Bauern sehen bei der Ampel schwarz
Sondierung Mindestlohn, Umweltschutz,
Tierhaltung: Was die Landwirte ärgert
Berlin Während die Verhandlungsteams von SPD, Grünen und FDP optimistisch in die Koalitionsgespräche gehen, lassen sie viele Entscheider in der Wirtschaft gerade ratlos zurück. Das Sondierungspapier der Ampelparteien, das Grundlage der weiteren Verhandlungen ist, stößt insbesondere bei den Landwirten auf heftige Kritik – und zwar bei Biobauern wie konventionellen Landwirten gleichermaßen.
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, kritisierte gegenüber unserer Redaktion vor allem die geplante Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro: „Das bringt eine massive Belastung für unsere Bauern, gerade im Bereich Obst-, Gemüseund Weinanbau“, sagte er. „Was in dem Sondierungspapier zu den Bereichen Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt aufgeschrieben wurde, fällt im Grunde genommen hinter das zurück, was bereits auf der realpolitischen Tagesagenda ist“, betonte auch der Präsident des Bioland-verbandes, Jan Plagge. Diese Einschätzung wiegt schwer. Denn sie besagt, dass die Agrarpolitik der Ampel schlechter wäre als die der viel kritisierten amtierenden Ministerin Julia Klöckner (CDU).
„Wir brauchen für die Zukunft als Landwirtschaft eine klare wirtschaftliche Perspektive. Ohne geht es nicht“, betonte Krüsken. Er nannte als Beispiel notwendige Anpassungen beim Bau- und Umweltrecht im Bereich der Tierhaltung. Betroffen sind unter anderem Schweinehalter, die ihre Ställe erweitern wollen. Bioland-präsident Plagge, dessen Verband rund 10 000 Öko-betriebe aus der Land- und Lebensmittelwirtschaft vereint, äußerte sich ähnlich. „Ökobauern und konventionelle Landwirte arbeiten mit der gleichen Realität, sei es im Baurecht, in der Agrarpolitik und im Handel“, sagte er. Bei den Ampel-sondierern sei „offenbar noch gar nicht angekommen, dass wir als Branche zu viel mehr bereit sind, wenn die Politik nur den Rahmen schafft“. Deshalb sei das Sondierungsergebnis, so Plagge, jetzt schon „eine große Enttäuschung“.
Die agrarpolitischen Ziele der Ampel sind in dem Zwölf-seitenpapier in der Tat nur vage umschrieben. Man wolle die Landwirtschaft dabei unterstützen, „einen nachhaltigen, umwelt- und naturverträglichen Pfad einzuschlagen“, heißt es. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln soll „auf das notwendige Maß“beschränkt werden. Der Vorstand der Aurelia Stiftung, die sich dem Bienenschutz verschrieben hat, wies das als „unzureichend“zurück. Die künftige Regierung müsse die Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützen, „eine pestizidfreie und bienenfreundliche Landwirtschaft umzusetzen“.
Dabei könnten sich die drei Parteien, wie Kritiker monieren, auf eine Reihe guter Vorlagen stützen. „Wir haben eine Agenda auf europäischer Ebene – vom Hof auf den Tisch –, die ganz klare Zielvorstellungen beispielsweise im Bereich Pflanzenschutz und Ökolandbau hat“, sagte Bio-lobbyist Plagge. Mit den Vorfestlegungen im Sondierungspapier könnten die Vorgaben der EU von der neuen Regierung jedoch nicht erfüllt werden.
Krüsken verwies auf die von der Bundesregierung initiierte Zukunftskommission Landwirtschaft. Diese habe in ihrem Abschlussbericht in einem breiten gesellschaftlichen Konsens Inhalte und Eckpunkte für eine nachhaltigere, wirtschaftlich erfolgreiche und gesellschaftlich anerkannte Landwirtschaft festgelegt. „Das sollte die Blaupause für die Agrarpolitik der neuen Regierung sein, und zwar mit der Zielrichtung, den Bericht als Ganzes zu übernehmen und ganzheitlich umzusetzen. Das ist kein Steinbruch, aus dem man einzelne Dinge herausbrechen kann“, mahnte der Generalsekretär.