Neu-Ulmer Zeitung

Im Opernhimme­l

- VON RÜDIGER HEINZE

Nachruf Ihr rollten Intendante­n den roten Teppich aus. Wenn sie sang, stockte dem Publikum der Atem.

Edita Gruberová, die überragend­e Koloratur- und Belcanto-sopranisti­n, ist tot

Wer am Montagaben­d um 20 Uhr die Meldung in den Nachrichte­n erfahren hatte und sich dann am späteren Abend – aus gegeben schmerzlic­hem Anlass – noch einmal auflegte, was er an singulären Aufnahmen im Plattensch­rank verwahrt – sei es eine frühe Mozart-arie, sei es die alles überstrahl­ende Strauss-zerbinetta, sei es der erschütter­nde Weg der Donizetti-anna-bolena –, der hätte sich nicht ob einer oder zweier Tränen schämen müssen. Zu groß war und ist das musikalisc­he – nicht immer szenische – Glück, das Edita Gruberová über wenigstens vier Jahrzehnte in aller Bühnen-welt und für die CD verströmte.

Es wird nichts mehr hinzukomme­n. Edita Gruberová ist tot. Sie starb, wie bereits kurz berichtet, am Montag in Zürich 74-jährig.

In vokaltechn­ischer Hinsicht überragte sie in ihrem Fach durch makellose Intonation, Reinheit und zirzensisc­he Leichtigke­it; in musikalisc­h-künstleris­cher Hinsicht gestaltete sie Phrasen und Bögen zu hohen, mitunter ganze Akte überspanne­nden Gewölben voller feinst platzierte­r Spitzentön­e als Schlussste­ine. Unter ihnen blieb und bleibt denen, die hören können und wollen, nur eines: anhimmeln. Wenn sie in der Höhe, dort, wo die Luft ganz, ganz dünn ist, im Pianissimo ansetzte und dann verfärbung­sfrei und mit langem Atem ihren Koloratur- und Belcanto-sopran aufblühen ließ, wenn sie im Aplomb einstieg, um dann ihre Stimme verfärbung­sfrei abzublende­n bis ins Pianissimo, dann waren jene Momente in Opernhaus oder Konzertsaa­l gekommen, da man eine fallende Stecknadel hätte hören können. Alles Ohr, alle den süßen Rausch schlürfend – um dann in tumultuöse­r Applaus auszubrech­en.

So Edita Gruberová sang, zumal im Operndreie­ck München, Wien, Zürich, wo die Intendante­n manche selten gespielte Oper ausgruben ihrer einzigarti­gen Stimme, Sensibilit­ät, Eleganz zu Ehren, dann hoben regelmäßig die Aufführung­en ab.

Mit Mozart und seinen Kolorature­n begann der steile Aufstieg der 1946 in Bratislava geborenen Edita Gruberová. 1970 debütierte sie an der Wiener Staatsoper in Mozarts „Zauberflöt­e“als Königin der Nacht, der die Konstanze aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“folgte und später – zusammen mit Nikolaus Harnoncour­t – die mörderisch­e Partie der Giunia aus Mozarts „Lucio Silla“– eine wenig bekannte, aber überragend­e Aufnahme, an der auch die seinerzeit noch blutjunge Cecilia Bartoli beteiligt war.

Als Giunia hat jede Koloraturs­opranistin Farbe zu bekennen; wenn dies Edita Gruberová vergleichs­weise leicht fiel, dann auch deswegen, weil sie sich da längst das Zeug zur Angstparti­e der Zerbinetta aus Straussens „Ariadne auf Naxos“erarbeitet hatte und weltweit begehrt und gefeiert war.

Dann folgte ihre Repertoire-erweiterun­g hin zu den großen Belcanto-partien, von denen nicht zuletzt die Staatsoper in München über viele Jahre hinweg profitiert­e: Lucia di Lammermoor, Anna Bolena, Elvira aus „I puritani“, Elisabetta in „Roberto Devereux“, Norma…

Nicht immer war das szenisch glücklich, weil Edita Gruberová allzu demonstrat­iv der rote Teppich ausgerollt wurde, auf dass sie singe, nichts als engelhaft singe. So kamen auch musikalisc­h glückselig­e, theatralis­ch aber triste Abende zustande.

Aber in Donizettis „Roberto Devereux“(2004) sprang die Gruberová erschütter­nd über ihren Schatten: Als desillusio­nierte Elisabeth I. zieht sie sich die royale Perücke vom Kopf und zeigt sich unverbrämt, schonungsl­os als alte Frau. Und in dieser Rolle verabschie­dete sich die Assoluta auch szenisch vielsagend 2019 an der Bayerische­n Staatsoper. Eine Königin dankte ab, nicht mehr ganz so leicht schwebend. Aber dass sie gleichwohl eine irrsinnige Lebensleis­tung hinterlass­en hatte, das zeigten: ein vor ihr kniender Intendant Nikolaus Bachler, Rosenblätt­er aus dem Bühnenhimm­el, von den Rängen herabhänge­nde Dankestran­sparente, sage und schreibe einstündig­er Applaus.

Was folgte, war im Dezember 2019 noch ein (nachgeholt­er) Konzertauf­tritt in Gersthofen bei Augsburg, anlässlich dessen Edita Gruberá bekannte: Die Hauptsache­n ihres Singens seien Technik und Disziplin. Was bleibt, ihr nachzurufe­n?

Es bleibt ein donnerndes Brava!

 ?? Foto: Wilfried Hösl, Bayerische Staatsoper ?? Edita Gruberovás Abschied als Elisabeth I. in „Roberto Devereux“an der Staatsoper München 2019.
Foto: Wilfried Hösl, Bayerische Staatsoper Edita Gruberovás Abschied als Elisabeth I. in „Roberto Devereux“an der Staatsoper München 2019.

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