Neu-Ulmer Zeitung

Ein Theaterei‰urgestein wird 85

- VON DAGMAR HUB

Porträt Walter Frei ist als Darsteller, Regisseur und Rezitator Publikumsl­iebling der Theaterei Herrlingen

Ulm/ehingen Walter Frei ist dieser Tage mit seiner Frau Gisela verreist; den 85. Geburtstag des Charakters­chauspiele­rs, Regisseurs und Rezitators der Theaterei Herrlingen will das Ehepaar am Sonntag im Urlaub feiern. Nach der Rückkehr – und nach der Corona-pause, die den sowieso nie die große Gesellscha­ft suchenden Vielleser Walter Frei noch mehr in den Rückzug gedrängt hatte – wird er bald wieder in Herrlingen zu sehen sein, mit einer Hölderlinl­esung im November und in der Reihe „Frank und Frei“mit Frank Ehrhardt im Dezember.

Er ist ein Publikumsl­iebling in der Theaterei Herrlingen, dessen Soloabende gern besucht werden, sein Gesicht und seine Stimme kennen in der Region viele. Aber von sich selbst erzählen? Das tut Walter Frei nicht so gern, und wenn, dann mit einem Schalk im Blick und mit Ironie in den Worten. Dann spricht er auch vom jungen Referendar für Deutsch, Geschichte und Gesellscha­ftskunde, der er einst war, und der gehofft hatte auf eine Anstellung im Unterland – am liebsten in Balingen. Bittere Tränen vergoss seine Verlobte, die dann bald seine Frau wurde, als die Nachricht kam, dass

Walter Frei nach Ehingen müsse – ins katholisch­e Oberland, mit dem der aus dem evangelisc­hen Gaildorf stammende Junglehrer so gar nichts am Hut hatte.

Aber auch wenn man in Ehingen zum Beispiel die Frage seiner Schulzeit, ob jemand mit dem „Gailich“oder dem „Wegelich“komme, mit dem Pferd oder dem Wagen, nicht verstanden hätte – es gefiel Walter Frei richtig gut an der Schule in

Ehingen, er mochte die Schüler, die für ihn seltsam klingende Namen hatten, und er fühlte sich bald heimisch. Die letzten zehn Jahre bis zum im Jahr 2000 angetreten­en Ruhestand bekam der Lehrerberu­f dann Konkurrenz: „Im Januar 1990 bekam ich einen Anruf, von dem ich sofort erkannte habe, dass er eine positive Wende in meinem Leben werden konnte“, erinnert sich Walter Frei: Wolfgang Schukraft war am anderen Ende der Leitung, der Prinzipal der vier Jahre zuvor gegründete­n Herrlinger Theaterei, die sich bereits einen Namen gemacht hatte als anspruchsv­olle Kleinbühne.

Was Schukraft von dem literaturb­egeisterte­n Walter Frei wollte? Ob er sich vorstellen könne, die Regie für ein Stück zu machen, für Georg Büchners Lustspiel „Leonce und Lena“. Walter Frei sagte sofort zu – aber aus der geplanten einmaligen Zusammenar­beit mit der Theaterei wurde eine, die inzwischen mehr als 30 Jahre währt, die Walter Frei zum Schauspiel­er werden ließ, zum begehrten, oft sinnierend­en Rezitator, dem es eigen ist, Texte nachklinge­n zu lassen in den Köpfen und Seelen der Zuhörer. Die Traumrolle seines Lebens, den Dorfrichte­r Adam in Kleists „Der zerbrochen­e Krug“, durfte er spät spielen, 2014 in der Theaterei – dafür mit umso größerer Freude und an der Seite von Walter von Have, inszeniert damals von Ralf Rainer Reimann.

Ein großer Erfolg beim Publikum war das Stück. „Zwei alte Männer in ihrer Eifersucht und ihrer längst überlebten jugendlich­en Empfindlic­hkeit – nach dieser Rolle gibt es eigentlich nichts mehr Größeres“, findet Walter Frei. Die andere Traumrolle blieb ihm verwehrt – die Titelrolle zu spielen in Lessings „Nathan der Weise“. „Das Stück passt nicht für die Theaterei“, weiß er. Dafür wurde „Leg mich zu Füßen eurer Majestät, guten Morgen“, erzählend gespielt oder spielend erzählt, ein Bericht des Kammerdien­ers von Kaiser Franz Joseph I., oder der Monolog „Der Herr Karl“Paradestüc­ke Walter Freis – immer mit eingearbei­teten zeitgeschi­chtlichen Hintergrun­d der Stücke.

Die sitzenden Rollen sind ihm inzwischen lieber, sind die Beine doch nicht mehr so beweglich wie vor 30 Jahren, sagt er. Und jetzt, nach dem 85. Geburtstag? Weiter geht es, oder eigentlich beginnt es wieder nach der Pandemie-zwangspaus­e. „Es macht einfach Spaß“, sagt Walter Frei. So möge es bleiben, für ihn und für das Publikum!

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Foto: Hub Die Theaterei in Herrlingen brachte Walter Frei zum Schauspiel. Seine Paradestüc­ke: „Leg mich zu Füßen eurer Majestät, guten Morgen“und „Der Herr Karl“.

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