Steuern sparen beim Vererben des Hauses
Finanzen Ständig steigende Immobilienpreise können auch dazu führen, dass Erben von hohen Forderungen des Fiskus überrascht werden. Mit Nießbrauch kann der Besitz schon zu Lebzeiten an die nächste Generation übergeben werden
Augsburg Die eigene Immobilie macht oft einen großen Teil des Vermögens aus. Daher will die Übergabe an die nächste Generation gut vorbereitet sein. Denn die steigenden Immobilienpreise können sonst schnell zu unerwarteten Erbschaftsteuerforderungen des Finanzamts führen. Übergabe mit Nießbrauch ist eine beliebte Möglichkeit, um dem zu entgehen. Notar Bernhard Hille aus Augsburg erklärt, was man dazu wissen muss.
Was ist Nießbrauch?
Nießbrauch ist im Grundsatz ein Nutzungsrecht an fremdem Eigentum. Der oder die Nießbraucher und Nießbraucherinnen dürfen das fremde Gut nutzen und auch wirtschaftliche Gewinne durch Vermietung damit erzielen. Das Nießbrauchmodell hat große praktische Bedeutung, wenn Eltern schon zu Lebzeiten ihren Kindern Immobilienbesitz übertragen wollen, erklärt Notar Bernhard Hille. So lassen sich die steuerlichen Freibeträge für Schenkungen oder Erbschaften unter Umständen mehrfach nutzen. Derzeit erlebt das Modell wegen stark gestiegener Immobilienpreise eine starke Nachfrage, sagt Hille.
Warum ist das Modell steuerlich interessant?
Am besten erklärt man es mit einem Beispiel: Bei einem Ehepaar gehören dem Vater und der Mutter jeweils alleine eine Immobilie im Wert von je einer Million Euro. Überschreibt der Vater dem einzigen Kind nun schon zu Lebzeiten die Hälfte seines Mehrfamilienhauses, würde er den steuerlichen Freibetrag von 400000 Euro überschreiten. Wird ein Nießbrauch eingetragen, mindert dieses Recht den Wert der Schenkung. Wie genau das berechnet wird, dazu gleich mehr. Im Endeffekt kann das Kind so unter der Freibetragsgrenze bleiben und muss keine Steuern zahlen.
Genau das Gleiche kann auch die Mutter machen – zur selben Zeit, denn der Steuerfreibetrag steht dem Kind für jeden Elternteil zu. „Nach Ablauf von zehn Jahren und einem Tag können die beiden Elternteile jeweils den zweiten Hausteil nach dem gleichen Muster übergeben“, erklärt Notar Hille. Denn dann steht dem Kind erneut der volle steuerliche Freibetrag zu. Bei Enkelinnen und Enkeln oder entfernteren Verwandtschaftsgraden gelten geringere Freibeträge.
Was ist der Unterschied des beschriebenen Modells zu einem ein
getragenen
Wer eine Immobilie mit einem eingetragenen Nießbrauchsrecht übergibt, kann sie nicht nur weiterhin selbst bewohnen, sondern alle Nutzungen daraus ziehen, sie zum Beispiel auch vermieten. Das ist ein großer Unterschied zu einem bloßen Wohnungsrecht, denn so können die Schenkenden weiterhin von der Immobilie profitieren, etwa indem sie Mieteinnahmen zur Aufbesserung ihrer Rente erzielen. Auch wenn man aus der Immobilie auszieht, hat man weiter das Recht, sie zu vermieten. Verkauft die neue Eigentümerin oder der neue Eigentümer, in unserem Falle das Kind, die Immobilie, erlischt das Nießbrauchsrecht nicht.
lebenslangen
Wohnrecht?
Kann man die Übertragung rückgängig machen?
Wie Bernhard Hille erklärt, können die Schenkenden bei der Eintragung des Nießbrauchsrechts daneben sehr detaillierte Regelungen treffen, um sich abzusichern. So kann etwa ein Rückforderungsrecht festgelegt werden. Ein Beispiel von Hille: Die Eltern wollen ihrem Sohn das Haus übertragen, haben aber Vorbehalte gegen seine Freundin. In diesem Fall können die Eltern festlegen, dass das Haus wieder an sie zurückfällt, sollte der Sohn vor ihnen versterben.
Hille gibt noch ein anderes Beispiel: Derselbe Sohn ist selbstständig und könnte bei riskanten Geschäften Schiffbruch erleiden. Auch für diesen Fall können die Eltern sich eine Rückforderung vorbehalten. Ebenfalls kann zum Beispiel festgelegt werden, dass das Haus zu Lebzeiten der Eltern nicht verkauft oder belastet werden darf.
