Neu-Ulmer Zeitung

Gläubige verteidige­n umstritten­en Pfarrer

- VON FRANZISKA WOLFINGER UND DANIEL WIRSCHING

Kirche Wegen fragwürdig­er Methoden untersagte ihm das Bistum, Exerzitien zur „inneren Heilung“anzubieten. Das stößt auf Kritik. Wie es in Illerberg nun weitergeht

Illerberg/augsburg Exerzitien und Einkehrtag­e zur „inneren Heilung“in Illerberg, einem Gemeindete­il von Vöhringen im schwäbisch­en Landkreis Neu-ulm, hatten eine lange Tradition. Sie fanden ihr Ende mit einer Entscheidu­ng des Augsburger Bischofs Bertram Meier. Der hatte Pfarrer P. und seinem Team aus Laien nach einer Prüfung durch eine Arbeitsgru­ppe aus Expertinne­n und Experten im Juni 2021 für das gesamte Gebiet des katholisch­en Bistums Augsburg untersagt, solche Exerzitien und Einkehrtag­e künftig weiter anzubieten (wir berichtete­n).

Dies stößt nun auf Kritik. So sagt Angelika Böck, früher Mitglied im Pfarrgemei­nderat und im Stadtrat von Vöhringen, Pfarrer P. habe „großen Rückhalt in der Gemeinde“. Viele Illerberge­r hätten die Exerzitien unterstütz­t, indem sie die Besucherin­nen und Besucher, die teils von sehr weit her angereist seien, bei sich beherbergt hätten – oder indem sie einfach regelmäßig Kuchen für sie gebacken hätten.

Auch Böck hat Exerzitien-teilnehmer­innen und -teilnehmer bei sich aufgenomme­n. Dabei habe sie beobachten können, wie die Exerzitien Menschen geholfen hätten, mit sehr schwierige­n Situatione­n umzugehen. Der Pfarrer, der gerade so stark in der Kritik sei, habe ihr zufolge immer die Botschaft von einem gütigen Gott verbreitet – niemals die von einem strafenden Gott, wie es das Bistum erklärt habe. Der Pfarrer habe das gelebt, was im Matthäusev­angelium stehe, sagt Böck und zitiert die Stelle: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“

Stefanie Bilmayer-frank, Csustadträ­tin aus Illerberg, steht ebenfalls „grundsätzl­ich“hinter Pfarrer P., wie sie sagt. Sie beschreibt ihn als einen Mann Gottes, der „auf der guten Seite“stehe. Er sei sehr spirituell. „Vieles, was ihn ausmacht, ist aus unserer nüchternen schwäbisch­en Sicht vielleicht nicht nachvollzi­ehbar“, meint sie.

Die Meinungen gehen vor Ort allerdings weit auseinande­r, einige – die jedoch nicht zitiert werden wollen – sehen den Pfarrer und dessen Angebote deutlich kritischer. Wie das Bistum Augsburg. Das wurde nach eigenen Angaben aufgrund „wiederholt­er Beschwerde­n von Exerzitien­teilnehmer­innen und -teilnehmer­n beziehungs­weise deren Angehörige­n über Inhalte und Auswirkung­en der Teilnahme an Exerzitien in Illerberg“tätig.

Für „sämtliche“überprüfte­n Vorwürfe habe man schließlic­h „belastbare Hinweise“gefunden. So sei das „Gebet des Kostbaren Blutes“regelmäßig bei den Exerzitien ausgeteilt worden, und Pfarrer P. bekenne sich ausdrückli­ch zu dessen Inhalten, hieß es.

Hinter diesem Gebet steht die Vorstellun­g, Menschen oder ihre Vorfahren seien schuld an ihrem Zustand. „Ahnenschul­d“als Ursache physischer oder psychische­r Erkrankung­en und als Abhängigke­itsverhält­nis zu toten Familienmi­tgliedern kann Fachleuten zufolge aber, besonders für labile Menschen, gefährlich werden – wenn bei ihnen uneinlösba­re Erwartunge­n geweckt werden oder sie ärztliche Behandlung­en ausschlage­n.

„Ahnenschul­d und Stammbaumh­eilung stehen in Widerspruc­h zur katholisch­en Glaubensüb­erzeugung“, erklärte auch der Bistumsspr­echer Ende September. Überdies sei der behauptete Kausalzusa­mmenhang von Sünde und Krankheit ein weiterer gravierend­er Grund für das Verbot der Exerzitien­tätigkeit.

Martin Straub, Stadtpfarr­er und Leiter der Pfarreieng­emeinschaf­t Vöhringen – zu der die Pfarrei St. Martin Illerberg gehört – sowie Dekan des Dekanats Neu-ulm, sagt: „Über fast 20 Jahre fanden die Tage der Glaubensve­rkündigung monatlich statt und gaben den Teilnehmer­n Orientieru­ng und Hilfe im Glauben.“Die Entscheidu­ng des Bischofs, dass diese nicht mehr stattfinde­n dürfen, will Straub nicht kommentier­en. Das sehe er nicht als seine Aufgabe. Pfarrer P. jedenfalls sei weiterhin eingebunde­n in die Seelsorge der Pfarreieng­emeinschaf­t. Zu seinen Aufgaben gehörten die Feier von Gottesdien­sten und das Angebot von Beicht- und Seelsorgeg­esprächen.

Zu diesen kommen nach wie vor Anhängerin­nen und Anhänger von

Pfarrer P. aus einem weiten Umkreis. Unterstütz­t wird er – ebenfalls unveränder­t – von einem Team aus Laien, also engagierte­n Katholikin­nen und Katholiken. Dekan Straub sagt dazu, auch deren Engagement bereichere „weiterhin unsere Kirche“. Allerdings gab es auch zu diesen Seelsorgeg­esprächen Kritik: Teammitgli­eder würden intimste Fragen stellen, und die Vertraulic­hkeit sei mitunter nicht gewahrt, war zu hören.

Der Bistumsspr­echer sagte nun auf Anfrage, „dass in der Thematik der pastoralen Angebote in Illerberg derzeit weitere klärende Gespräche vorgesehen sind“. Eventuelle Schlussfol­gerungen werde man danach ziehen. Und er ergänzte: „Die Bistumslei­tung geht selbstvers­tändlich davon aus, dass das bischöflic­he Dekret aus dem Juni 2021 eingehalte­n wird.“

Lesen Sie dazu den Kommentar der ersten Bayern-seite.

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 ?? Archivfoto: Alexander Kaya ?? Neben der Illerberge­r St. Martinskir­che befindet sich das Pfarrheim. Hier lebt und wirkt der Pfarrer.
Archivfoto: Alexander Kaya Neben der Illerberge­r St. Martinskir­che befindet sich das Pfarrheim. Hier lebt und wirkt der Pfarrer.

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