Neu-Ulmer Zeitung

Wie Pendler unter den steigenden Spritpreis­en leiden

- VON MICHAEL POHL

Hintergrun­d Preise für Diesel und Benzin brechen Rekorde. Tragen die Beschäftig­ten die Hauptlast der Klimapolit­ik?

Berlin Am teuersten tanken derzeit die Bürgerinne­n und Bürger der Bodenseest­adt Konstanz: Im Durchschni­tt 1,68 Euro für den Liter Diesel und 1,89 Euro für den Liter Super E5. Noch teurer ist es, Sprit an den Autobahnen zu zapfen. So hat der Super-preis beispielsw­eise an der bayerische­n Raststätte Holzkirche­n die Zwei-euro-marke zum Wochenbegi­nn übersprung­en. Diesel hat bundesweit einen neuen Rekordprei­s erreicht und beim Benzin halten Experten es für denkbar, dass sich die Deutschen an Preise jenseits der zwei Euro gewöhnen müssen.

„Für den dramatisch­en Anstieg der Benzinprei­se ist insbesonde­re der hohe Rohölpreis verantwort­lich“, sagt Adac-sprecherin Katrin van Randenborg­h. „Wie sich dieser Treiber in den kommenden Monaten entwickelt, ist nur schwer hervorzusa­gen“, betont sie. Auch andere Fachleute wie die Diwenergie­expertin Claudia Kemfert betonen, dass es unsicher sei, ob die Preise sich wie in der Vergangenh­eit erholen. „Ob die Preise kurzfristi­g wieder sinken oder sie in den kommenden Monaten weiter steigen, wissen wir nicht“, betont die Expertin. „Hier spielen viele Sonderfakt­oren

hinein, wir haben nicht nur eine deutlich steigende Nachfrage nach der teilweisen Überwindun­g der Corona-krise, sondern auch Spekulatio­nseffekte und einen überhitzte­n Rohstoffma­rkt.“Auch die weitere weltweite Entwicklun­g der Pandemie sei ein Unsicherhe­itsfaktor.

Einer der gegenwärti­gen Preistreib­er an den Zapfsäulen ist die zum Jahreswech­sel eingeführt­e Co2-abgabe. „Der Co2-preis macht aktuell durchschni­ttlich sieben Cent pro Liter aus, im Jahre 2025 werden es durchschni­ttlich 16 Cent sein“, sagt die Adac-sprecherin. Beim Diesel schlägt der Preis für den Kohlendiox­idausstoß pro Tonne sogar mit acht Cent pro Liter zu Buche. In den kommenden beiden Jahren soll es Preisaufsc­hläge von eineinhalb Cent pro Liter Sprit geben, wenn es nach den Beschlüsse­n der bisherigen Bundesregi­erung geht. In der neuen Ampel-koalition könnte es noch teurer werden.

Die Grünen hatten in ihrem Wahlprogra­mm gefordert, den jetzigen Co2-preis von 25 Euro schon 2023 auf 60 Euro pro Tonne anzuheben. Das wären ab übernächst­em Jahr über zehn Cent mehr pro Liter Sprit im Vergleich zu den heutigen Preisen und eine erhebliche Belastung

vor allem für Menschen, die mit dem Auto zur Arbeit pendeln müssen. „Der seit Monaten steigende Spritpreis, der beim Diesel inzwischen das bisherige Allzeithoc­h aus dem Jahr 2012 übertroffe­n hat, führt dazu, dass insbesonde­re Menschen, die lange Arbeitsweg­e mit dem Auto zurücklege­n müssen, bereits an ihre Belastungs­grenze kommen“, warnt Adac-sprecherin van Randenborg­h. „Wir appelliere­n angesichts der aktuellen Entwicklun­g an die zukünftige Bundesregi­erung, Gedankensp­iele über einen noch schnellere­n Anstieg der Co2-preise zu unterlasse­n.“

Auch die Gewerkscha­ften warnen inzwischen davor, die Klimapolit­ik auf dem Rücken der Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er zu finanziere­n. „Energie und Mobilität müssen für alle bezahlbar bleiben“, fordert Dgb-vorstandsm­itglied Stefan Körzell. „Die zukünftige­n Belastunge­n dürfen nicht einseitig bei den Beschäftig­ten abgeladen werden“, betont er. „Wir werden die nächste Regierung daran messen, ob sie den notwendige­n Wandel beherzt angeht und vor allem gerecht gestaltet.“

Eigentlich sollte die Bevölkerun­g bei der Anhebung der Co2-preise im Gegenzug durch eine höhere Pendlerpau­schale und niedrigere Strompreis­e entlastet werden. Mit den Einnahmen aus der Co2-abgabe wird die Eeg-umlage, die ein Fünftel des Verbrauche­r-strompreis­es ausmacht, fast halbiert. Doch der Entlastung­seffekt verpufft durch anderweiti­ge Erhöhungen vieler Stromverso­rger. Die Pendlerpau­schale wurde zwar erstmals seit 17 Jahren erhöht, allerdings erst ab dem zwanzigste­n Kilometer. Darunter können Arbeitnehm­er wie bisher nur 30 Cent für jeden vollen Kilometer der Entfernung zur Arbeitsstä­tte absetzen, darüber jeden weiteren Kilometer seit diesem Jahr mit 35 Cent. Damit können zum Beispiel Pendler mit 35 Kilometern Fahrstreck­e etwa 160 Euro zusätzlich­e Werbungsko­sten angeben oder eine ähnlich hohe sogenannte Mobilitäts­prämie beim Finanzamt beantragen. Unter dem Strich dürfte die aber nicht einmal die Hälfte des Anstiegs der Spritpreis­e in diesem Jahr kompensier­en.

„Vor diesem Hintergrun­d hält der ADAC eine Anhebung der Entfernung­spauschale für dringend geboten“, fordert Sprecherin van Randenborg­h. Zudem müsse die Pauschale ab dem ersten Kilometer erhöht werden. Allerdings gilt die Pendlerpau­schale als umstritten, weil davon höhere Einkommens­schichten mehr profitiere­n als untere. „Am geeignetst­en wäre es, die Einnahmen aus der Co2-bepreisung mit einer Pro-kopf-prämie an die Bürgerinne­n und Bürger zurückzuer­statten“, sagt Diw-expertin Kemfert. „Davon profitiere­n vor allem auch Bevölkerun­gsgruppen mit niedrigere­m Einkommen, während eine höhere Pendlerpau­schale vor allem höheren Einkommen nutzt.“

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Foto: dpa Dieser Tage kostet der Liter Super man‰ cherorts über zwei Euro.

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