Welche Rechte und Pflichten haben Nießbraucher und Eigentümer?
Der oder die Nießbraucher müssen sich um die Immobilie kümmern, das heißt, den laufenden Unterhalt übernehmen, kleinere Renovierungen erledigen und für eine angemessene Versicherung sorgen. Außergewöhnliche Unterhaltungsmaßnahmen, etwa größere Modernisierungen oder eine neue Heizung muss die Eigentümerin oder der Eigentümer bezahlen.
Wie berechnet sich der Wert des Nießbrauchsrechts?
Um zu bestimmen, ob der Wert einer geschenkten Immobilie im Rahmen der steuerlichen Freibeträge bleibt, muss ihr Wert bestimmt werden. Ein Nießbrauchsrecht mindert den Wert der Immobilie, da die neue Eigentümerin oder der neue Eigentümer über das Haus oder die Wohnung ja nicht völlig frei verfügen kann. Daher muss der Wert des Nutzungsrechtes vom Wert der Immobilie abgezogen werden. Das geht grob vereinfacht so:
Als Basis für die Berechnung wird die Jahresnettomieteinnahme herangezogen. Bei 1000 Euro Miete sind das 12000 Euro. Diesen Wert muss man mit einem Vervielfältiger multiplizieren, der von der Art des Nutzungsrechts (zeitlich begrenzt oder lebenslänglich) und dem Alter der Nießbraucherin oder des Nießbrauchers abhängt. Ist dies eine Frau von 60 Jahren, beträgt der Vervielfältiger etwa 13,884. Handelt es sich um einen gleichaltrigen Mann, hat der Vervielfältiger wegen der statistisch etwas niedrigeren Lebenserwartung den Wert von 12,858. Festgelegt wird diese Tabelle vom Bundesfinanzministerium. Der Wert des Nießbrauchsrechts berechnet sich nun ganz einfach aus der Multiplikation der beiden Werte, in unserem Beispiel etwa 12 000
Euro x 13,884 für die 60-jährige Frau.
Wie geht man vor?
Um ein Nießbrauchsrecht festzulegen, muss ein Vertrag geschlossen werden. Prinzipiell sind die Parteien frei bei der Ausgestaltung des Rechts, sie können zeitliche Begrenzungen oder Nutzungsbegrenzungen aufnehmen oder auch Klauseln zur Aufhebung des Rechts. Wenn es um eine Grundstücksangelegenheit geht, muss der Vertrag immer von einer Notarin oder einem Notar beurkundet werden. Auch in anderen Fällen empfiehlt sich eine rechtliche Beratung. Ohnehin sollten die steuerlichen Auswirkungen durch eine steuerliche Beratung geprüft werden.
In der Regel wird bei der Übertragung einer Immobilie in der Familie auch festgeschrieben, dass das Kind sich die Schenkung auf den Pflichtteil anrechnen lassen muss. Zusätzlich kann festgelegt werden, dass das Kind gewisse Betreuungsleistungen für die Eltern erbringen muss. Bernhard Hille rät dazu, die Übertragung der Immobilie in Ruhe und in Zeiten guter Gesundheit ins Auge zu fassen. Das Nießbrauchmodell könnten Eltern in Betracht ziehen, wenn sie volles Vertrauen in ihre Kinder haben. „Wer sich unsicher ist, wie das Verhältnis sich entwickelt, sollte in der Regel besser abwarten“, sagt Hille.
Gibt es Fallen?
Wenn der Nießbrauch nicht ins Grundbuch eingetragen wird, geht das Recht bei einem Verkauf der Immobilie verloren. Der oder die Nießbraucher können dann keinerlei Ansprüche gegen den neuen Eigentümer geltend machen. Verliert etwa das Kind die Immobilie aufgrund hoher Schulden, verlieren auch die Eltern alle Rechte.
Wichtig ist, das Nießbrauchrecht für beide Elternteile festzuschreiben, denn es kann nicht übertragen oder vererbt werden. Wenn nur ein Elternteil als Nießbrauchberechtigter im Grundbuch eingetragen ist, steht der andere im Todesfall mit leeren Händen da.
Geschwister des Beschenkten haben Pflichtteilsrechte. Dies sollte bei der Vereinbarung des Nießbrauchs bedacht werden. Aber auch hier gibt es vielfach gute rechtliche Lösungsmöglichkeiten.
Sollten die Eltern nach der Schenkung Sozialhilfe beantragen müssen, etwa weil durch notwendig gewordene Pflege das Vermögen aufgezehrt wurde, kann der Sozialhilfeträger die Schenkung innerhalb einer Zehnjahresfrist zurückfordern.