„Ich glaube nicht an den Tod“
Carlos Santana gilt als „Gitarrengott“, predigt aber auch im Gespräch – und will als frisch gebackener Opa wieder an die Chart-spitze
und Reggae, sie verstehen unsere Botschaft. In einer Welt voller Korruption, Misstrauen und Ungerechtigkeit wollen wir einen Beitrag des Lichts und der Zuversicht leisten.
Sie bringen seit mehr als 50 Jahren mit Ihrer Musik Licht und Freude. Sind Sie enttäuscht, dass die Menschheit noch nicht weiter ist?
Santana: Nun, der Weg ist lang, das stimmt. Aber die Menschen brauchten auch eine Weile, bis sie verstanden, wie man Feuer macht. Später entdeckten sie dann die Elektrizität und die modernen Kommunikationsmittel und vieles mehr. Wir dürfen die Menschen nicht überfordern, wir müssen mit Liebe und Zuwendung um sie werben. Wenn du betest, meditierst, einfach eine nette Person bist, die gute Dinge tut, dann bist du auf dem richtigen Weg zur Glückseligkeit. Aber niemand kann dich auf diesen Weg zwingen, du suchst ihn dir aus.
Ihr ganz persönlicher kreativer Weg hat Sie von dem Album „Africa Speaks“nun zweieinhalb Jahre später zu „Blessings And Miracles“geführt. Warum haben Sie sich gerade auf diese Reise begeben? Santana: „Africa Speaks“war eine liebevolle Erforschung afrikanischer Rhythmen und Melodien, dargeboten von einigen der großartigsten Sängerinnen und Sängern des Kontinents. Die Intention jener Platte war nicht, den Mainstream zu erreichen. Nun aber wollte ich ein Album machen, auf dem sich die Songs fürs Radio eignen. So wie damals „Supernatural“. Ja, ich will wieder in Ihr kommerzielles Nachmittagsprogramm, das Sie auf dem Heimweg von der Arbeit hören.
Der verstorbene Jazzmusiker Chick Corea ist auf „Angel Choir/
All Together“noch einmal zu hören. Wie kam es dazu?
Santana: Mein Bruder Chick offerierte uns diesen Song. Es ist eine seiner letzten Aufnahmen, bevor er sich auf den Weg in eine andere Dimension machte.
Ist das Ihre Definition vom Tod? Eine andere Dimension?
Santana: Ja. Unsere Energie stirbt nicht, wenn wir die Erde verlassen. Sie geht nur an einen anderen Ort. Einen Ort außerhalb unseres Körpers. Das ist wie der Wechsel auf eine andere Frequenz. Ich glaube nicht an den Tod. Ich glaube an die Veränderung von Energie.
Zwei Songs sind richtig hart. „America For Sale“mit Kirk Hammett von Metallica sowie das von Cory Glover von der Band Living Colour gesungene „Peace Power“.
Santana: Ich liebe harten Rock. Die Musik von Metallica, AC/DC oder Led Zeppelin löst bei mir großes Wohlbefinden aus. Ein Teil von mir will bald ein Album nur mit Liebesballaden rausbringen, der andere Teil wünscht sich eine richtige Heavy-metal-platte mit roher Energie. Inhaltlich handelt „Peace Power“davon, dass alle Farben des Spektrums gleich schön sind und dass Entsetzlichkeiten wie die jahrzehntelange Polizeibrutalität gegen schwarze Menschen ein Ende haben müssen. Der Mensch darf nicht länger des Menschen Feind sein, sondern muss sein Verbündeter werden.
Worum geht es in „America For Sale“?
Santana: Als Amerika kolonialisiert wurde, ist den Einwohnern alles genommen worden. Bestenfalls blieb ihnen ein Leben in Knechtschaft. Heute wiederholt sich die Geschichte mit umgedrehtem Vorzeichen. Der Ausverkauf Amerikas an alle, die Geld haben – ich möchte jetzt keine bestimmten Nationen herauspicken – ist in vollem Gange. Wenn ich die Deutschen um eines bitten darf, dann darum, dass sie niemals ihre heiligen Unternehmen wie Daimler, BMW und Porsche verkaufen. Diese Autos brechen einfach nicht zusammen, ich spreche da aus sehr guter Erfahrung. Überhaupt schätze ich eure Standards, eure Ethik und eure tadellose Integrität sehr.
Vielen Dank. Aber denken Sie als naturverbundener Mensch nicht auch, dass unsere Spezies bald als Ganzes diesen Planeten verlassen muss?
Santana: Das Interessante an diesem Gedanken, den ich in der Tat habe, ist, dass er mich nicht beunruhigt. Die Erde ist ein resilienter Organismus, ich mache mir um sie auf lange Sicht keine Sorgen. Ich ärgere mich über die Arroganz der Menschen und darüber, dass wir denken, wir wären hier unverzichtbar. Sind wir nicht. Wenn morgen kein Mensch mehr übrig wäre, würde es Mutter Natur überhaupt nicht jucken.
Interview: Steffen Rüth