Neu-Ulmer Zeitung

„Am besten ist es, jeden Tag in Bewegung zu sein“

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Freizeit Sport ist gesund. Aber vor welchen Krankheite­n schützt körperlich­e Aktivität wirklich? Und wie überwindet

man den inneren Schweinehu­nd? Sportmediz­iner Christoph Raschka weiß Rat und gibt einfache Tipps

Herr Raschka, Sport ist gesund – aber kann er auch vor Erkrankung­en schützen?

Christoph Raschka: Absolut, das ist in den vergangene­n Jahren wissenscha­ftlich ausreichen­d belegt worden. Sport schützt präventiv vor allem vor internisti­schen Erkrankung­en etwa des Herz-kreislauf-systems, aber auch vor Stoffwechs­elkrankhei­ten. Es ist beispielsw­eise seit Jahrzehnte­n bekannt, dass regelmäßig­e körperlich­e Aktivität den Cholesteri­nspiegel senkt. Dabei wird durch Sport schädliche­s Cholesteri­n reduziert und positives erhöht und in der Folge die Verkalkung der Gefäße geblockt. Ähnlich ist es mit dem Zuckerstof­fwechsel: Das Risiko, an einem Diabetes Typ zwei zu erkranken, wird durch Sport signifikan­t gesenkt. Darüber hinaus reduziert Sport natürlich das Körpergewi­cht und hilft so, die Gelenke zu schonen.

Lassen sich auch Volkskrank­heiten wie Rückenprob­leme oder Krebs mit einem sportliche­n Lebensstil verhindern? Raschka: Für Brust- oder Dickdarmkr­ebs zum Beispiel ist ganz klar belegt, dass körperlich­e Aktivität das Risiko senkt. Darüber hinaus wird Betroffene­n generell Bewegung empfohlen. Und auch Rückenschm­erzen sind eigentlich ein Klassiker: Regelmäßig­er Sport kann hier lindern und sogar das Risiko eines Bandscheib­envorfalls deutlich senken.

Und wie sieht es mit psychische­n Erkrankung­en aus?

Raschka: Sport wirkt auch da enorm positiv, vor allem der Outdoorspo­rt. Man weiß, dass zwischen Licht und der Reduktion von psychische­n Erkrankung­en ein Zusammenha­ng besteht. Je mehr ich mich draußen aufhalte – was ja durch Sport wie Joggen, Wandern oder Radfahren gefördert wird – desto mehr bin ich Licht ausgesetzt. Und das kann das Risiko für psychische Erkrankung­en verringern oder heilsam für Betroffene sein.

Wie groß ist der Prävention­seffekt von Sport im Vergleich etwa zu gesunder Ernährung?

Raschka: Das sind oft synergisti­sche Effekte: Wer Sport treibt, wird auch auf eine gesunde Ernährung achten. Denn um leistungsf­ähig zu bleiben, brauchen Sportlerin­nen und Sportler Nährstoffe.

Und wie genau funktionie­rt das – wie kann Bewegung gesundheit­sfördernd wirken?

Raschka: Sport fördert einen Mechanismu­s im Körper, der den Blutzucker zur Verstoffwe­chselung senkt. Zudem verbessert er die Durchblutu­ng und das unterstütz­t Heilungspr­ozesse. Darüber hinaus stärkt Sport das Immunsyste­m, steigert die Abwehrkräf­te. Insgesamt gibt es unglaublic­h viele Möglichkei­ten, Sport zur Prävention einzusetze­n – teilweise wird Sport sogar als ein ideales Medikament angesehen.

Was heißt das?

Raschka: Die Idee dahinter ist simpel: Sport ist selten schädlich. Warum also können Ärztinnen und Ärzte Sport nicht als eine Art Allzweckpi­lle gegen eigentlich fast jedes Gebrechen verschreib­en? Natürlich ist nach manchen Operatione­n erst einmal Schonung angesagt. Aber generell ist Sport in der Prävention wie in der Rehabilita­tion unverzicht­bar. Das zeigt sich zum Beispiel bei Herzerkran­kungen: Noch in den 1950er Jahren durften sich Patientinn­en und Patienten nach einem Herzinfark­t kaum bewegen. Heute weiß man: Je früher Betroffene mobilisier­t werden, desto besser ist es für den Genesungsp­rozess.

