Neu-Ulmer Zeitung

So geht es jetzt mit der Corona‰politik weiter

- VON ULI BACHMEIER UND CHRISTIAN GRIMM

Covid Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn will den juristisch­en Ausnahmezu­stand der Pandemie beenden.

Doch der Cdu-politiker ist ein Mann auf Abruf. Dem neuen Bundestag bieten sich drei Optionen

Berlin/münchen Neben Kanzlerin Angela Merkel ist Jens Spahn der Politiker, der den Kampf gegen die Corona-pandemie am stärksten geprägt hat. Nach anderthalb Jahren hält er das Virus wegen der Impfung großer Teile der Bevölkerun­g für so stark zurückgedr­ängt, dass er den Wählerinne­n und Wählern eine kalte Jahreszeit ohne Zumutungen in Aussicht stellt. Spahn will die „epidemisch­e Notlage nationaler Tragweite“Ende November auslaufen lassen und damit auch die massiven Einschränk­ungen der Grundrecht­e, die der juristisch­e Ausnahmezu­stand ermöglicht hat.

Anders als im Herbst und Winter vor einem Jahr sollen sich die Menschen mit so vielen anderen treffen können, wie sie wollen. Restaurant­s und Kneipen sollen genauso geöffnet haben wie Kinos, Theater, Geschäfte und Fitnessstu­dios. Wirtschaft und Gesellscha­ft will er einen weiteren Zwangsstil­lstand ersparen. „Das Signal ist sehr wichtig. Die schwersten Monate liegen hinter uns“, sagte Spahn. Beibehalte­n will er Maskenpfli­cht, Abstandsre­geln und den Zutritt zu Veranstalt­ungen und Gaststätte­n nur für Geimpfte, Genesene und Getestete.

Allerdings ist es so, dass der 41-Jährige ein Gesundheit­sminister auf Abruf ist. Wahrschein­lich ist, dass seine CDU gemeinsam mit der Schwester CSU in der Opposition landet. Kommt es so, wird nicht weiter die Koalition aus Union und SPD den Kurs bestimmen, sondern ein Ampel-bündnis. Über das Ende des Corona-ausnahmezu­standes wird der neue Bundestag entscheide­n.

Die Abgeordnet­en haben dazu drei Optionen. Sie können die Notlage verlängern, womit die Grundrecht­e in der vierten Welle weiter massiv eingeschrä­nkt werden könnten. Oder sie tun einfach nichts und lassen die epidemisch­e Notlage am 25. November automatisc­h enden. Die dritte Möglichkei­t ist, das Infektions­schutzgese­tz zu verändern. In den Ländern, wie zum Beispiel in Bayern, gibt es die Forderung, dass der Bund weiter einen gesetzlich­en Rahmen für die Seuchenpol­itik vorgeben soll. Das ginge am einfachste­n, indem die im Infektions­schutzgese­tz aufgeliste­ten Corona-maßnahmen vom Bundestag von der epidemisch­en Notlage entkoppelt würden. Im bisherigen Gesetzeste­xt ist schon ein entspreche­nder Passus angelegt, der die Länder ermächtigt, bei entspreche­nden Inzidenzwe­rten weiter auf den Katalog der Anti-corona-maßnahmen zugreifen zu können, wie zum Beispiel die Maskenpfli­cht, die Vorlage von Impf-, Genesenenu­nd Testnachwe­is oder Kontaktbes­chränkunge­n.

Der Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach hält Spahns Vorstoß für voreilig. „Das ist das falsche Signal. Der Winter wird als Covidprobl­em unterschät­zt“, erklärte er.

Lauterbach gilt als ein möglicher Nachfolger Spahns im Amt des Gesundheit­sministers. Selbst wenn es der 58-Jährige nicht wird, hat er großen Einfluss auf die Corona-politik seiner Partei, die im neuen Bundestag die größte Fraktion stellt. Lauterbach plädiert dafür, erst einmal abzuwarten und zu schauen, ob weitere Impfungen den Erreger zurückdrän­gen und wenn nicht, notfalls wieder die härtere Gangart einzulegen.

Die FDP als möglicher Koalitions­partner der Sozialdemo­kraten bewertet die Lage anders und hatte schon vor dem Vorstoß Spahns gefordert, die Notlage auslaufen zu lassen. „Die epidemisch­e Lage liegt vor, wenn eine Überlastun­g des Gesundheit­ssystems zu drohen scheint. Das ist nicht mehr der Fall und auch nicht absehbar“, sagte die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin, Christine Aschenberg-dugnus, unserer Redaktion.

Ähnlich sehen es die Grünen, die mit Liberalen und SPD ein Ampelbündn­is bilden wollen. „Wir bevorzugen eine rechtssich­ere Regelung, die die Bürgerrech­te wahrt und die der neuen Situation durch eine zeitlich klar befristete Übergangsr­egelung Rechnung trägt“, sagte die gesundheit­spolitisch­e Sprecherin, Maria Klein-schmeink, unserer Redaktion. Grundlegen­de Schutzmaßn­ahmen wie die Maskenpfli­cht sollen einheitlic­h für ganz Deutschlan­d geregelt werden. Dazu sei man in guten Gesprächen mit den anderen Parteien.

Die Bayerische Staatsregi­erung wiederum hält ähnlich wie Lauterbach Vorsicht für geboten. Staatskanz­leiministe­r Florian Herrmann (CSU) hält eine Beendigung der epidemisch­en Lage für bedenklich. Eine Pandemie, so Herrmann am Dienstag in der Pressekonf­erenz nach der Sitzung des bayerische­n Kabinetts, lasse sich, weil das Virus nun mal seiner Natur folge, nicht „par ordre du mufti“beenden. Die Staatsregi­erung sei „da insgesamt sehr vorsichtig“.

Es spricht derzeit also einiges dafür, dass der juristisch­e Ausnahmezu­stand zwar endet, aber im Herbst und Winter das Tragen von Masken in bestimmten Situatione­n vorgeschri­eben und der Besuch von Restaurant­s, Klubs oder Kinos an die Vorlage eines Impf-, Geneseneno­der Testnachwe­ises geknüpft bleibt. Dass an einem sogenannte­n Freiheitst­ag bald alle Beschränku­ngen fallen, ist unwahrsche­inlich.

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Foto: Michael Reichel, dpa Die „epidemisch­e Lage“ist Basis für vie‰ le Corona‰regeln.

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