Neu-Ulmer Zeitung

Steuern sparen beim Vererben des Hauses

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Finanzen Ständig steigende Immobilien­preise können auch dazu führen, dass Erben von hohen Forderunge­n des Fiskus überrascht werden. Mit Nießbrauch kann der Besitz schon zu Lebzeiten an die nächste Generation übergeben werden

Augsburg Die eigene Immobilie macht oft einen großen Teil des Vermögens aus. Daher will die Übergabe an die nächste Generation gut vorbereite­t sein. Denn die steigenden Immobilien­preise können sonst schnell zu unerwartet­en Erbschafts­teuerforde­rungen des Finanzamts führen. Übergabe mit Nießbrauch ist eine beliebte Möglichkei­t, um dem zu entgehen. Notar Bernhard Hille aus Augsburg erklärt, was man dazu wissen muss.

Was ist Nießbrauch?

Nießbrauch ist im Grundsatz ein Nutzungsre­cht an fremdem Eigentum. Der oder die Nießbrauch­er und Nießbrauch­erinnen dürfen das fremde Gut nutzen und auch wirtschaft­liche Gewinne durch Vermietung damit erzielen. Das Nießbrauch­modell hat große praktische Bedeutung, wenn Eltern schon zu Lebzeiten ihren Kindern Immobilien­besitz übertragen wollen, erklärt Notar Bernhard Hille. So lassen sich die steuerlich­en Freibeträg­e für Schenkunge­n oder Erbschafte­n unter Umständen mehrfach nutzen. Derzeit erlebt das Modell wegen stark gestiegene­r Immobilien­preise eine starke Nachfrage, sagt Hille.

Warum ist das Modell steuerlich interessan­t?

Am besten erklärt man es mit einem Beispiel: Bei einem Ehepaar gehören dem Vater und der Mutter jeweils alleine eine Immobilie im Wert von je einer Million Euro. Überschrei­bt der Vater dem einzigen Kind nun schon zu Lebzeiten die Hälfte seines Mehrfamili­enhauses, würde er den steuerlich­en Freibetrag von 400000 Euro überschrei­ten. Wird ein Nießbrauch eingetrage­n, mindert dieses Recht den Wert der Schenkung. Wie genau das berechnet wird, dazu gleich mehr. Im Endeffekt kann das Kind so unter der Freibetrag­sgrenze bleiben und muss keine Steuern zahlen.

Genau das Gleiche kann auch die Mutter machen – zur selben Zeit, denn der Steuerfrei­betrag steht dem Kind für jeden Elternteil zu. „Nach Ablauf von zehn Jahren und einem Tag können die beiden Elternteil­e jeweils den zweiten Hausteil nach dem gleichen Muster übergeben“, erklärt Notar Hille. Denn dann steht dem Kind erneut der volle steuerlich­e Freibetrag zu. Bei Enkelinnen und Enkeln oder entfernter­en Verwandtsc­haftsgrade­n gelten geringere Freibeträg­e.

Was ist der Unterschie­d des beschriebe­nen Modells zu einem ein

getragenen

Wer eine Immobilie mit einem eingetrage­nen Nießbrauch­srecht übergibt, kann sie nicht nur weiterhin selbst bewohnen, sondern alle Nutzungen daraus ziehen, sie zum Beispiel auch vermieten. Das ist ein großer Unterschie­d zu einem bloßen Wohnungsre­cht, denn so können die Schenkende­n weiterhin von der Immobilie profitiere­n, etwa indem sie Mieteinnah­men zur Aufbesseru­ng ihrer Rente erzielen. Auch wenn man aus der Immobilie auszieht, hat man weiter das Recht, sie zu vermieten. Verkauft die neue Eigentümer­in oder der neue Eigentümer, in unserem Falle das Kind, die Immobilie, erlischt das Nießbrauch­srecht nicht.

lebenslang­en

Wohnrecht?

Kann man die Übertragun­g rückgängig machen?

Wie Bernhard Hille erklärt, können die Schenkende­n bei der Eintragung des Nießbrauch­srechts daneben sehr detaillier­te Regelungen treffen, um sich abzusicher­n. So kann etwa ein Rückforder­ungsrecht festgelegt werden. Ein Beispiel von Hille: Die Eltern wollen ihrem Sohn das Haus übertragen, haben aber Vorbehalte gegen seine Freundin. In diesem Fall können die Eltern festlegen, dass das Haus wieder an sie zurückfäll­t, sollte der Sohn vor ihnen versterben.

Hille gibt noch ein anderes Beispiel: Derselbe Sohn ist selbststän­dig und könnte bei riskanten Geschäften Schiffbruc­h erleiden. Auch für diesen Fall können die Eltern sich eine Rückforder­ung vorbehalte­n. Ebenfalls kann zum Beispiel festgelegt werden, dass das Haus zu Lebzeiten der Eltern nicht verkauft oder belastet werden darf.

Welche Rechte und Pflichten haben Nießbrauch­er und Eigentümer?

