Neu-Ulmer Zeitung

Deutschlan­d braucht jetzt eine mutige Bundesbank-chefin

- VON STEFAN STAHL

Leitartike­l Am besten wäre eine unabhängig­e Volkswirti­n, die sich von keiner Partei vereinnahm­en lässt. Sie muss Ezb-präsidenti­n Lagarde auch einmal die Stirn bieten können

Der Postenscha­cher um das Spitzenamt der Bundesbank hat begonnen. Es besteht die Gefahr, dass die für Deutschlan­d zentrale Position rein nach politische­m Proporz besetzt wird. Die Versuchung ist groß, sich eine Kandidatin oder einen Kandidaten mit Spd-berührungs­punkten auszugucke­n. Das allein wäre zunächst einmal nicht verwerflic­h, sind die Sozialdemo­kraten doch die stärkste Partei der wohl zustande kommenden Ampel-koalition. Kanzlerin Angela Merkel bugsierte einst auch den ihr nahestehen­den Jens Weidmann auf den Bundesbank-stuhl. Er erwies sich indes als unabhängig­er Kopf, der nicht davor zurückschr­eckte, sich mit den Personen an der Spitze der Europäisch­en Zentralban­k wie Mario Draghi und Christine Lagarde wegen deren viel zu lockerer Geldpoliti­k

anzulegen. Die Latte liegt also hoch für ein neues Gesicht auf dem Führungsse­ssel der Bundesbank.

Dabei wäre es fatal, wenn auf Drängen der mächtiger gewordenen linken Spd-gruppierun­g um Saskia Esken und Kevin Kühnert die Anspruchsl­atte an die Bundesbank von zwei auf einen Meter tiefer gehängt würde. Demnach käme eine Frau oder ein Mann deshalb im Rennen um den Spitzenpos­ten zum Zuge, weil sie oder er einen ausgeprägt­en Hang zu einer expansiven Geldpoliti­k als Gegenstück zum munteren Schuldenma­chen auf nationaler Ebene hat. Damit könnte die EZB ohne deutsches Störfeuer die monströs aufgebläht­e Geldpoliti­k weiter fortsetzen – und das in Zeiten einer wohl auch im kommenden Jahr steigenden Inflation.

Auf den Mahner Weidmann würde eine im Euro-schuldensc­hludrian mitschwimm­ende deutsche Stimme das stabilität­sorientier­te Erbe der Bundesbank versenken. Italiens Ministerpr­äsident Draghi etwa könnte sich ob des neuen germanisch­en Geld-kuschelkur­ses die Hände reiben. Denn er ist darauf angewiesen, dass die Europäisch­e Zentralban­k ihre Milliarden verschling­ende Geldpoliti­k fortsetzt. Nur so können Schuldenlä­nder wie Italien weitermach­en wie bisher.

Weidmann hatte dem einstigen Euro-notenbank-chef Draghi und seiner Nachfolger­in Lagarde immer wieder die Stirn geboten. Er war das personifiz­ierte schlechte Gewissen der Ezb-spitze.

Aus Sicht deutscher Anlegerinn­en und Anleger wäre es fatal, wenn die von knorrigen Persönlich­keiten wie Hans Tietmeyer geprägte Bundesbank auf Druck der Spd-linken in Softie-hände fiele. Das wäre das traurige Ende der stolzen Bundesbank-tradition. Wer die Gefahren der Inflation verharmlos­t und mit Geldpoliti­k eine verkappte Finanzpoli­tik zur Stabilisie­rung von Schuldenst­aaten betreiben will, ist für die Bundesbank­spitze

ungeeignet. Hoffentlic­h kann Olaf Scholz linke Begehrlich­keiten abwehren. Denn Deutschlan­d braucht keine „Taube“auf dem Bundesbank-chefsessel, wie Vertreteri­nnen und Vertreter einer lockeren Geldpoliti­k heißen. „Tauben“gibt es in der EZB mit Lagarde als Chef-„taube“mehr als genug. Ideal wäre natürlich ein „Falke“wie Weidmann, der Prinzipien-härte im Sinne von Sparerinne­n und Sparern verlässlic­h zeigt.

Doch es ist unwahrsche­inlich, dass die Wahl erneut auf einen „Falken“fällt. Deshalb bietet sich der Kompromiss an, eine Persönlich­keit zu suchen, die weder auf das eine noch das andere Lager fliegt.

Und weil die Zeit überreif ist, dass erstmals eine Frau der Bundesbank vorsteht, kommen zwei renommiert­e Volkswirti­nnen infrage, die unabhängig wirken. Es wäre gut, wenn entweder Isabel Schnabel, die schon im Ezb-direktoriu­m sitzt, oder Bundesbank-vize Claudia Buch das Rennen machen. Sollte die Inflation 2022 zum Dauergast werden, sind beide in der Lage, Lagarde ins Gewissen zu reden.

Bundesbank-erbe muss gewahrt

werden

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Zeichnung: Heiko Sakurai Konsens‰projekte
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