Die flimmernde, schillernde Kunst der Linie
Ausstellung Früher spannte der Neu-ulmer Heinz-dieter Zimmermann seine Werke aus Schnüren – heute schafft
er diese Kunst am Computer. Neue Werke zeigt er nun im Museum für bildende Kunst in Oberfahlheim
Oberfahlheim Heinz-dieter Zimmermann bleibt seiner Linie treu. Wortwörtlich. Denn seit Jahren zieht er Hunderte, Tausende Linien und formt aus ihnen Kunstobjekte, mal Abstraktes, mal konkrete Motive. Der 76-jährige Neu-ulmer erzählt die Geschichte, die in dieser Technik steckt: Der Einfall sei ihm gekommen, als er einmal Gegenstände einschnürte. Er wickelte und wickelte Fäden – dabei fiel ihm auf, wie Linien plötzlich Form und Gestalt annehmen. In ihrer Vielzahl können schmale, eindimensionale Linien etwas Dreidimensionales, Dynamisches, Schillerndes bilden. Die Begeisterung für die Linie spürt Zimmermann bis heute. Aber etwas hat sich verändert: Jetzt formt er diese Werke nicht mehr aus Schnüren, – sondern am Computer. Und diese digitalen Entwürfe druckt er auf Acrylplatten. Wie lebendig das wirkt, ist nun im Museum für bildende Kunst in Oberfahlheim zu sehen.
Zimmermann, geboren 1945 in Hotzenplotz, ist gelernter Druckermeister. Sein Wissen über Techniken und Druckgrafiken gab er auch schon als Lehrer weiter, doch seit 2005 ist er freischaffender Künstler und zeigt seine Werke immer wieder in Ausstellungen in ganz Süddeutschland. Ölmalerei, Modellkunst, Kunst aus Schnüren – in seinem Atelier entsteht Vielfalt. Bis hin zu digitaler Kunst: „Vier Jahre lang habe ich ganz analog mit Fäden gearbeitet, seit einem halben Jahr nur noch am Computer.“
Die Frage, die ihn dazu trieb: „Wie bekomme ich mehr Formmöglichkeiten?“Denn so eine Schnur bleibt, wenn man sie spannt, nun einmal schnurgerade. Kurve undenkbar. Biegen, stapeln und kreuzen sich aber die Linien, so entfalten sie einen 3D-effekt, eine Dynamik. „Interferenzen“nennt der Neu-ulmer seine Ausstellung im Landkreis
Kunstmuseum. Um dieses Prinzip zu verstehen, braucht es aber kein Grafiker-diplom. Da genügt ein Blick in die Natur: Wenn sich Wellen im Wasser treffen, wenn zum Beispiel zwei Steine dicht beieinander in einen See plumpsen, oder wenn Regen auf eine Pfütze prasselt, dann schneiden sich die Kringel. Dann werfen sie neue Muster, Raster und Bahnen. Genau daraus schöpft Heinz-dieter Zimmermann Fantasie.
Seine flimmernden Werke, die ein irritierendes Spiel mit dem Auge des Betrachters treiben, bestehen aus gestapelten Schichten. Kreuzende, schneidende, schlängelnde Linien übereinander, dazu vereinzelte Farbflächen, alles auf Acrylplatten gedruckt. Die Motive? Eine Alpeni
mit Bergblick und Hausdächern hängt neben der Urlaubsszene am Wasser, dazu gesellt sich ein Zimmermann-selbstporträt. Zwei Esel hat er auf der Marokko-reise abgelichtet, solche Fotos greift er sich als direkte Vorlage für Linienbilder. Diese sind dann nicht fotografisch scharf, aber noch lebendiger als das Original. Szene aus dem Theater Ulm: Tänzer biegen sich, Kleider flattern, und schreitet man vorbei an dieser Impression, setzt sich das Bild scheinbar in Bewegung.
Mal zieht Zimmermann seine Linien konkret, mal abstrakt. „Aber abstrakte Arbeiten sind sehr schwer“, findet er. Denn da ist die Freiheit der Linie, wohin sie führen soll, am größten. Farben wählt er aber immer kräftig: Grün, Violett, Blau, mit expressionistischer Chuzpe, so schimmern die Werke. „Da entstehen beim Überschneiden auch Zwischentöne“, erklärt er, „wie bei der Ölmalerei“. Der stärkste Effekt stellt sich jedoch im Kontrast von Gelb und Schwarz ein. Am Computer fühlt sich der Neu-ulmer freier, flexibler, auch im Farbton. „Da habe ich die unendliche Wahl.“
Tausende Linien habe er mit der Hand gezogen – oder besser gesagt mit der Maus. Er zeichnet frei am Bildschirm und zupft und schiebt so lange, bis es flirrt. Mehr als 600 Megabyte groß ist so eine Entwurfs-datei eines Werks. Die Bilder sind reproduzierbar, aber die Auflage beschränkt Zimmermann. Eine Spezidylle aldruckerei druckt seine Objekte und die Herstellung ist nicht gerade günstig. Da beeindrucken auch gerade die großen, länglich-säulenartigen Linien-skulpturen, die er im Museum präsentiert. Zum dritten Mal stellt Heinz-dieter Zimmermann seine Werke in den Räumen des Kunstmuseums Oberfahlheim aus. Was er hier präsentiert, ist feinste Arbeit am Effekt. Aber eines erspart er sich dann doch: „Ich habe mir nie die Mühe gemacht zu zählen, wie viele Linien es insgesamt sind, in meinem gesamten Werk.“
Info Die Ausstellung „Interferenzen“ist bis zum 6. Februar 2022 im Mu seum für bildende Kunst des Landkreises Neuulm zu sehen.