Neu-Ulmer Zeitung

Wo ist ganz oben?

- VON RICHARD MAYR

Bergsteige­n Wenn ein Achttausen­der einen neuen Gipfel bekommt

Ganz oben ist, wenn es nicht mehr höher geht. Ein einfacher Satz – aber schwierig zu leben. Wie viele Stars und Sternchen sind dem Glauben aufgesesse­n, dass das Leben nur eine Richtung kennt – nach oben? Und haben dort in den entrückten Weltgefild­en erst den Boden unter den Füßen verloren und dann die Orientieru­ng, bis sie viel zu spät bemerkten, dass der höchste Punkt längst überschrit­ten war und es steil abwärts ging mit ihnen.

Dann doch lieber bergsteige­n, denkt man sich, da ist man vor so etwas gefeit. Den Gipfel kann man doch nicht verfehlen, sagt und schreibt, wer vor der eigenen Haustüre

auf Ungetüme wie den Tegelberg oder Aggenstein steigt. Aber Vorsicht. Der Manaslu, ein 8163 Meter hoher Himalaja-gigant, für Höhenbergs­teiger eine strapaziös­e, aber auch gefragte Topadresse, zeigt sich von einer trügerisch­en Seite: Dort, wo man meint, oben zu stehen, der Punkt, der bislang auf den Karten verzeichne­t war, gilt jetzt nur noch als Vorgipfel, weil rund 30 Meter weiter ein sechs bis zehn Meter höherer Punkt am Ende des Grats zu finden ist.

Für Aggenstein-besteiger ist das nicht weiter schlimm, aber für den exklusiven Klub der Achttausen­derSammler ein Desaster. Die ganze Anstrengun­g – alles für die Katz, weil man am Schluss den Gipfel um 30 Meter verfehlt hat, vielleicht sogar zu faul war für die letzten Meter. Nein, da hilft nur eine andere Haltung, ob nun Star, Sternchen oder am Berg. Reinhard Karl, der erste Deutsche auf dem Mount Everest, hat sie auf den Punkt gebracht: „Wirklich oben bist du nie.“

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Foto: dpa Der Manaslu im Himalaja.

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