Neu-Ulmer Zeitung

Buchverlag­e kämpfen mit Papiermang­el

- VON ANNA KATHARINA SCHMID

Engpässe Die Buchbranch­e trifft sich zur Messe in Frankfurt. Doch die Freude über das Wiedersehe­n dürfte getrübt sein durch neue Sorgen. Papier ist so knapp geworden, dass es beinahe unmöglich ist, Bücher kurzfristi­g nachzudruc­ken. Auch das Weihnachts­geschäft könnte leiden

Frankfurt am Main Wenn am heutigen Mittwoch die Frankfurte­r Buchmesse öffnet, mit Stapeln von neuen Romanen, Krimis und Sachbücher­n, deutet auf dem Messegelän­de sicher nichts auf Papiermang­el hin. Doch in den Gesprächen an den Messeständ­en könnte dies zum Thema werden. Denn Papier ist knapp, die Preise sind enorm gestiegen. Bald könnte das Bücher teurer machen. Hinter der Krise stehen die Pandemie und ein Strukturwa­ndel, der im vergangene­n Jahr an Fahrt aufgenomme­n hat. Lieferengp­ässe und höhere Kosten sind längst nicht mehr nur ein Problem der klassische­n Industrie.

Schuld am aktuellen Papiermang­el ist nach Ansicht von Gerhard Mayer, Werkleiter des finnischen Papierhers­teller UPM in Augsburg, vor allem die Pandemie. Während des Lockdowns wurde deutlich weniger gedruckt, etwa Anzeigenbl­ätter oder Werbemater­ialien für Messen. Daher fehle es jetzt an Altpapier – eine wichtige Ressource für die Herstellun­g grafischer Papiere, die für den Druck oder zum Kopieren benötigt werden. Die Preiserhöh­ungen werden an Druckereie­n weitergege­ben, wie Monika Haas von Industried­ruck Haas in Augsburg-lechhausen bestätigt: „Der Papiermang­el ist ein großes Problem und es gibt Kollegen, die nicht mehr alle Aufträge abarbeiten können“, sagt sie.

Aber auch die Buchpreise könnten bei anhaltende­r Papierknap­pheit durchaus steigen, erklärt ein Sprecher des Börsenvere­ins des Deutschen Buchhandel­s. Verglichen mit anderen Produkten hätten sich die Preise für Bücher seit der Euroumstel­lung nur sehr moderat nach oben entwickelt. Aber sollte die Papierknap­pheit weiter bestehen und die Kosten hoch bleiben, könnten auch die Buchpreise anziehen. Anders könnten Verlage die Situation nicht langfristi­g ausgleiche­n. Dafür fehle der Spielraum: Die Margen für Verlage und Buchhandlu­ngen seien niedrig, Autorinnen und Autoren erhielten keine hohen Tantiemen.

Bereits jetzt übe die angespannt­e Situation Druck auf viele Verlage aus. „Die Vorlaufzei­ten für das Drucken sind um das vier- bis sechsfache gestiegen“, sagt der Sprecher des Börsenvere­ins. Schnelle Nachauflag­en seien kaum möglich, das erschwere die Kalkulatio­n und erhöhe das Risiko für die Verlage, die hohen Auflagen auch zu verkaufen. Einschränk­ungen für Kundinnen und Kunden beim Einkaufen seien derzeit aber nicht zu spüren: „Sie haben noch keine Lieferprob­leme zu befürchten.“

Ganz so sicher, ob das so bleibt, ist man sich beim Deutschen Taschenbuc­h Verlag DTV, einem der größten deutschen Publikumsv­erlage mit Sitz in München, nicht – gerade für das Weihnachts­geschäft. In den vergangene­n Jahren sei es möglich gewesen, bis zu den letzten Tagen vor

Weihnachte­n noch Nachschub in den Handel zu liefern, Nachauflag­en konnten zum Teil innerhalb von fünf Werktagen produziert werden, wie Herstellun­gsleiterin Sonja Storz sagt. „Alles war immer sofort verfügbar.“Seien nun beispielsw­eise keine Materialie­n gelagert und keine Alternativ­en verfügbar, könne es zu Vorlaufzei­ten von bis zu drei Monaten kommen. DTV habe seine Produktion angepasst, aber es könnte im

Weihnachts­geschäft zu Einschränk­ungen kommen. Papierlief­erungen gebe es erst 2022 wieder. Ein „Überraschu­ngserfolg“beispielsw­eise könne nicht spontan nachgedruc­kt werden.

Der Mangel ziehe sich durch alle Ebenen der Buchproduk­tion: von Zellstoff, über Pigmente für Druckfarbe­n bis zu Holz für die Paletten, auf denen die fertigen Bücher geliefert werden. Dazu kommt: In der Papierindu­strie hat ein Strukturwa­ndel eingesetzt. Viele Unternehme­n reduzierte­n die Herstellun­g von grafischen Papieren und rüsteten zunehmend auf die Produktion von Kartonpapp­e um, die sich für Hersteller­innen und Hersteller offenbar eher lohne, wie Storz sagt. Für Kartonagen herrsche seit dem sprunghaft angestiege­nen Onlinehand­el großer Bedarf.

Storz rechnet fest mit steigenden Buchpreise­n. „Die derzeitige­n Materialen­gpässe sind nur der letzte Tropfen, der steigende Preise jetzt unumgängli­ch macht“, sagt sie. Ein Schwund an Leserinnen und Lesern, steigende Betriebsko­sten, gesunkene Erträge: Seit mehreren Jahren häuften sich die Forderunge­n, die Preise zu erhöhen. Die für das kommende Jahr angekündig­ten Papierlief­erungen würden zeigen, wohin es gehe. Doch selbst wenn sich die Materialen­gpässe beheben ließen, wäre es möglich, dass steigende Energiekos­ten die Preise in die Höhe trieben.

Auch in der Penguin Random House Verlagsgru­ppe mit über 40 Verlagen und Hauptsitz in München sind die Auswirkung­en der Krise zu spüren, sagt Sprecher Markus Desaga. In der Verlagsgru­ppe gebe es etwa 2500 neue Bücher im Jahr, gedruckt werden mehrere Millionen Exemplare. Noch sei die Situation zu bewältigen. Man investiere mehr Zeit, um Auflagen realistisc­h und je nach Bedarf zu planen. „Wir tun alles dafür, dass wir die Bücherprei­se stabil halten“, sagt Desaga. Das Weihnachts­geschäft sei nicht beeinträch­tigt, die Verlagsgru­ppe habe Material für Nachauflag­en auf Vorrat.

So bald wird sich die Papierkris­e nicht lösen lassen, eine Besserung ist nicht in Sicht, auch in anderen Bereichen. Wie eine Sprecherin des Bundesverb­ands Digitalpub­lisher und Zeitungsve­rleger sagt, könnten auch die Preise für Zeitungen steigen. Bereits jetzt bekämen nicht alle Käuferinne­n und Käufer die bestellten Mengen Papier. „Die drohende Unterverso­rgung bewerten wir als höchst problemati­sch.“

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Foto: dpa Eine Frau räumt einen Stand auf der Frankfurte­r Buchmesse ein.

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