Die verdächtigen Lerngruppen der Testgegner
Bildung In Schwaben wurden zuletzt mehrere Einrichtungen überprüft, in denen Kinder von Kritikern und Kritikerinnen der Corona-maßnahmen gemeinsam lernen. Illegal oder nicht? Wie schwer das herauszufinden ist, zeigt ein Fall aus Günzburg
Augsburg/trunkelsberg Gegen die illegale „Querdenker“-schule im Landkreis Rosenheim ermittelt inzwischen der Verfassungsschutz. Die Schule, die im September aufgeflogen war, hatten rund 50 Kinder aus Familien besucht, die die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus an Schulen ablehnen. Solche Familien gibt es auch in Schwaben. Wie Recherchen unserer Redaktion ergaben, fanden auch hier zuletzt mehrere Überprüfungen privater Lerngruppen statt – allein drei im Unterallgäu, einem Landkreis mit unterdurchschnittlicher Impfquote, in dem auch von Demonstrationen bekannte Covid-skeptikerinnen und -skeptiker beheimatet sind.
Das Schulamt Unterallgäu um Leiter Bertram Hörtensteiner überprüfte jüngst drei privat initiierte Lerngruppen von Familien, die die Testpflicht an staatlichen Schulen verweigern, etwa im Bad Wörishofener Ortsteil Stockheim, wo eine Gruppe Grundschulkinder mit den Eltern lernte. Gegenüber unserer Redaktion betont die Gruppe, „in engstem Austausch mit Schul- und Klassenleitung“ihrer Kinder zu stehen, Unterrichtsmaterialien würden zur Bewertung stets an die Schule zurückgegeben.
Die wohl aufsehenerregendste Kontrolle fand in Breitenbrunn nahe Pfaffenhausen statt: Dort begleitete die Polizei mit mehreren Streifenwagen den Ortsbesuch. Die Lerngruppe traf oder trifft sich dort in einer ehemaligen Molkerei, die privat bewohnt ist. Hinweise, dass illegal unterrichtet wird, ergaben sich den Angaben zufolge in beiden Fällen bisher nicht.
Es ist jedoch kein Geheimnis, dass einzelne Bewohnerinnen und Bewohner Breitenbrunns dem Gedankengut der „Querdenker“nahestehen. Nach Informationen unserer Redaktion hatte eine Frau aus Breitenbrunn dieses Jahr die Gründung einer privaten Ersatzschule bei der Regierung von Schwaben beantragt. Der bürokratische Aufwand für solche alternativen Schulen ist hoch, am Ende wurde der Antrag zurückgezogen. Die Frau richtete in Mindelheim Demonstrationen für
„Grundrechte, Freiheit und Selbstbestimmung“aus und trat selbst bereits als Rednerin gegen die Maskenpflicht an Schulen auf.
Grundlage für einen unangekündigten Lerngruppen-besuch sind Hinweise aus der Bevölkerung oder direkt von den Schulen. Eine weitere Lerngruppe wurde in Trunkelsberg bei Memmingerberg überprüft. „Dort trafen wir auf etwa neun Kinder aus mindestens drei Schulen, mit Unterrichtsmaterialien vor sich auf dem Tisch, dazu eine erwachsene Person an einem transportablen Whiteboard mit schulischen Notationen“, berichtet der Chef des Schulamts. „Im Gespräch ergaben sich aber keine zwingenden
Hinweise darauf, dass dort ein regulärer Ersatzschulbetrieb stattfand.“
Illegal oder nicht? Tatsächlich ist das für die Behörden nur schwer nachzuverfolgen. Rechtlich spricht nichts dagegen, dass Eltern, die ihre Kinder aufgrund von Test- und Maskenpflicht an Schulen nicht in den Unterricht schicken, eine Lerngruppe organisieren. Denn bislang sind entsprechende Vorbehalte ein legitimer Grund, dem Unterricht im Klassenzimmer fernzubleiben. Schülerinnen und Schüler werden dann von den Lehrkräften mit Material zum Zuhauselernen versorgt.
Die Lerngruppe in Trunkelsberg, die sich im Schützenheim trifft und nach dem unangekündigten Besuch auf unsere Redaktion zugekommen war, bezeichnet sich als „privates Zusammentreffen zur Erhaltung der sozialen Kontakte der Kinder und zum Bearbeiten der bereitgestellten Homeschooling-unterlagen“.
Ein illegaler Schulbetrieb jedoch läge etwa dann vor, wenn eine Person – möglicherweise sogar mit fachlicher Qualifikation – Kinder dort gegen Bezahlung unterrichten würde. So wie in der Schule im Kreis Rosenheim, die von einer verbeamteten Grund- und Mittelschullehrerin heimlich gegründet worden war. Bei ihrem Dienstherrn hatte sich die Frau krankgemeldet.
Das Problem: Die Schulämter müssen sich auf das verlassen, was die Lerngruppen ihnen sagen. „Bei solchen niederschwelligen Überprüfungen kommt es darauf an, die Eltern möglichst von einem Schulbesuch zu überzeugen“, sagt Hörtensteiner. „Es geht nicht darum, sich Zutritt zu den Räumen zu verschaffen. Anklopfen, nachfragen, ins Gespräch kommen: Das hat in allen drei Fällen geklappt, mal mehr und mal weniger informativ.“Die Erkenntnisse aus solchen Besuchen geben die Schulämter an die Regierung von Schwaben weiter, wo über das weitere Vorgehen entschieden wird. „Uns erreichen immer wieder Hinweise, dass irgendwo ein nicht genehmigter Privatschulbetrieb stattfinden könnte“, sagt deren Sprecher Karl-heinz Meyer. Bei konkreten Verdachtsfällen schaut das Schulamt vorbei. Im Unterallgäu habe man nach den Hausbesuchen „keine belastbaren Informationen“, dass ein nicht genehmigter Schulbetrieb abgehalten wird. Auszuschließen sei so etwas aber nicht.
Wie schwer die Ermittlungen sind, zeigt sich gerade im Kreis Günzburg. „Wir haben Hinweise darauf, dass es im Landkreis Günzburg eine solche Lerngruppe gibt“, sagt Schulamtsleiter Thomas Schulze. Das Problem: „Wir wissen nicht wo und wir wissen nicht, welchen Institutionalisierungsgrad diese Gruppe hat.“Man sei aber „massiv“beschäftigt, das herauszufinden.
Für die Zeit nach Allerheiligen hat das Kultusministerium eine neue Maßnahme aufgelegt. Ab 6. November haben Schülerinnen und Schüler, die einen Test ohne ersichtlichen Grund verweigern, keinen Anspruch mehr auf Distanzunterricht. Sie gelten als Schwänzer. Das kann mit einem Bußgeld zwischen fünf und 1000 Euro pro Tag geahndet werden. Natürlich hofft man, dass das so viele Eltern wie möglich zur Einsicht bringt. Dass Hardcoretestgegner dadurch umdenken, bezweifeln sowohl Schulze als auch Hörtensteiner: „Es ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass Eltern, die sich derzeit massiv gegen die Corona-regeln an Schulen verwehren, ihre Kinder nach den Allerheiligenferien wieder in den Unterricht schicken werden.“Solche Fälle enden dann im schlimmsten Fall vor Gericht. »Kommentar