Die Paketflut steigt
Logistik Im vergangenen Jahr hat die Post vor Weihnachten mehr Päckchen transportiert, als sie selbst für möglich hielt.
Der Rekord könnte heuer wieder wackeln – wenn die Lieferprobleme den Händlern nicht das Geschäft verderben
Bonn 61,3 Millionen Pakete hat die Deutsche Post DHL vom 14. bis zum 19. Dezember 2020 transportiert – so viel wie noch nie in einer Woche. „Das waren zehn Prozent mehr als das, was wir damals für unsere maximale Kapazität hielten“, erinnert sich der für Post und Paket Deutschland zuständige Vorstand Tobias Meyer. Damals wurden stationäre Läden Mitte Dezember wegen Corona geschlossen, die Onlinebestellungen schnellten in die Höhe. 2021 dürften sich die Schließungen im Einzelhandel nicht wiederholen – auch deshalb rechnet das Unternehmen im diesjährigen Weihnachtsgeschäft nicht mit großen Sprüngen bei den Paketmengen.
Nachdem es im vierten Quartal 2020 ein enorm starkes Plus von fast einem Viertel (plus 23,3 Prozent) gegeben habe, werde man das hohe Vorjahresniveau halten und möglicherweise leicht übertreffen, sagt Meyer. „Wir erwarten wieder ein sehr starkes Weihnachtsgeschäft, das aber nicht in der außergewöhnlichen Situation stattfindet wie 2020.“Unter Wettbewerbern gibt es eine ähnliche Zurückhaltung. Das Vorjahr sei so stark gewesen, dass ein Vergleich dazu jetzt schwierig sei, sagt ein Branchenexperte, der namentlich nicht genannt werden will.
Dhl-konkurrent Hermes allerdings legte unlängst eine erstaunlich optimistische Prognose vor: Die Firma schätzt, dass ihre Fahrzeuge in Deutschland im vierten Quartal neun Prozent mehr Sendungen transportieren als im Vorjahreszeitraum. Das ist zwar weniger als das 20-Prozentplus vor einem Jahr, wäre aber dennoch ein sehr guter Wert. Post-konzernvorstand Meyer verweist auf Unwägbarkeiten, die eine Prognose in diesem Jahr erschweren. So haben einige Elektronikhersteller wegen globaler Halbleiter-engpässe Lieferprobleme – es könnte also sein, dass weniger Elektronik-pakete bei DHL aufgegeben werden.
Doch wie geht es langfristig weiter? Verpufft der Corona-effekt in der Paketbranche und die Nachfrage sinkt, weil die Menschen wieder mehr vor Ort einkaufen und weniger im Netz? Davon geht der Manager nicht aus. „Die Lockdowns in Summe haben in gewissen Segmenten eine nachhaltige Veränderung des Konsumverhaltens bewirkt“, sagt er. Dies betreffe Dinge des täglichen Bedarfs, zum Beispiel Arzneimittel und Tierfutter. Diese Nachfrage bleibe hoch und werde weiter wachsen. Bei „Impulskäufen“etwa von Mode sei die Nachfrage in Lockdownzeiten und generell bei hohen
Inzidenzen zwar deutlich gestiegen – so ein Mengenplus sei aber nur temporär.
Für das erste Quartal 2022 geht Meyer von einem ähnlich hohen Sendungsniveau wie Anfang dieses Jahres oder sogar von einem leichten Minus aus, weil Lockdown-effekte im ersten Quartal 2021 sehr stark gewesen seien. „Wir sind aber weiterhin davon überzeugt, dass es auch zukünftig ein nachhaltiges Wachstum geben wird.“Corona hat aus Sicht der Post den Trend zum Online-shopping so deutlich verstärkt, dass das zuvor übliche Paketmengenwachstum von jährlich fünf bis siebern Prozent binnen eines Jahres auf etwa 20 Prozent hochgeschnellt ist – ohne die temporären Effekte der Lockdown-spontankäufe.
Selbst wenn die Bonner keine Rekordmengen im diesjährigen Weihnachtsgeschäft verbuchen, große Sendungsmassen werden es dennoch sein, die sie befördern. Im Jahresendquartal 2020 trugen die gelben Paketboten fast 500 Millionen Sendungen aus. Damit es reibungslos läuft, setzt der Konzern wieder auf mehr Personal und mehr Transporter: Im diesjährigen Weihnachtsgeschäft kommen etwa 10000 Aushilfskräfte zum Einsatz und damit etwa gleich viele wie 2020. Insgesamt stehen damit mehr Arbeitskräfte für die Bewältigung der Paketmassen bereit, denn in diesem Jahr wurden circa 7000 neue Vollzeitstellen im Paketbereich geschaffen. Und: Neben dem normalen Fuhrpark sind in den nächsten zwei Monaten 13000 zusätzliche Fahrzeuge für die Deutsche Post DHL im Transport und bei der Zustellung im Inland unterwegs.
Ein zentrales Thema in der Logistikbranche ist der Co2-ausstoß: Auch um Kritik am hohen Verkehrsaufkommen in Innenstädten zu begegnen, setzen die Post und ihre Wettbewerber verstärkt auf Elektrofahrzeuge. In Sachen Nachhaltigkeit sei man deutlich vorangekommen, sagt Meyer. So nutze man inzwischen wesentlich mehr elektrische Lastenräder und Elektrotransporter als ein Jahr zuvor.
Angesichts der hohen Sendungsmengen in der Weihnachtszeit raten die Paketdienstleister den Verbrauchern, Pakete möglichst frühzeitig aufzugeben. Damit ein Geschenk innerhalb Deutschlands noch rechtzeitig unter dem Weihnachtsbaum liegt, sollte es spätestens am 20. Dezember abgegeben werden – das empfehlen die Deutsche Post und Hermes. Wolf von Dewitz, dpa