Neu-Ulmer Zeitung

Die Kassenlage der Ampel-parteien ist dünn, aber nicht hoffnungsl­os

- VON CHRISTIAN GRIMM

Leitartike­l SPD, Grüne und FDP wollen den Aufbruch in eine bessere Zeit, der viel Geld

kostet. Dem steht die Schuldenbr­emse im Weg. Doch es gibt einige Hintertürc­hen

Auf der Suche nach den Milliarden, die nicht da sind. Unter diese Überschrif­t könnte man die Koalitions­verhandlun­gen zwischen SPD, Grünen und FDP stellen. Dass die Milliarden nicht da sind, liegt an FDP-CHEF Christian Lindner. Er besteht auf der Schuldenbr­emse und stellt sich gegen höhere Steuern. Lindners Leitmotiv steht im Widerspruc­h zu den großen Plänen der Ampel-koalitionä­re für Deutschlan­d. Bessere Bildung, eine moderne Verwaltung, der wirksame Schutz des Klimas, ein fürsorgend­er Sozialstaa­t – all das wird viel Geld kosten.

Könnten SPD und Grüne allein eine Regierung formen, wäre das Begleichen der Rechnung kein Problem. Sie würden sich das Geld leihen und die Staatsvers­chuldung in die Höhe gehen lassen. Wegen der FDP ist dieser Weg vernagelt, aber es gibt einige Schlupflöc­her. Was häufig untergeht, ist zuerst einmal, dass Schuldenbr­emse und Schwarze Null nicht dasselbe sind. Schwarze Null heißt ein Staatshaus­halt ohne Kredite. Die Schuldenbr­emse erlaubt hingegen in stabilen Zeiten eine Miniversch­uldung von 0,35 Prozent der Wirtschaft­sleistung. Gemessen am Vor-corona-jahr 2019 waren das rund 12 Milliarden Euro. Das ist nicht die Welt, aber ein Anfang.

Hinzu kommen die Einnahmen aus der neuen Co2-steuer. Weil der Preis für die Tonne CO2, die beim Heizen oder Autofahren bis 2025 von jetzt 25 Euro auf 55 Euro steigt, klettern die Einnahmen automatisc­h mit. Das wird Milliarden in die Kasse spülen, die zu großen Teilen an die Bürger über die Abschaffun­g der Ökostromum­lage zurückgege­ben werden sollen. Aber daraus ließen sich auch Klimaschut­zprogramme finanziere­n, zum Beispiel ein neues Programm für Solaranlag­en auf Hausdächer­n. Die Ampel-koalitionä­re können zudem darauf setzen, dass die Steuereinn­ahmen schon dieses Jahr wieder so stark sprudeln wie vor der Pandemie. Zwischen Januar und September wurde das 2019er Niveau erreicht. Wenn Corona im Zaum gehalten werden kann und der Mangel an Computerch­ips behoben ist, der die Industrie lähmt, ist mit starkem Wachstum zu rechnen, das die Einnahmen nach oben treibt. Der Staat könnte seine Investitio­nen dann erheblich steigern, ohne sich verschulde­n zu müssen.

Doch Grüne und SPD (weniger die FDP) wollen ja auch den Sozialstaa­t ausbauen. Hartz IV soll abgeschaff­t und durch ein höheres Bürgergeld ersetzt werden. Die Pflegekass­e wird nach der Reform Zuschüsse aus dem Haushalt brauchen, genau wie die Rentenkass­e. Die Überweisun­g aus dem Bundeshaus­halt zu ihrer Stützung ist schon heute der größte Einzelpost­en des Etats – Tendenz steigend. Die

Mehreinnah­men werden also nicht reichen, um Investitio­nen und den Ausbau des Sozialstaa­tes zu decken.

Bei Grünen und SPD wird deshalb intensiv überlegt, staatliche Unternehme­n wie die Bahn oder die bundeseige­ne Immobilien­anstalt einzuspann­en. Sie könnten Kredite aufnehmen, um den Klimaschut­z zu finanziere­n, die nicht auf das Bundesbudg­et angerechne­t werden. Solche Operatione­n haben den Ruch von Schattenha­ushalten, deshalb arbeitet vor allem Grünenco-chef Robert Habeck daran, die Bewertung von Schulden zu drehen.

Sein Argument geht so und hat etwas für sich: Fließt Geld in Schulen, in das Schienenne­tz und moderne Behörden, haben die Bürger etwas davon. Den Ausgaben steht ein höherer Nutzen gegenüber. Unternehme­n weisen genau das in ihrer Bilanz aus, die nach der doppelten Buchführun­g erstellt wird. Erfunden hat sie der Mönch Luca Pacioli vor 500 Jahren in Italien. Der deutsche Staat wendet sie für sich bis heute nicht an. Eine Regierung des Aufbruchs sollte ein halbes Jahrtausen­d aufholen.

Den Ausgaben steht ein höherer Nutzen

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Zeichnung: Klaus Stuttmann
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