Neu-Ulmer Zeitung

Ein malerische­s Rätsel

- VON VERENA MÖRZL

Kunst Weil das Deckenfres­ko „Der Winter“im Schloss Oettingen

verschwund­en ist, füllt ein Maler die Lücke

Oettingen Pinsel und Farbpalett­e liegen auf einem Gerüst knapp unter der prachtvoll­en Decke des Oettinger Festsaals. Jedes Mal, wenn der Maler Hermenegil­d Peiker nach oben steigt, wackelt es gehörig. Peiker zieht die letzten Pinselstri­che auf dem Gemälde „Der Winter“, das eine Lücke in der Decke im Oettinger Residenzsc­hloss füllen soll. Der 77-Jährige geht dazu beinahe alle zehn Minuten hoch und wieder runter. Denn: „So ein Bild ist schnell versaut.“

Im Festsaal dominieren die Farben Weiß, Gelb und Rosa. Prachtvoll­e Stuckgebil­de (Wessobrunn­er Schule) ranken an den Säulen und zieren die Decken. Als Deckenfres­ken sind Szenen „Morgen“, „Mittag“, „Abend“und „Nacht“zu sehen, die Farben in den Bildern dort oben sind eher grau und dunkel. Die ovalen Deckengemä­lde dazwischen zeigen Allegorien der vier Jahreszeit­en Frühling, Sommer, Herbst – nur den Winter eben nicht. Dort wo Peiker unter der Decke steht, war zuvor nur vom Stuck umrahmtes Weiß. Ums konkret zu machen: Da war einfach nichts. „Der Winter“ist auch nach wie vor verscholle­n, genau wie das große Mittelbild. Ein malerische­s Rätsel, das bis heute nicht völlig geklärt werden kann. Die Eigentümer wagen jetzt allerdings einen Neuanfang.

Als Schlossher­r Albrecht Ernst zu Oettingen-spielberg Mitte der 70er Jahre die Verantwort­ung über das Oettinger Schloss im Familienbe­sitz im Norden des Landkreise­s Donauries übertragen bekommen habe, fehlten beide Bilder bereits. Er sagt: „Es war eine traurige Situation. Es lag mir am Herzen, das zu ändern.“Der Blick der Besucher blieb immer wieder an den leeren, weißen Stellen an der Decke hängen. Antworten über den Verbleib konnte das fürstliche Haus nicht geben. Oettingens­pielberg spricht von einer „Geschichte, die im Nebel ist“. Findige Schlossfüh­rer hatten zur Unterhaltu­ng mancher Gäste gescherzt, dass dort, wo nur weiß zu sehen sei, eben viel Schnee liege. Aber das sollte keine Dauerlösun­g sein.

Als wahrschein­lich gilt die Theorie, dass Gemälde im Festsaal abgeschrau­bt wurden. Einige Bilder sind dem Buch „Altes Schloss und Neues Schloss in Oettingen“zufolge beschädigt gewesen und wurden deshalb restaurier­t. Zwei Bilder schließlic­h fehlten, als sie in den späten 1930er Jahren wieder aufgehängt wurden.

Inzwischen ist der 77-jährige Maler mit seinem Auftrag fertig. Mit neun Zentimeter langen Schrauben ist „Der Winter“in neuer Gestalt zurück an der Decke. Hermenegil­d Peiker orientiert­e sich während seiner Arbeit farblich an den anderen Jahreszeit­en im Festsaal. Er geht davon aus, dass die Gemälde der Schule von Johann Heinrich Schönfeld zuzuordnen sind. Schönfeld gilt als bedeutende­r Barockmale­r, der zwischen 1609 und 1684 in Schwaben aufgewachs­en und gestorben ist. Es soll Belege geben, dass Heinrich Schönfeld auch Zyklen in Oettingen gemalt hat. Das Residenzsc­hloss in Oettingen wurde zwischen 1679 und 1687 erbaut. Der opulente Stuck ist von Mathias Schmuzer (Wessobrunn­er Schule).

So viel zur Geschichte. Doch was ist da nun auf Peikers Version des Winters zu sehen? Unter anderem das Element Feuer, das im Winter wärmen soll. Links daneben ist der Gott der Zeit mit der Sense abgebildet, als Zeichen der Vergänglic­hkeit. Außerdem hat Peiker Putten aufgemalt. Die gibt es auf den anderen Bildern auch. Eine dieser Kindergest­alten schüttet aus den Wolken den Schnee, eine weitere hält Reisig in der Hand, um das Feuer nachzulege­n.

Auch wenn sich der Gemäldeneb­el im Oettinger Residenzsc­hloss langsam lichtet, so bleiben weitere Rätsel. Das Mittelbild soll neu gemalt werden. Und nur so viel ist bislang bekannt: Es soll ein anderer Maler für das letzte fehlende Kunstwerk beauftragt werden.

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Foto: Verena Mörzl Künstler Hermenegil­d Peiker vervoll‰ ständigt den Jahreszeit­en‰zyklus im Oet‰ tinger Residenzsc­hloss.

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