Buchverlage kämpfen mit Papiermangel
Engpässe Die Buchbranche trifft sich zur Messe in Frankfurt. Doch die Freude über das Wiedersehen dürfte getrübt sein durch neue Sorgen. Papier ist so knapp geworden, dass es beinahe unmöglich ist, Bücher kurzfristig nachzudrucken. Auch das Weihnachtsgeschäft könnte leiden
Frankfurt am Main Wenn am heutigen Mittwoch die Frankfurter Buchmesse öffnet, mit Stapeln von neuen Romanen, Krimis und Sachbüchern, deutet auf dem Messegelände sicher nichts auf Papiermangel hin. Doch in den Gesprächen an den Messeständen könnte dies zum Thema werden. Denn Papier ist knapp, die Preise sind enorm gestiegen. Bald könnte das Bücher teurer machen. Hinter der Krise stehen die Pandemie und ein Strukturwandel, der im vergangenen Jahr an Fahrt aufgenommen hat. Lieferengpässe und höhere Kosten sind längst nicht mehr nur ein Problem der klassischen Industrie.
Schuld am aktuellen Papiermangel ist nach Ansicht von Gerhard Mayer, Werkleiter des finnischen Papierhersteller UPM in Augsburg, vor allem die Pandemie. Während des Lockdowns wurde deutlich weniger gedruckt, etwa Anzeigenblätter oder Werbematerialien für Messen. Daher fehle es jetzt an Altpapier – eine wichtige Ressource für die Herstellung grafischer Papiere, die für den Druck oder zum Kopieren benötigt werden. Die Preiserhöhungen werden an Druckereien weitergegeben, wie Monika Haas von Industriedruck Haas in Augsburg-lechhausen bestätigt: „Der Papiermangel ist ein großes Problem und es gibt Kollegen, die nicht mehr alle Aufträge abarbeiten können“, sagt sie.
Aber auch die Buchpreise könnten bei anhaltender Papierknappheit durchaus steigen, erklärt ein Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Verglichen mit anderen Produkten hätten sich die Preise für Bücher seit der Euroumstellung nur sehr moderat nach oben entwickelt. Aber sollte die Papierknappheit weiter bestehen und die Kosten hoch bleiben, könnten auch die Buchpreise anziehen. Anders könnten Verlage die Situation nicht langfristig ausgleichen. Dafür fehle der Spielraum: Die Margen für Verlage und Buchhandlungen seien niedrig, Autorinnen und Autoren erhielten keine hohen Tantiemen.
Bereits jetzt übe die angespannte Situation Druck auf viele Verlage aus. „Die Vorlaufzeiten für das Drucken sind um das vier- bis sechsfache gestiegen“, sagt der Sprecher des Börsenvereins. Schnelle Nachauflagen seien kaum möglich, das erschwere die Kalkulation und erhöhe das Risiko für die Verlage, die hohen Auflagen auch zu verkaufen. Einschränkungen für Kundinnen und Kunden beim Einkaufen seien derzeit aber nicht zu spüren: „Sie haben noch keine Lieferprobleme zu befürchten.“
Ganz so sicher, ob das so bleibt, ist man sich beim Deutschen Taschenbuch Verlag DTV, einem der größten deutschen Publikumsverlage mit Sitz in München, nicht – gerade für das Weihnachtsgeschäft. In den vergangenen Jahren sei es möglich gewesen, bis zu den letzten Tagen vor
Weihnachten noch Nachschub in den Handel zu liefern, Nachauflagen konnten zum Teil innerhalb von fünf Werktagen produziert werden, wie Herstellungsleiterin Sonja Storz sagt. „Alles war immer sofort verfügbar.“Seien nun beispielsweise keine Materialien gelagert und keine Alternativen verfügbar, könne es zu Vorlaufzeiten von bis zu drei Monaten kommen. DTV habe seine Produktion angepasst, aber es könnte im
Weihnachtsgeschäft zu Einschränkungen kommen. Papierlieferungen gebe es erst 2022 wieder. Ein „Überraschungserfolg“beispielsweise könne nicht spontan nachgedruckt werden.
Der Mangel ziehe sich durch alle Ebenen der Buchproduktion: von Zellstoff, über Pigmente für Druckfarben bis zu Holz für die Paletten, auf denen die fertigen Bücher geliefert werden. Dazu kommt: In der Papierindustrie hat ein Strukturwandel eingesetzt. Viele Unternehmen reduzierten die Herstellung von grafischen Papieren und rüsteten zunehmend auf die Produktion von Kartonpappe um, die sich für Herstellerinnen und Hersteller offenbar eher lohne, wie Storz sagt. Für Kartonagen herrsche seit dem sprunghaft angestiegenen Onlinehandel großer Bedarf.
Storz rechnet fest mit steigenden Buchpreisen. „Die derzeitigen Materialengpässe sind nur der letzte Tropfen, der steigende Preise jetzt unumgänglich macht“, sagt sie. Ein Schwund an Leserinnen und Lesern, steigende Betriebskosten, gesunkene Erträge: Seit mehreren Jahren häuften sich die Forderungen, die Preise zu erhöhen. Die für das kommende Jahr angekündigten Papierlieferungen würden zeigen, wohin es gehe. Doch selbst wenn sich die Materialengpässe beheben ließen, wäre es möglich, dass steigende Energiekosten die Preise in die Höhe trieben.
Auch in der Penguin Random House Verlagsgruppe mit über 40 Verlagen und Hauptsitz in München sind die Auswirkungen der Krise zu spüren, sagt Sprecher Markus Desaga. In der Verlagsgruppe gebe es etwa 2500 neue Bücher im Jahr, gedruckt werden mehrere Millionen Exemplare. Noch sei die Situation zu bewältigen. Man investiere mehr Zeit, um Auflagen realistisch und je nach Bedarf zu planen. „Wir tun alles dafür, dass wir die Bücherpreise stabil halten“, sagt Desaga. Das Weihnachtsgeschäft sei nicht beeinträchtigt, die Verlagsgruppe habe Material für Nachauflagen auf Vorrat.
So bald wird sich die Papierkrise nicht lösen lassen, eine Besserung ist nicht in Sicht, auch in anderen Bereichen. Wie eine Sprecherin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger sagt, könnten auch die Preise für Zeitungen steigen. Bereits jetzt bekämen nicht alle Käuferinnen und Käufer die bestellten Mengen Papier. „Die drohende Unterversorgung bewerten wir als höchst problematisch.“