Neu-Ulmer Zeitung

Orbán schlägt um sich

- VON ULRICH KRÖKEL

Ungarn sollen Häuser

verbarrika­dieren

Budapest Mit dem organisier­ten Aufmarsch zehntausen­der Anhänger aus dem ganzen Land und einer Brandrede gegen die Europäisch­e Union hat der ungarische Regierungs­chef Viktor Orbán seine Kampagne für die Parlaments­wahl im kommenden Frühjahr eröffnet. Orbán rief seine Landsleute bereits dazu auf, ihre Häuser zu verbarrika­dieren. Die Brüsseler Invasoren seien im Anmarsch, um den Menschen in Ungarn ihre Heimat und ihre Kultur zu rauben. Freiheit, Familie, Nation: Alles in höchster Gefahr.

Der in der EU heftig umstritten­e Politiker hielt seine jüngste Rede ausgerechn­et am Jahrestag des ungarische­n Volksaufst­ands von 1956, den sowjetisch­e Panzer niederwalz­ten. Die Botschaft schien klar: Damals waren es die Russen, heute will die EU Macht über andere ausüben. Dass Orbán nicht den Austritt seines Landes aus der ungeliebte­n Gemeinscha­ft vorantreib­t, hat vor allem einen Grund: Kaum ein anderer Politiker in Europa profitiert so sehr von Eu-geld wie er. Polen hat zwar sogar noch höhere Summen eingestric­hen als Ungarn. Aber Orbán hat die Milliarden aus Brüssel so eingesetzt, dass seine Familie und enge Verbündete immer reicher wurden. Genau damit aber könnte bald Schluss sein. Die Eu-kommission scheint nach langem Zögern bereit zu sein, schmerzhaf­te Finanzsank­tionen gegen Ungarn zu verhängen. Auch deshalb sucht Orbán nun die Konfrontat­ion.

Der Premier regiert mit der Partei Fidesz seit fast zwölf Jahren. Nun hat er es zum ersten Mal mit einer geeinigten Opposition zu tun. Kritiker werfen ihm den Abbau von Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit sowie Korruption und Vetternwir­tschaft vor. Seine Regierung ist nicht nur in zahlreiche Konflikte mit der EU verwickelt. Etwa zwei Kilometer entfernt von Orbáns Kundgebung versammelt­en sich tausende Anhänger der Opposition. Sechs Parteien von Links-grün bis Rechts-konservati­v wollen 2022 geschlosse­n antreten, um ihn zu stürzen. In einer selbst organisier­ten Vorwahl war eine Woche zuvor der parteilose Bürgerlich­e Peter Markizay zum gemeinsame­n Spitzenkan­didaten gewählt worden. (mit dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany