Gläubige verteidigen umstrittenen Pfarrer
Kirche Wegen fragwürdiger Methoden untersagte ihm das Bistum, Exerzitien zur „inneren Heilung“anzubieten. Das stößt auf Kritik. Wie es in Illerberg nun weitergeht
Illerberg/augsburg Exerzitien und Einkehrtage zur „inneren Heilung“in Illerberg, einem Gemeindeteil von Vöhringen im schwäbischen Landkreis Neu-ulm, hatten eine lange Tradition. Sie fanden ihr Ende mit einer Entscheidung des Augsburger Bischofs Bertram Meier. Der hatte Pfarrer P. und seinem Team aus Laien nach einer Prüfung durch eine Arbeitsgruppe aus Expertinnen und Experten im Juni 2021 für das gesamte Gebiet des katholischen Bistums Augsburg untersagt, solche Exerzitien und Einkehrtage künftig weiter anzubieten (wir berichteten).
Dies stößt nun auf Kritik. So sagt Angelika Böck, früher Mitglied im Pfarrgemeinderat und im Stadtrat von Vöhringen, Pfarrer P. habe „großen Rückhalt in der Gemeinde“. Viele Illerberger hätten die Exerzitien unterstützt, indem sie die Besucherinnen und Besucher, die teils von sehr weit her angereist seien, bei sich beherbergt hätten – oder indem sie einfach regelmäßig Kuchen für sie gebacken hätten.
Auch Böck hat Exerzitien-teilnehmerinnen und -teilnehmer bei sich aufgenommen. Dabei habe sie beobachten können, wie die Exerzitien Menschen geholfen hätten, mit sehr schwierigen Situationen umzugehen. Der Pfarrer, der gerade so stark in der Kritik sei, habe ihr zufolge immer die Botschaft von einem gütigen Gott verbreitet – niemals die von einem strafenden Gott, wie es das Bistum erklärt habe. Der Pfarrer habe das gelebt, was im Matthäusevangelium stehe, sagt Böck und zitiert die Stelle: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“
Stefanie Bilmayer-frank, Csustadträtin aus Illerberg, steht ebenfalls „grundsätzlich“hinter Pfarrer P., wie sie sagt. Sie beschreibt ihn als einen Mann Gottes, der „auf der guten Seite“stehe. Er sei sehr spirituell. „Vieles, was ihn ausmacht, ist aus unserer nüchternen schwäbischen Sicht vielleicht nicht nachvollziehbar“, meint sie.
Die Meinungen gehen vor Ort allerdings weit auseinander, einige – die jedoch nicht zitiert werden wollen – sehen den Pfarrer und dessen Angebote deutlich kritischer. Wie das Bistum Augsburg. Das wurde nach eigenen Angaben aufgrund „wiederholter Beschwerden von Exerzitienteilnehmerinnen und -teilnehmern beziehungsweise deren Angehörigen über Inhalte und Auswirkungen der Teilnahme an Exerzitien in Illerberg“tätig.
Für „sämtliche“überprüften Vorwürfe habe man schließlich „belastbare Hinweise“gefunden. So sei das „Gebet des Kostbaren Blutes“regelmäßig bei den Exerzitien ausgeteilt worden, und Pfarrer P. bekenne sich ausdrücklich zu dessen Inhalten, hieß es.
Hinter diesem Gebet steht die Vorstellung, Menschen oder ihre Vorfahren seien schuld an ihrem Zustand. „Ahnenschuld“als Ursache physischer oder psychischer Erkrankungen und als Abhängigkeitsverhältnis zu toten Familienmitgliedern kann Fachleuten zufolge aber, besonders für labile Menschen, gefährlich werden – wenn bei ihnen uneinlösbare Erwartungen geweckt werden oder sie ärztliche Behandlungen ausschlagen.
„Ahnenschuld und Stammbaumheilung stehen in Widerspruch zur katholischen Glaubensüberzeugung“, erklärte auch der Bistumssprecher Ende September. Überdies sei der behauptete Kausalzusammenhang von Sünde und Krankheit ein weiterer gravierender Grund für das Verbot der Exerzitientätigkeit.
Martin Straub, Stadtpfarrer und Leiter der Pfarreiengemeinschaft Vöhringen – zu der die Pfarrei St. Martin Illerberg gehört – sowie Dekan des Dekanats Neu-ulm, sagt: „Über fast 20 Jahre fanden die Tage der Glaubensverkündigung monatlich statt und gaben den Teilnehmern Orientierung und Hilfe im Glauben.“Die Entscheidung des Bischofs, dass diese nicht mehr stattfinden dürfen, will Straub nicht kommentieren. Das sehe er nicht als seine Aufgabe. Pfarrer P. jedenfalls sei weiterhin eingebunden in die Seelsorge der Pfarreiengemeinschaft. Zu seinen Aufgaben gehörten die Feier von Gottesdiensten und das Angebot von Beicht- und Seelsorgegesprächen.
Zu diesen kommen nach wie vor Anhängerinnen und Anhänger von
Pfarrer P. aus einem weiten Umkreis. Unterstützt wird er – ebenfalls unverändert – von einem Team aus Laien, also engagierten Katholikinnen und Katholiken. Dekan Straub sagt dazu, auch deren Engagement bereichere „weiterhin unsere Kirche“. Allerdings gab es auch zu diesen Seelsorgegesprächen Kritik: Teammitglieder würden intimste Fragen stellen, und die Vertraulichkeit sei mitunter nicht gewahrt, war zu hören.
Der Bistumssprecher sagte nun auf Anfrage, „dass in der Thematik der pastoralen Angebote in Illerberg derzeit weitere klärende Gespräche vorgesehen sind“. Eventuelle Schlussfolgerungen werde man danach ziehen. Und er ergänzte: „Die Bistumsleitung geht selbstverständlich davon aus, dass das bischöfliche Dekret aus dem Juni 2021 eingehalten wird.“
Lesen Sie dazu den Kommentar der ersten Bayern-seite.
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