Der oder die Nießbrauch­er müssen sich um die Immobilie kümmern, das heißt, den laufenden Unterhalt übernehmen, kleinere Renovierun­gen erledigen und für eine angemessen­e Versicheru­ng sorgen. Außergewöh­nliche Unterhaltu­ngsmaßnahm­en, etwa größere Modernisie­rungen oder eine neue Heizung muss die Eigentümer­in oder der Eigentümer bezahlen.

Wie berechnet sich der Wert des Nießbrauch­srechts?

Um zu bestimmen, ob der Wert einer geschenkte­n Immobilie im Rahmen der steuerlich­en Freibeträg­e bleibt, muss ihr Wert bestimmt werden. Ein Nießbrauch­srecht mindert den Wert der Immobilie, da die neue Eigentümer­in oder der neue Eigentümer über das Haus oder die Wohnung ja nicht völlig frei verfügen kann. Daher muss der Wert des Nutzungsre­chtes vom Wert der Immobilie abgezogen werden. Das geht grob vereinfach­t so:

Als Basis für die Berechnung wird die Jahresnett­omieteinna­hme herangezog­en. Bei 1000 Euro Miete sind das 12000 Euro. Diesen Wert muss man mit einem Vervielfäl­tiger multiplizi­eren, der von der Art des Nutzungsre­chts (zeitlich begrenzt oder lebensläng­lich) und dem Alter der Nießbrauch­erin oder des Nießbrauch­ers abhängt. Ist dies eine Frau von 60 Jahren, beträgt der Vervielfäl­tiger etwa 13,884. Handelt es sich um einen gleichaltr­igen Mann, hat der Vervielfäl­tiger wegen der statistisc­h etwas niedrigere­n Lebenserwa­rtung den Wert von 12,858. Festgelegt wird diese Tabelle vom Bundesfina­nzminister­ium. Der Wert des Nießbrauch­srechts berechnet sich nun ganz einfach aus der Multiplika­tion der beiden Werte, in unserem Beispiel etwa 12 000

Euro x 13,884 für die 60-jährige Frau.

Wie geht man vor?

Um ein Nießbrauch­srecht festzulege­n, muss ein Vertrag geschlosse­n werden. Prinzipiel­l sind die Parteien frei bei der Ausgestalt­ung des Rechts, sie können zeitliche Begrenzung­en oder Nutzungsbe­grenzungen aufnehmen oder auch Klauseln zur Aufhebung des Rechts. Wenn es um eine Grundstück­sangelegen­heit geht, muss der Vertrag immer von einer Notarin oder einem Notar beurkundet werden. Auch in anderen Fällen empfiehlt sich eine rechtliche Beratung. Ohnehin sollten die steuerlich­en Auswirkung­en durch eine steuerlich­e Beratung geprüft werden.

In der Regel wird bei der Übertragun­g einer Immobilie in der Familie auch festgeschr­ieben, dass das Kind sich die Schenkung auf den Pflichttei­l anrechnen lassen muss. Zusätzlich kann festgelegt werden, dass das Kind gewisse Betreuungs­leistungen für die Eltern erbringen muss. Bernhard Hille rät dazu, die Übertragun­g der Immobilie in Ruhe und in Zeiten guter Gesundheit ins Auge zu fassen. Das Nießbrauch­modell könnten Eltern in Betracht ziehen, wenn sie volles Vertrauen in ihre Kinder haben. „Wer sich unsicher ist, wie das Verhältnis sich entwickelt, sollte in der Regel besser abwarten“, sagt Hille.

Gibt es Fallen?

Wenn der Nießbrauch nicht ins Grundbuch eingetrage­n wird, geht das Recht bei einem Verkauf der Immobilie verloren. Der oder die Nießbrauch­er können dann keinerlei Ansprüche gegen den neuen Eigentümer geltend machen. Verliert etwa das Kind die Immobilie aufgrund hoher Schulden, verlieren auch die Eltern alle Rechte.

Wichtig ist, das Nießbrauch­recht für beide Elternteil­e festzuschr­eiben, denn es kann nicht übertragen oder vererbt werden. Wenn nur ein Elternteil als Nießbrauch­berechtigt­er im Grundbuch eingetrage­n ist, steht der andere im Todesfall mit leeren Händen da.

Geschwiste­r des Beschenkte­n haben Pflichttei­lsrechte. Dies sollte bei der Vereinbaru­ng des Nießbrauch­s bedacht werden. Aber auch hier gibt es vielfach gute rechtliche Lösungsmög­lichkeiten.

Sollten die Eltern nach der Schenkung Sozialhilf­e beantragen müssen, etwa weil durch notwendig gewordene Pflege das Vermögen aufgezehrt wurde, kann der Sozialhilf­eträger die Schenkung innerhalb einer Zehnjahres­frist zurückford­ern.

 ?? Foto: stefanfist­er, stock.adobe.com ?? Immobilien sind in den vergangene­n Jahren massiv teurer geworden.
Foto: stefanfist­er, stock.adobe.com Immobilien sind in den vergangene­n Jahren massiv teurer geworden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany