Endlich wieder volle Hörsäle
Bildung In diesem Semester gibt es nach der langen Corona-zwangspause wieder Präsenzvorlesungen an den Universitäten. Die Studentinnen und Studenten freuen sich darüber – mit Blick auf den Winter bleiben aber auch Sorgen
München Im Innenhof der Physikfakultät an der Ludwig-maximilians-universität in München ist nicht viel los. Ab und zu läuft ein Student quer durch den Hof, immer mal wieder segelt ein Blatt von einem Baum. Auf einer Bank sitzen Elias und Jan-philipp und essen zu Mittag. Sie studieren Physik im dritten Semester, trotzdem ist alles neu. Denn seit dieser Woche finden an den Universitäten in Bayern nach der Corona-zwangspause wieder Präsenzvorlesungen statt. Wie fühlt es sich an, nach mehreren Semestern von zu Hause aus nun vor Ort zu sein?
„Es wirklich schön, das alles hier mal zu sehen“, sagt Jan-philipp, der bisher nur Vorlesungen vom heimischen Computer aus kennt. Ein bisschen komisch sei es aber schon, die Kommilitonen im dritten Semester das erste Mal zu sehen. Elias und er kennen sich schon, sie wohnen gemeinsam in einer WG. Bevor sie nun zum ersten Mal an die Uni gingen, waren sie aufgeregt. Diese Aufbruchsstimmung hat auch die Professoren erfasst. „Ich habe den Eindruck, dass sie sich auch über Präsenzvorlesungen freuen“, sagt Elias.
Ihr Semester soll zu zwei Dritteln vor Ort stattfinden, ein großer Schritt zurück zur Normalität.
Normal ist hier aber noch nicht alles, an den Aus- und Eingängen der LMU stehen Ordner mit gelben Westen. Wer in den Innenhof oder in die Gebäude möchte, muss seinen Impfnachweis zeigen. Drinnen sind die Gehrichtungen mit Pfeilen aus Klebeband auf dem Boden vorgegeben.
Gegenüber vom Innenhof kommen Sarah und Victoria aus dem Philologicum. Sie studieren Buchwissenschaft
im siebten Semester, haben beide nur noch einen Kurs. Sarah in Präsenz, Victoria online. Darüber ist sie nicht unfroh: „Wenn im Winter die Zahlen wieder steigen sollten, ist das ganz gut. Ich glaube, es wäre besser gewesen, im Sommersemester die Uni zu öffnen.“Trotzdem treffen sie sich, wenn es geht, hier in Kleingruppen.
Das Gemeinschaftsgefühl ist auch der Gruppe neben ihnen wichtig. Die Lehramtsstudierenden Megan, Jascha, Nikita und Michael unterhalten sich über ihre Rückkehr an die Uni, wobei nur Michael, der im fünften Semester Latein und Geschichte studiert, wirklich zurückkehrt, alle anderen sind im dritten Semester. Nikita, die Latein und Englisch studiert, sagt, sie fühle sich wie ein „halber Ersti“. Online- und Präsenzvorlesungen wechseln sich teilweise ab, Vorlesungen, in denen es um Kommunikation geht, finden vor Ort statt. Gespannt sind sie auf den Wechsel zwischen Online und Präsenz. Teilweise ist es so geplant, dass Vorlesungen von acht bis zehn Uhr online stattfinden und von zehn bis zwölf Uhr in Präsenz. Wie das gehen soll, wissen sie noch nicht: „Ich bin gespannt, wie viele verzweifelt auf den Gängen sitzen werden und versuchen, WLAN zu bekommen“, sagt Megan. Und leichte Bedenken bleiben: „Man sitzt schon nah beieinander. Ich mache mir um mich selber keine Sorgen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es zu Corona-fällen kommt“, sagt Nikita. Megan ergänzt: Die Wiederöffnungen von Clubs würden ihren Teil dazu beitragen. „Bei der großen Uniparty waren sie auch dicht an dicht.“
Die Angst, dass sich in wenigen Monaten alles wieder ändert, haben sie alle. Zu häufig wurden Pläne in den vergangenen anderthalb Jahren geändert. „Wenn wegen Coronafällen doch wieder alles online ist, muss man wieder schauen, wie man seinen Stundenplan zusammenkriegt“, sagt Nikita. Angst, sich zu infizieren, haben sie nicht, und auch an die Regeln können sie sich gewöhnen, auch wenn das noch neu ist: „Das erste Mal den Impfnachweis zu zeigen, ist schon seltsam“, sagt Megan.
In den Straßen der Maxvorstadt rund um die LMU ist die Normalität zurück. An der Schellingstraße sitzen junge Leute in Cafés, Studierende laufen in Kleingruppen umher, einige sind auf dem Weg zur Technischen Universität (TU). Dort, an der TU, sitzt Sebastian auf einer
Bank. Er hält Ausschau nach Studierenden, die an einer Rallye teilnehmen. Er beginnt, hier BWL mit Schwerpunkt auf Technologie und Management zu studieren. Bei einigen Kursen kann er sich aussuchen, ob er sie zu Hause oder vor Ort belegen will. Seine allererste Vorlesung fand online statt, für die Rallye ist er jetzt an die TU gekommen. Sebastian hat vor, so viel es geht, in die Uni zu gehen, auch um Kontakte zu knüpfen.
Mehr Erfahrung mit Präsenzvorlesungen und Corona haben Studierende an den Hochschulen. Sie sind schon seit über zwei Wochen wieder vor Ort, haben aber auch manche Kurse weiterhin online. Sie sitzen mit Masken im Vorlesungssaal, erzählt Daniel, der Informatik und Design an der Hochschule München studiert und mit seinen Kommilitonen Leon und Marco vor der Fakultät steht. Sie sind im ersten Semester. Marco hat zuvor woanders studiert und merkt einen großen Unterschied zum Studium von zu Hause aus: „Ich bin viel motivierter, es ist etwas ganz anderes, als zu Hause den ganzen Tag vorm Rechner zu sitzen.“
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