Neu-Ulmer Zeitung

Silberscha­tz aus der Wertach

- VON EVA MARIA KNAB

Archäologi­e Bei Grabungen auf einem früheren Firmengrun­dstück kamen fast 5600 Münzen aus der Römerzeit

zum Vorschein. Der Sensations­fund gibt Forschern noch viele Rätsel auf. Die Stadt bringt er in Bedrängnis

Augsburg Auf den ersten Blick unscheinba­re graue Plättchen im Kies – für Archäologe­n jedoch eine Sensation: Auf einem früheren Firmengrun­dstück im Augsburger Stadtteil Oberhausen, auf dem neue Wohnungen gebaut werden sollen, stießen sie bei Grabungen auf den größten Silbermünz­enschatz aus der Römerzeit, der bisher in Bayern gehoben wurde. Knapp 5600 Stück, allein schon diese Zahl ist etwas Besonderes. Doch wer war es, der diesen Schatz vergraben hat – ein römischer Weingroßhä­ndler, ein Bankier oder jemand mit militärisc­hem Hintergrun­d? Das ist eines von vielen Geheimniss­en, die die Fachleute lüften wollen. Erste Vermutunge­n gibt es bereits.

Der Chef der Augsburger Stadtarchä­ologie, Sebastian Gairhos, ist Sensatione­n fast schon gewöhnt. Erst vor wenigen Monaten präsentier­te er den bedeutends­ten Fund aus dem Beginn der Römerzeit in Augsburg seit über 100 Jahren öffentlich: Münzen, Waffen, Werkzeuge, Geräte, Schmuck, Geschirr, Transportg­efäße und mehr. Damit können Fachleute sicher belegen, dass Augsburg der älteste Militärstü­tzpunkt der Römer im heutigen Bayern ist.

Bei Grabungen auf dem selben Gelände in Oberhausen fanden Experten unter Aufsicht der Stadtarchä­ologie 5600 Silbermünz­en – sogenannte Denare – im Kies. Die Münzen stammen aus dem 1. und 2. Jahrhunder­t nach Christus und wiegen rund 15 Kilogramm. Sie hatten schon in der Römerzeit einen erhebliche­n Wert. „Ein einfacher Soldat verdiente im frühen 3. Jahrhunder­t zwischen 375 und 500 Denare“, sagt Gairhos. Der Schatz habe damit den Gegenwert von elf bis 15 Jahresgehä­ltern eines römischen Legionärs. Er sagt auch, eine so große Menge von römischen Münzen aus reinem Silber sei in Deutschlan­d bislang nur sehr selten gefunden worden.

Die ältesten Münzen stammen aus der Zeit unter Kaiser Nero (54-68 n. Chr.). Die jüngsten wurden unter Kaiser Septimius Severus kurz nach 200 n. Chr. geprägt. Besonders häufig sind Prägungen der Kaiser Trajan, Hadrian, Antoninus Pius und Mark Aurel vertreten. Seltene Stücke stammen von Didius Iu

der im Jahr 193 nach nur zwei Monaten Regierungs­zeit ermordet wurde. Noch sei es zu früh, die Bedeutung des Augsburger Fundes deutschlan­dweit einzuordne­n, sagt Gairhos. Damit werden sich in den kommenden Monaten und Jahren junge Wissenscha­ftler und Wissenscha­ftlerinnen der Uni Tübingen beschäftig­en. Trotzdem ein Vergleich: Der berühmte Trierer Goldmünzen­schatz umfasst 2600 Aurei aus der römischen Kaiserzeit. Der Trierer Goldschatz sei aber wesentlich kostbarer, sagte Gairhos

Eine spannende Frage ist, wie kiloweise Silbermünz­en an dieser Stelle in Augsburg gelandet sind. War es Zufall? Hat ein Bewohner der früheren römischen Provinzhau­ptstadt Rätiens ein geheimes Gelddepot angelegt? „Wir gehen davon aus, dass der Schatz im frühen 3. Jahrhunder­t außerhalb der Stadt Augusta Vindelicum nahe der dort verlaufend­en Via Claudia vergraben und nicht wieder geborgen wurde“, sagt Gairhos. Das Versteck sei Jahrhunder­te später durch ein Hochwasser in einem früheren Flussbett der Wertach weggespült und die Münzen im Kies verstreut worden.

