Neu-Ulmer Zeitung

Eine Ausstellun­g mit unglaublic­h vielen Ebenen

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Kunstwerke Die Schau „Kommen und Gehen“in der Galerie Kunstpool am Ehinger Tor in Ulm thematisie­rt reges Treiben und Vergänglic­hkeit. Sie lässt im Kopf vieles entstehen

men und Gehen auf dem Platz vor der Galerie zu spiegeln scheinen. Rachel Kohn schuf die Figuren, die ohne Bezug zueinander unterwegs scheinen, in der Zeit des Lockdown, was der Vereinzelu­ng im Werk eine zusätzlich­e Dimension gibt.

Mitten im Raum, dominieren­d, nimmt ein Turm aus 800 Aufbackbrö­tchen, der hinauf reicht bis zur Holzdecke des Raumes, unmittelba­ren Bezug auf die frühere Funktion der Räume im Flachbau am Ehinger Tor: Hier verbrachte­n die Bus- und Straßenbah­nfahrer ihre Pause, hier

Judentum ist in der Galerie Kunstpool sehr präsent

wurde gegessen. Annette Voigts hart gewordenes Brötchen-kunstwerk soll nach dem Ende der Ausstellun­g, die bis zum 23. Oktober zu sehen ist, von einem Verein für nachhaltig­e Tierhaltun­g als Tierfutter verwertet werden.

Mehrere Kunstwerke beschäftig­en sich mit Gebäuden: Direkt blickt Hans Multschers leidender und ausdrucksv­oller spätgotisc­her „Schmerzens­mann“im Holz-linolschni­tt des in Ulm geborenen und in Berlin lebenden Künstlers Lothar Seruset den Besucher an; er scheint

aus dem Münster herausbewe­gt zu haben und auf den Weinhof begeben zu haben, in der Zeit des Nationalso­zialismus. Hinter ihm ist die 1873 eingeweiht­e Ulmer Synagoge zu erkennen, die in der Pogromnach­t des 9./10. November 1938 beschädigt worden war, die aber erst im Winter 1938/39 mithilfe von

Lehrern und Schülern aus Ulmer Schulen abgebroche­n wurde.

Juden in Häftlingsk­leidung stehen auf dem Weinhof, ein Mensch hat sich aufs Dach der Synagoge geflüchtet. „Das Judentum ist in den Werken sehr präsent“, sagt Dorothea Grathwohl. Auch die Verfolgung der Juden, der Tod, die Versich nichtung. Und das Kommen und Gehen von Gebäuden. „Es ist eine Illusion, dass Behausunge­n die zerbrechli­che Existenz schützen. Ein Wolkenkuck­ucksheim.“

So ist wohl ein Haus auf einer Wolke zu deuten, so ist vermutlich auch Anna Arnskötter­s monumental­er Leuchtturm „Chateau d’eau“ zu verstehen, der wie eine Festung der Abwehr gegen alles von außen Kommende wirkt. Und immer wieder finden sich in den Skulpturen und Bildern Hunde – Tiere mit uralter Symbolik, vom Wächter der Jenseitspf­orte Zerberus über den dämonische­n Höllenhund in „Pavel“bis zum treuen Begleiter.

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Hans Multschers Schmerzens­mann scheint das Münster verlassen zu haben: ein Werk der Ausstellun­g „Kommen und Gehen“in der Galerie Kunstpool am Ehinger Tor.
 ?? Fotos: Dagmar Hub ?? Figuren verschiede­nen Alters, geschaffen von Rachel Kohn, gruppieren sich auf einem schmalen Grat.
Fotos: Dagmar Hub Figuren verschiede­nen Alters, geschaffen von Rachel Kohn, gruppieren sich auf einem schmalen Grat.

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