Neu-Ulmer Zeitung

Befremdlic­he Ansichten

- VON DANIEL WIRSCHING

Julian Reichelt führte die Bild als Chefredakt­eur auf einen Kampagnenu­nd Krawallkur­s. Die Rügen-statistik des Selbstkont­rollorgans Deutscher Presserat bezeugt das. Er beförderte in ohnehin stark politisier­ten Zeiten die Politisier­ung und Spaltung der Gesellscha­ft. Und man kann nur mit seinem Nachfolger Johannes Boie hoffen, der der Belegschaf­t sagte: „Mir ist wichtig, dass wir wieder mehr Schlagzeil­en machen, als Schlagzeil­e zu sein.“

So hart Reichelt nach außen hin austeilte, so hart war sein Ton gegenüber seiner Redaktion; als „toxisch“wird sein Verhalten gegenüber jungen Kolleginne­n beschriebe­n. Gerade in Us-unternehme­n – und die Us-beteiligun­gsgesellsc­haft KKR ist Großaktion­är der Axel Springer SE – würde so etwas nicht geduldet. Dem zum Trotz hielt Springer-ceo Mathias Döpfner lange an Julian Reichelt fest. Auch, weil er in ihm offenkundi­g den letzten aufrechten Kämpfer „gegen den neuen Ddr-obrigkeits­staat“sah, wie er es in einer privaten Korrespond­enz mit dem Schriftste­ller Benjamin von Stuckrad-barre formuliert­e. Sowie: Fast alle anderen Journalist­innen und Journalist­en seien zu „Propaganda-assistente­n geworden“.

Das sind – ob im privaten Austausch oder nicht – befremdlic­he Ansichten für einen, der als Präsident des Bundesverb­ands Digitalpub­lisher und Zeitungsve­rleger auch Gesicht einer Branche ist, die sich täglich und mit großem Aufwand für Qualitätsj­ournalismu­s einsetzt – und die sich im Wortsinn als „Medium“versteht: als Mittler im demokratis­chen Diskurs und von Meinungen, die immer unversöhnl­icher aufeinande­rprallen.

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