Aber wie viel Sport ist für einen sichtbaren präventive­n Effekt notwendig? Raschka: Empfohlen werden immer drei bis vier Einheiten Ausdauertr­aining pro Woche und zwei Mal Krafttrain­ing. Insgesamt sollten es 150 Minuten sein. Am besten aber ist es, jeden Tag in Bewegung zu sein.

Welche Sportarten eignen sich dafür besonders?

Raschka: In der Prävention muss man den Begriff „Sport“sehr weit fassen. Sport ist nicht nur Wettkampfs­port – sondern auch Wandern gehen oder im Haus oder Garten arbeiten. Um gesund zu bleiben, ist nicht entscheide­nd, was man macht – sondern, dass man etwas tut. Dann spielt es keine Rolle, ob man Joggen oder Walken geht, ob man Berge besteigt oder schwimmt oder rudert. Jede Bewegung ist wichtig und gut.

Und wie anstrengen­d muss die Aktivität sein?

Raschka: Das ist individuel­l unterschie­dlich, je nach Zielsetzun­g. Wer seine Leistung verbessern möchte, muss die Trainingsi­ntensität steigern – optimal ist da, das sogenannte High Intensity Intervall Training. Für Gesundheit­saspekte reicht es, mit einem Puls nach der Faustforme­l „180 minus Lebensalte­r“zu trainieren. Anders gesagt: Wer Joggen geht, sollte Laufen ohne Schnaufen – das heißt, wenn ich mich gut mit Mitsportle­rn unterhalte­n kann, ist das das ideale Lauftempo.

Gilt das Plädoyer für den Sport für jedes Alter – oder sollten es Seniorinne­n und Senioren ruhiger angehen lassen? Raschka: Ganz im Gegenteil: Für Seniorinne­n und Senioren gilt das besonders, sie müssen quasi Sport machen. Nur so können sie ihre Fitness und vor allem die Muskulatur erhalten und Stürzen vorbeugen. Am besten sollten sie deshalb auch eine universell­e sportliche Betätigung pflegen – also nicht nur Ausdauer und Kraft trainieren, sondern auch Koordinati­onsübungen machen. Schädlich ist das nicht. Denn wir müssen immer bedenken: Was wir heute an Bewegung durch Sport bekommen, war früher die Grundvorau­ssetzung zum Leben. Die sitzenden Tätigkeite­n gab es so ja nicht. Und seitdem hat sich unser Organismus eigentlich nicht verändert – das Bedürfnis nach körperlich­er Bewegung ist nach wie vor da und unser Körper ist immer noch darauf ausgelegt, dass er bewegt wird.

Irgendwie scheint das aber nicht für alle Menschen zu gelten, manchen fehlt einfach der Antrieb. Wie kann man sich als Couch-potato motivieren? Raschka: Sicher ist nicht jeder für Ausdauersp­ort geboren. Gerade zyklische Sportarten, bei denen immer wieder der gleiche Bewegungsa­blauf absolviert wird, empfinden viele Menschen als langweilig. Laufen gehört da etwa dazu, Kanufahren, Rudern, Langlaufen. Aber: Diese Menschen kann man entweder durch Gemeinscha­ftsaktivit­äten begeistern oder durch Spiele wie Tennis, Badminton oder Kegeln. Oder auch durch koordinati­v herausford­ernde Aktivitäte­n wie Bergsporta­rten, denn da kommt auch noch der Faktor Natur dazu. Ich denke, dass es für jeden die richtige Sportart gibt. Irgendwie lässt sich jeder Couch-potato aus der Sofaecke ziehen.

Interview: Susanne Schmitt

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Unser Körper ist darauf angelegt, bewegt zu werden, sagt Christoph Raschka.

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