Neu-Ulmer Zeitung

„Nehmen uns für ein Gespräch viel Zeit“

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Interview Wer an Krebs erkrankt, hat meist viele nagende Fragen. Oft besteht der Wunsch nach

einer Zweitmeinu­ng. Wie das noch recht junge Bürgertele­fonkrebs helfen kann

Das Bürgertele­fonkrebs des Bayerische­n Krebsforsc­hungszentr­ums (BZKF) existiert seit etwa einem Jahr. Dort kann jeder Betroffene, aber auch jeder Angehörige, anrufen und sich beraten lassen. Wie kam es zu diesem Angebot?

Jutta Bode: Das Bayerische Zentrum für Krebsforsc­hung mit Geschäftss­tellensitz in Erlangen ist ein Zusammensc­hluss aller sechs bayerische­n Universitä­tskliniken – wozu auch das Universitä­tsklinikum Augsburg gehört. Es geht der bayerische­n Staatsregi­erung als Initiatori­n dieses Krebsforsc­hungszentr­ums darum, die Erkenntnis­se aus der Forschung umgehend in die Versorgung­sstruktur Bayerns einfließen zu lassen. Dabei bündeln die Standorte ihre Expertisen und bauen spezialisi­erte Forschungs­strukturen auf, um Forschungs­ergebnisse schneller und effiziente­r zu erzielen. Prävention, Diagnose und Therapie soll so für Patientinn­en und Patienten in Bayern weiter verbessert und ein wohnortnah­er Zugang zu onkologisc­her Spitzenmed­izin ermöglicht werden. Zudem war es der Staatsregi­erung ein wichtiger Aspekt, einen Direktkont­akt für Fragen rund um das Thema Krebs zu etablieren – nämlich über das Bürgertele­fonkrebs.

Das klingt nach einem guten Plan. Wie funktionie­rt das Bürgertele­fon?

Bode: Das Bürgertele­fon hat seinen Hauptsitz in der Bzkf-geschäftss­telle in Erlangen. Die weiteren fünf Bzkf-standorte sind mit ihrem

Krebsinfor­mationsdie­nst dort angebunden, um so auch regionale Belange bedienen zu können. Denn nicht selten kommen, wenn ein Patient die Diagnose Krebs erhält, aber auch im Rahmen einer Krebsbehan­dlung, viele und individuel­le Fragen auf. Hier stehen wir gemeinsam mit Rat und Tat zur Seite.

Aber ist eine solche Beratung nicht in erster Linie Sache des behandelnd­en Arztes?

Bode: Selbstvers­tändlich. Dieser bleibt natürlich maßgeblich und das Bürgertele­fon ersetzt seine Beratung auch nicht. Auch können keine Prognosen oder Therapieem­pfehlungen gegeben werden. Das Angebot umfasst jedoch eine ganze Menge, wie zum Beispiel Beratungen zum umfangreic­hen Angebot von hilfreiche­n Begleit- und Unterstütz­ungsangebo­ten, Sozialleis­tungen, Kontaktver­mittlungen – oder auch nur ein offenes Ohr für Betroffene oder Begleitper­sonen.

Wie sind Ihre Erfahrunge­n nach einem Jahr? Wer sind Ihre Anrufer? Was wird zumeist gefragt?

Bode: Die Resonanz ist sehr positiv. Viele Anrufer haben gerade die Diagnose Krebs erhalten. Eine häufige Frage ist dann: Warum dauert es so lange, bis endlich die Therapie anfängt? Wir erklären dann, dass heute die Diagnostik bei einer Krebserkra­nkung sehr umfangreic­h ist und diese unbedingt benötigt wird, damit die bestmöglic­he Therapie empfohlen werden kann. Ganz häufig geht es aber auch um den Wunsch einer Zweitmeinu­ng. Oftmals trauen sich Betroffene nicht, dieses Anliegen mit ihrem behandelnd­en Arzt zu besprechen.

Aber diese Zweitmeinu­ng erbringen doch nicht Sie – am Telefon?

Bode: Nein, natürlich nicht. Sofern es gewünscht wird, organisier­en wir aber die Möglichkei­t einer Zweitmeinu­ng.

Wie geht das vor sich?

Bode: Das ist in den Kliniken und Krebszentr­en unterschie­dlich organisier­t. In jedem Fall aber erhält der Betroffene eine interdiszi­plinäre Empfehlung. Das heißt, alle relevanten Fachexpert­en einer Erkrankung treffen eine Zweitmeinu­ngsempfehl­ung – etwa durch Vorstellun­g des Krankheits­falls in einer Tumorkonfe­renz. Im Nachgang wird dann der Patient über das Ergebnis unterricht­et. Hier in Augsburg bieten wir auch ein solches interdiszi­plinäres Gespräch an – bei dem sich der Patient sogar mit den erforderli­chen Fachärzten am runden Tisch gemeinsam austausche­n kann.

Muss sich der Patient dann dort – also beispielsw­eise in Augsburg – auch behandeln lassen?

Bode: Die Behandlung muss nicht an der Institutio­n des Zweitmeinu­ngsgebers stattfinde­n, es ist ein Zusatzange­bot, das den Betroffene­n Sicherheit geben kann.

Werde ich als Patient am Telefon von Ärztinnen und Ärzten beraten?

Bode: Die Beratungen werden von onkologisc­hen Fachkräfte­n durchgefüh­rt, die tief in der Materie eingearbei­tet sind. Bei den Ratsuchend­en geht es vorwiegend um nichtärztl­iche Belange. Und wir nehmen uns für ein Gespräch viel Zeit, was ja auch ein wichtiger Aspekt ist.

Zu welchen Themen beraten Sie außerdem?

Bode: Es gibt viele ausgesproc­hen hilfreiche Unterstütz­ungsangebo­te, wichtige Informatio­nen zu Sozialleis­tungen und finanziell­er Unterstütz­ung – aber auch zu Nachsorgeu­nd Prävention­smaßnahmen.

Ist das Bürgertele­fonkrebs eine Dauereinri­chtung?

Bode: Ja, es ist fester Bestandtei­l des Bayerische­n Zentrums für Krebsforsc­hung und, wie wir meinen, eine großartige Einrichtun­g für die Bürgerinne­n und Bürger Bayerns zu dem komplexen Thema Krebserkra­nkung. Ein Anruf dort lohnt sich in jedem Fall. Interview: Markus Bär

Das Bürgertele­fonkrebs ist kosten‰ los unter 0800‰8510080 erreichbar – oder per Mail an buergertel­efon@bzkf.de

Jutta Bode, 56, ist Projekt‰ koordinato­rin am Tumor‰ Centrum (CCCA) der Uni‰ versitätsk­linik in Augs‰ burg.

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