Wie Pendler unter den steigenden Spritpreisen leiden
Hintergrund Preise für Diesel und Benzin brechen Rekorde. Tragen die Beschäftigten die Hauptlast der Klimapolitik?
Berlin Am teuersten tanken derzeit die Bürgerinnen und Bürger der Bodenseestadt Konstanz: Im Durchschnitt 1,68 Euro für den Liter Diesel und 1,89 Euro für den Liter Super E5. Noch teurer ist es, Sprit an den Autobahnen zu zapfen. So hat der Super-preis beispielsweise an der bayerischen Raststätte Holzkirchen die Zwei-euro-marke zum Wochenbeginn übersprungen. Diesel hat bundesweit einen neuen Rekordpreis erreicht und beim Benzin halten Experten es für denkbar, dass sich die Deutschen an Preise jenseits der zwei Euro gewöhnen müssen.
„Für den dramatischen Anstieg der Benzinpreise ist insbesondere der hohe Rohölpreis verantwortlich“, sagt Adac-sprecherin Katrin van Randenborgh. „Wie sich dieser Treiber in den kommenden Monaten entwickelt, ist nur schwer hervorzusagen“, betont sie. Auch andere Fachleute wie die Diwenergieexpertin Claudia Kemfert betonen, dass es unsicher sei, ob die Preise sich wie in der Vergangenheit erholen. „Ob die Preise kurzfristig wieder sinken oder sie in den kommenden Monaten weiter steigen, wissen wir nicht“, betont die Expertin. „Hier spielen viele Sonderfaktoren
hinein, wir haben nicht nur eine deutlich steigende Nachfrage nach der teilweisen Überwindung der Corona-krise, sondern auch Spekulationseffekte und einen überhitzten Rohstoffmarkt.“Auch die weitere weltweite Entwicklung der Pandemie sei ein Unsicherheitsfaktor.
Einer der gegenwärtigen Preistreiber an den Zapfsäulen ist die zum Jahreswechsel eingeführte Co2-abgabe. „Der Co2-preis macht aktuell durchschnittlich sieben Cent pro Liter aus, im Jahre 2025 werden es durchschnittlich 16 Cent sein“, sagt die Adac-sprecherin. Beim Diesel schlägt der Preis für den Kohlendioxidausstoß pro Tonne sogar mit acht Cent pro Liter zu Buche. In den kommenden beiden Jahren soll es Preisaufschläge von eineinhalb Cent pro Liter Sprit geben, wenn es nach den Beschlüssen der bisherigen Bundesregierung geht. In der neuen Ampel-koalition könnte es noch teurer werden.
Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogramm gefordert, den jetzigen Co2-preis von 25 Euro schon 2023 auf 60 Euro pro Tonne anzuheben. Das wären ab übernächstem Jahr über zehn Cent mehr pro Liter Sprit im Vergleich zu den heutigen Preisen und eine erhebliche Belastung
vor allem für Menschen, die mit dem Auto zur Arbeit pendeln müssen. „Der seit Monaten steigende Spritpreis, der beim Diesel inzwischen das bisherige Allzeithoch aus dem Jahr 2012 übertroffen hat, führt dazu, dass insbesondere Menschen, die lange Arbeitswege mit dem Auto zurücklegen müssen, bereits an ihre Belastungsgrenze kommen“, warnt Adac-sprecherin van Randenborgh. „Wir appellieren angesichts der aktuellen Entwicklung an die zukünftige Bundesregierung, Gedankenspiele über einen noch schnelleren Anstieg der Co2-preise zu unterlassen.“
Auch die Gewerkschaften warnen inzwischen davor, die Klimapolitik auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu finanzieren. „Energie und Mobilität müssen für alle bezahlbar bleiben“, fordert Dgb-vorstandsmitglied Stefan Körzell. „Die zukünftigen Belastungen dürfen nicht einseitig bei den Beschäftigten abgeladen werden“, betont er. „Wir werden die nächste Regierung daran messen, ob sie den notwendigen Wandel beherzt angeht und vor allem gerecht gestaltet.“
Eigentlich sollte die Bevölkerung bei der Anhebung der Co2-preise im Gegenzug durch eine höhere Pendlerpauschale und niedrigere Strompreise entlastet werden. Mit den Einnahmen aus der Co2-abgabe wird die Eeg-umlage, die ein Fünftel des Verbraucher-strompreises ausmacht, fast halbiert. Doch der Entlastungseffekt verpufft durch anderweitige Erhöhungen vieler Stromversorger. Die Pendlerpauschale wurde zwar erstmals seit 17 Jahren erhöht, allerdings erst ab dem zwanzigsten Kilometer. Darunter können Arbeitnehmer wie bisher nur 30 Cent für jeden vollen Kilometer der Entfernung zur Arbeitsstätte absetzen, darüber jeden weiteren Kilometer seit diesem Jahr mit 35 Cent. Damit können zum Beispiel Pendler mit 35 Kilometern Fahrstrecke etwa 160 Euro zusätzliche Werbungskosten angeben oder eine ähnlich hohe sogenannte Mobilitätsprämie beim Finanzamt beantragen. Unter dem Strich dürfte die aber nicht einmal die Hälfte des Anstiegs der Spritpreise in diesem Jahr kompensieren.
„Vor diesem Hintergrund hält der ADAC eine Anhebung der Entfernungspauschale für dringend geboten“, fordert Sprecherin van Randenborgh. Zudem müsse die Pauschale ab dem ersten Kilometer erhöht werden. Allerdings gilt die Pendlerpauschale als umstritten, weil davon höhere Einkommensschichten mehr profitieren als untere. „Am geeignetsten wäre es, die Einnahmen aus der Co2-bepreisung mit einer Pro-kopf-prämie an die Bürgerinnen und Bürger zurückzuerstatten“, sagt Diw-expertin Kemfert. „Davon profitieren vor allem auch Bevölkerungsgruppen mit niedrigerem Einkommen, während eine höhere Pendlerpauschale vor allem höheren Einkommen nutzt.“