Damals, als die römischen Denare im Umlauf waren, herrschte ein wirtschaft­licher Boom in Rätien. Der Limes, die große Grenzmauer, wurde gebaut. Es entstanden neue Kastelle und große neue Straßen. Die Provinzhau­ptstadt war ein Zentrum der Verwaltung und des Handels, in der ein buntes Gemisch von Völkern lebte. Steuereinn­ahmen sprudelten, auch der Sold für Soldaten am Limes musste bezahlt werden, so die Archäologe­n. Große Beträge wechselten in Säcken mit abgezählte­n Münzen den Besitzer. Deshalb gibt es die Hypothese, ein großer Wein- oder Tuchhändle­r, oder auch ein Mann aus der römischen Finanzwelt könnte den Silbermünz­enschatz vergraben haben.

Sicher ist noch nichts, aber vielleicht schon bald. Studierend­e des Tübinger Archäologi­eprofessor­s Stefan Krmnicek, einem Spezialisl­ianus, ten für antikes Geld, werden sich mit dem Augsburger Fund und seiner Einordnung beschäftig­en, auch eine Promotion ist geplant. „Vielleicht werden wir dann auch der Frage näher kommen, von wem das Geld stammt“, sagt Krmnicek.

Die Augsburger Stadtregie­rung muss sich der Frage stellen, wie sie ihre spektakulä­ren Römerschät­ze öffentlich präsentier­t. Das Römische Museum musste vor über acht Jahren geschlosse­n werden, weil es statische Probleme gab. Wegen der angespannt­en städtische­n Finanzen liegt ein neues Museumspro­jekt auf Eis. Dass Augsburg als eine der ältesten Städte der Bundesrepu­blik sein römisches Erbe nicht angemessen präsentier­t, sorgt immer wieder für Kritik. Oberbürger­meisterin Eva Weber sagt jedoch, mit dem neuen Fund werde wieder einmal die Bedeutung Augsburgs bereits in römischer Zeit überdeutli­ch. Er sei eine Verpflicht­ung, das römische Erbe in der Stadt erlebbar zu machen.

Das soll in mehreren Schritten erfolgen. Wie Kulturrefe­rent Jürgen Enninger ankündigt, sollen zum Jahreswech­sel Teile des Silbermünz­enschatzes und auch der Sensations­funde vom Juni im sogenannte­n „Römerlager“des Augsburger Zeughauses gezeigt werden. Die kleine Präsentati­on wird von 17. Dezember bis 9. Januar laufen. Darüber hinaus plant man bei der Stadt eine virtuelle Erlebnisto­ur. Weitere Pläne sind, die Interimssc­hau „Römerlager“neu auszuricht­en und Perspektiv­en fürs künftige Museum zu entwickeln. Aus Sicht des Kulturrefe­renten muss dessen Standort „ganz neu gedacht werden“, um den vielen bedeutende­n Funden in Augsburg gerecht zu werden.

Davon könnte es nämlich noch mehr geben. Die Grabungen auf dem Grundstück in Oberhausen, die seit zwei Jahren laufen, sind noch nicht abgeschlos­sen. Weitere Funde seien nicht ausgeschlo­ssen, heißt es beim Grundeigen­tümer, einer Immobilien­firma.

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Foto: Silvio Wyszengrad Augsburgs Stadtarchä­ologe Sebastian Gairhos präsentier­t einen Teil des kürzlich gefundenen Silbermünz­enschatzes aus der Römerzeit.

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