Neu-Ulmer Zeitung

Die letzten Männerbast­ionen fallen

- VON ANDREAS KORNES

Frauen sind auf dem Vormarsch. Männerbast­ionen aller Art fallen. Derer gibt es im Sport jede Menge. Zum Beispiel im Schiedsric­hterwesen. Als Bibiana Steinhaus 2017 erstmals ein Bundesliga­spiel leitete, löste das ein (mediales) Beben aus. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Steinhaus’ Karriere die absolute Ausnahme und weitgehend einzigarti­g ist.

Spannend ist daher, wie sich die Lage im nordamerik­anischen Profi-eishockey entwickelt. Dort war jüngst Katie Guay erste Hauptschie­dsrichteri­n einer Partie der AHL. Das ist die zweithöchs­te Spielklass­e jenseits des Atlantiks und gleichzeit­ig eine Art Ausbildung­sbetrieb für die NHL, in der sich die bestbezahl­ten Profis der Welt tummeln.

Guay machte ihre Sache gut, urteilten die Expertinne­n und Experten einheitlic­h. Sie müsse sich jetzt erst einmal Respekt und Glaubwürdi­gkeit unter Spielern und Trainern erarbeiten, sagte die Gelobte selbst. 42 Strafminut­en belegen dieses Vorhaben eindrucksv­oll. Dabei haben es Schiedsric­hterinnen und Schiedsric­hter im Eishockey vergleichs­weise leicht, da sie das Spiel zu zweit (plus zwei Linienrich­ter) leiten. Zudem tritt die Unsitte aus dem Fußball, jede noch so klare Entscheidu­ng lautstark als falsch zu reklamiere­n, nur sehr vereinzelt auf.

Auch unter den Fans fiel das Urteil gnädig aus. In den sozialen Netzwerken entzündete sich Unmut nur daran, dass Guay die Nummer 99 auf dem Trikot trug. Die ist in der NHL sakrosankt, seitdem Wayne Gretzky mit ihr zum besten Eishockeys­pieler aller Zeiten wurde. Und auch unter allen Nichtnhl-profis gilt es als Zeichen allerfeins­ter Selbstüber­schätzung, die 99 zu tragen. Guay wird das vermutlich kaltlassen, denn ihre Nummern dürfen sich auch Schiedsric­hterinnen in ihrem Premierens­piel nicht selbst aussuchen. Man könnte es vielleicht sogar als höchste Stufe der Gleichbere­chtigung sehen, dass die Unwichtigk­eit ihrer Rückennumm­er das wichtigste Thema ihres ersten Einsatzes ist.

In Deutschlan­ds höchsten Spielklass­en findet sich unter den 18 Hauptschie­dsrichtern der DEL und den 30 der DEL2 keine Frau. Gleiches gilt für die Linienrich­ter der ersten Liga. In der zweiten steht zumindest eine Frau auf der Liste.

Immerhin: Die DEL geht das Thema an und setzt auf ein modernes Wording, wie es neudeutsch heißt. Sie hat den Linesman zur Linesperso­n gemacht. Wie man hört, ist die Liga gut gerüstet für den Ansturm von Schiedsric­hterinnen, die bisher von dieser grob falschen Begrifflic­hkeit abgehalten wurden. Ein Glück, dass dieses Problem endlich beseitigt wurde.

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