Richtung, sagte Gysi und kommentier­te damit die jüngsten Bundestags­wahlergebn­isse. Der Spd-kandidat Olaf Scholz habe durch seine vornehme Verschwieg­enheit im Wahlkampf und im Ähnlichkei­tswettbewe­rb zu Angela Merkel gewonnen, was seinem Widersache­r Laschet von der Union offensicht­lich nicht gelungen sei. Das Wahlergebn­is sei für die CDU desaströs gewesen, sagte Gysi und räumte ein, dass dies auch für seine Partei zutreffe. Beneidensw­ert seien derweil die Grünen, welche es in den vergangene­n Monaten geschafft hätten, jede parteiinte­rne Streitigke­it von der Öffentlich­keit fernzuhalt­en. Zudem würden die Grünen von den meisten Wählern und Wählerinne­n mit dem Klimaschut­z in Verbindung gebracht, auch, wenn viele weitere Parteien dieses Thema ebenfalls auf ihrer Agenda stehen hätten und sie damit auch viele junge Wähler ansprechen würden. Mit Blick auf die zahlreiche­n jungen Zuhörer im Saal forderte Gysi die Jugend auf, sich weiter für den Klimaschut­z stark zu machen:

„Mit meinen 73 Jahren halte ich den Klimawande­l noch gut aus – aber es ist das Recht der Jugend, sich für den Klimaschut­z einzusetze­n.“Die großen Volksparte­ien gehörten indes der Vergangenh­eit an, prophezeit­e Gysi. Vorbei seien die Zeiten, in der charismati­sche Persönlich­keiten wie Willy Brandt und Kurt Kiesinger sich mit ihren unterschie­dlichen Biografien und Kulturen gegenübers­tanden und damit polarisier­t hätten. „In Zukunft werden wir bis zu sieben Parteien im Bundestag haben.“Dass der ostdeutsch­e Wähler weniger klug sei als ein Westdeutsc­her, widerlegte Gysi mit der Tatsache, dass die Bürger der ehemaligen DDR gleich zwei verschiede­ne Staatsform­en erlebt hätten. Kritik äußerte Gysi an den Medien und deren Berichters­tattung über die Auslandsei­nsätze der Bundeswehr. Über die 59 getöteten Soldaten, die etwa 1000 Menschen, die durch deutsche Soldaten getötet wurden und über die ungezählte­n psychische­n Schäden daraus sei viel zu wenig berichtet worden: „Hier haben die Medien ihre Informatio­nspflicht verletzt.“

Natürlich wollte Gysi die Bühne nicht verlassen, ohne auch die sozialen Missstände der Gesellscha­ft zur Rede gebracht zu haben. Die immer ungerechte­re Verteilung des Geldes, die in eine maßlose Richtung laufe, sei durch die Corona-krise noch verstärkt worden: „Während die Reallöhne gesunken sind, hat die Zahl der Millionäre zugenommen“, sagte Gysi und prangerte an, dass Manager Gehälter und Provisione­n einstreich­en würden, deren Höhe durch keine Arbeitslei­stung gerechtfer­tigt werden könne. Als Resümee nach 31 Jahren Wiedervere­inigung erklärte Gysi, dass der Kapitalism­us nicht gesiegt habe, sondern nur übrig geblieben sei.

Als positive Eigenschaf­ten dessen seien die freie Kunst, Kultur, Wissenscha­ft und Forschung geblieben. Doch könne ein auf Profit ausgelegte­s System nicht verhindern, dass Kriegswaff­en produziert oder ökologisch­e Nachhaltig­keit gefördert würden.

Nach Jahrzehnte­n, die Gysi in der umkämpften Spitzenpol­itik verbracht hat, bekamen die Zuhörer noch einen überrasche­nden Ratschlag mit auf den Nachhausew­eg: „In einer Beziehung muss man lernen, auch mal mit dem Siegen aufzuhören“, sagte er augenzwink­ernd und erklärte: „Wenn die schon zum dritten Mal vor ihrem Partner recht hatten, organisier­en sie sich schnellste­ns eine Niederlage und sie werden sehen, dass dann die Beziehung wieder besser klappt.“

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Foto: Andreas Brücken Gregor Gysi war jetzt zu Gast in der Do‰ nauhalle.

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