Das sagt Gregor Gysi über Klimawandel und die CDU
Politik Der langjährige Fraktionsvorsitzende der Linken hält einen Vortrag in der Donauhalle in Ulm
Ulm Gregor Gysi von der Partei Die Linke ist nicht nur einer der wohl bekanntesten Bundestagsabgeordneten. Auch als Zweiter Bürgermeister in Berlin, Buchautor und Rechtsanwalt oder Moderator hat sich der 73-Jährige einen Namen gemacht. Jetzt sprach er in der Donauhalle in Ulm.
Fast schon legendär sind Gysis geistreich-humorige Dialoge mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU), als ihn dieser zum Beispiel auf dessen Redezeit hinwies: „Immer, wenn hier etwas Interessantes gesprochen wird, brechen Sie ab“, kritisierte Gysi scherzhaft provokant. Die schlagfertige Antwort des Präsidenten kam prompt: „Sie könnten mit dem Interessanten anfangen, dann hätten Sie auch die nötige Zeit.“
Unter der Überschrift „Links oder rechts – das ist nicht die Frage. Wie lösen wir die anstehenden Probleme schnell und parteiübergreifend?“, kam Gysi jüngst auf Einladung der überparteilichen Initiative für bürgerschaftliches Engagement und sachorientierte Lösungen nach Ulm. Rund 250 Zuhörer kamen zum Vortragsabend in die Donauhalle. Der Kompromiss bestünde in der Länge der Schritte und nicht in der Richtung, sagte Gysi und kommentierte damit die jüngsten Bundestagswahlergebnisse. Der Spd-kandidat Olaf Scholz habe durch seine vornehme Verschwiegenheit im Wahlkampf und im Ähnlichkeitswettbewerb zu Angela Merkel gewonnen, was seinem Widersacher Laschet von der Union offensichtlich nicht gelungen sei. Das Wahlergebnis sei für die CDU desaströs gewesen, sagte Gysi und räumte ein, dass dies auch für seine Partei zutreffe. Beneidenswert seien derweil die Grünen, welche es in den vergangenen Monaten geschafft hätten, jede parteiinterne Streitigkeit von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Zudem würden die Grünen von den meisten Wählern und Wählerinnen mit dem Klimaschutz in Verbindung gebracht, auch, wenn viele weitere Parteien dieses Thema ebenfalls auf ihrer Agenda stehen hätten und sie damit auch viele junge Wähler ansprechen würden. Mit Blick auf die zahlreichen jungen Zuhörer im Saal forderte Gysi die Jugend auf, sich weiter für den Klimaschutz stark zu machen:
„Mit meinen 73 Jahren halte ich den Klimawandel noch gut aus – aber es ist das Recht der Jugend, sich für den Klimaschutz einzusetzen.“Die großen Volksparteien gehörten indes der Vergangenheit an, prophezeite Gysi. Vorbei seien die Zeiten, in der charismatische Persönlichkeiten wie Willy Brandt und Kurt Kiesinger sich mit ihren unterschiedlichen Biografien und Kulturen gegenüberstanden und damit polarisiert hätten. „In Zukunft werden wir bis zu sieben Parteien im Bundestag haben.“Dass der ostdeutsche Wähler weniger klug sei als ein Westdeutscher, widerlegte Gysi mit der Tatsache, dass die Bürger der ehemaligen DDR gleich zwei verschiedene Staatsformen erlebt hätten. Kritik äußerte Gysi an den Medien und deren Berichterstattung über die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Über die 59 getöteten Soldaten, die etwa 1000 Menschen, die durch deutsche Soldaten getötet wurden und über die ungezählten psychischen Schäden daraus sei viel zu wenig berichtet worden: „Hier haben die Medien ihre Informationspflicht verletzt.“
Natürlich wollte Gysi die Bühne nicht verlassen, ohne auch die sozialen Missstände der Gesellschaft zur Rede gebracht zu haben. Die immer ungerechtere Verteilung des Geldes, die in eine maßlose Richtung laufe, sei durch die Corona-krise noch verstärkt worden: „Während die Reallöhne gesunken sind, hat die Zahl der Millionäre zugenommen“, sagte Gysi und prangerte an, dass Manager Gehälter und Provisionen einstreichen würden, deren Höhe durch keine Arbeitsleistung gerechtfertigt werden könne. Als Resümee nach 31 Jahren Wiedervereinigung erklärte Gysi, dass der Kapitalismus nicht gesiegt habe, sondern nur übrig geblieben sei.
Als positive Eigenschaften dessen seien die freie Kunst, Kultur, Wissenschaft und Forschung geblieben. Doch könne ein auf Profit ausgelegtes System nicht verhindern, dass Kriegswaffen produziert oder ökologische Nachhaltigkeit gefördert würden.
Nach Jahrzehnten, die Gysi in der umkämpften Spitzenpolitik verbracht hat, bekamen die Zuhörer noch einen überraschenden Ratschlag mit auf den Nachhauseweg: „In einer Beziehung muss man lernen, auch mal mit dem Siegen aufzuhören“, sagte er augenzwinkernd und erklärte: „Wenn die schon zum dritten Mal vor ihrem Partner recht hatten, organisieren sie sich schnellstens eine Niederlage und sie werden sehen, dass dann die Beziehung wieder besser klappt.“