Seehofer will Flüchtlinge zurückschicken
Asyl Neue Routen über Griechenland und Polen zwingen die Regierung zum Handeln
Berlin Vor dem Hintergrund neuer Flüchtlingsrouten nach Deutschland schlägt die Bundesregierung einen härteren Kurs in der Asylpolitik ein. Innenminister Horst Seehofer (CSU) drohte am Mittwoch in Berlin unter anderem mit der Zurückweisung von Flüchtlingen, die aus Griechenland einreisen. Sie sollen notfalls schon am Flughafen wieder zurückgeschickt werden. Mit stärkeren Grenzkontrollen will er auch auf illegale Übertritte an der deutsch-polnischen Grenze reagieren. Hier kommen vermehrt Flüchtlinge an, seit der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko Migranten unkontrolliert Richtung EU ziehen lässt.
Bei seiner womöglich letzten Pressekonferenz als Minister betonte Seehofer, dass sich die Flüchtlingszahlen noch in dem Korridor der letzten 30 Jahre bewegen. Demnach kamen von Januar bis September rund 80000 Asylbewerber nach Deutschland. „Es ist auf keinen Fall ein Vergleich mit den Jahren 2015 und 2016 zulässig“, erinnerte Seehofer an den bisherigen Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs. Damals reisten insgesamt etwa 1,4 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland ein.
Massiv verschärft haben sich nach Einschätzung der Regierung jedoch die Rahmenbedingungen. Seehofer sprach von „Herausforderungen, die zeitnahe Entscheidungen erfordern“. Demnach brennt es bei der sogenannten Sekundärmigration von Menschen, die bereits in einem Eu-staat als Flüchtling anerkannt wurden und dann einfach nach Deutschland weiterziehen. 34000 Menschen umfasst diese Gruppe, die meisten von ihnen kommen aus Griechenland. Alle Versuche, hier mit Athen zu einer Regelung zu kommen, sind nach Seehofers Worten gescheitert. Er werde aber noch einen weiteren Anlauf unternehmen, kündigte er an. Wenn dies nicht gelinge, würden die Flüchtlinge
am Flughafen nach Griechenland zurückgeschickt. „Das wäre eine sehr wirksame Maßnahme.“
Die meisten Menschen flüchten derzeit aus dem Irak, aus Syrien und Afghanistan. Viele versuchen, über Belarus und Polen nach Deutschland zu gelangen. Lukaschenko winkt sie praktisch durch – auf Geheiß des russischen Präsidenten Wladimir Putin, wie im Westen geargwöhnt wird. Der Russe wolle damit zur Destabilisierung in der EU beitragen, heißt es. Seehofer sieht das ähnlich: „Wir sind alle überzeugt, dass der Schlüssel zur Lösung des Problems wohl in Moskau liegt.“Zusätzliche Sanktionen gegen Belarus könnte es demnach geben, es laufen weitere Gespräche mit den Fluglinien, die die Flüchtlinge nach Belarus bringen. Aber Deutschland will das Problem nicht alleine lösen. Da sei auch die EU gefordert, „die aus meiner Sicht nicht ausreichend aktiv ist“, kritisierte Seehofer.
Erste Fortschritte könnte es bei dem an diesem Donnerstag beginnenden Eu-gipfel geben. Bis dahin will Seehofer für gemeinsame Streifen von Beamten an der deutschpolnischen Grenze sorgen. Sie sollen auf polnischem Gebiet patrouillieren. Eine Schließung der Grenze sei im Kabinett zwar kurz angesprochen worden, räumte er ein, sie sei aber „von niemandem beabsichtigt“. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl reagierte mit Lob und Kritik auf Seehofers Ankündigungen. „Positiv ist zu vermerken, dass Herr Seehofer keine Hysterie bezogen auf die Asylzahlen geschürt hat“, sagte der Leiter der Europa-abteilung, Karl Kopp, unserer Redaktion. „Andererseits waren die Menschenrechtsverletzungen kein Thema.“Dies sei seit Jahren eine Schwäche der Bundesregierung. „Man schweigt zu den Menschenrechtsverletzungen etwa in Griechenland, Kroatien, den baltischen Staaten oder Polen.“Am Ende zähle nur, dass weniger Flüchtlinge in Europa ankommen. »Politik