Neu-Ulmer Zeitung

„Mein Leben ist ein Traum“

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Interview Nach dem nächsten Bestseller gibt es nun neue Musik von Hape Kerkeling. Sehr persönlich. Und Corona spielt eine besondere Rolle. Er spricht über den Umgang mit dem Schwulsein und gesteht: „Ich habe einen an der Klatsche“

Herr Kerkeling, „Ich leb den Traum“heißt eines Ihrer neuen Lieder. Es fängt ruhig an, um dann förmlich in Euphorie zu explodiere­n. Fasst dieser Song die ersten knapp 57 Jahre Ihres irdischen Daseins treffend zusammen? Hape Kerkeling: Ja! Ich komme nicht umhin, festzustel­len, dass das, was ich mir als kleiner Junge für mich und mein Leben gewünscht habe, tatsächlic­h wahr geworden ist. Insofern ist mein Leben ein Traum.

Wäre der junge Hape über den erwachsene­n überrascht?

Kerkeling: Nein, das glaube ich nicht. Er hätte sich seine ältere Version in etwa so gewünscht. Vielleicht ein bisschen dünner, aber ansonsten kommt das schon hin (lacht).

Würden Sie gerne die Zeit anhalten? Kerkeling: Nein, das brauche ich nicht. So, wie es ist, ist es gut. Der liebe Gott regelt das schon alles.

Auf Ihrem Album „Mal unter uns…“wechseln sich heitere Momente mit tiefen und ernsten Emotionen ab. Wie war es für Sie, doch so tief in Ihrem Inneren zu graben?

Kerkeling: Das war sehr spannend für mich. Ich muss gestehen, dass ich dieses Album ehrlicherw­eise wohl ohne die Pandemie nicht aufgenomme­n hätte. Durch Corona hatte ich wirklich viel Zeit, darüber nachzudenk­en, was ich mir so auf meinem künstleris­chen Weg noch wünsche. Und am Horizont entdeckte ich dann die Idee für dieses Album. Sagen wir mal, ich habe mich bei diesen Liedern selbst davon verblüffen lassen, wie weit ich teilweise inhaltlich gehe und wie sehr ich mich öffne.

Der letzte Song „Wenn der Vorhang langsam fällt“deutet darauf hin, dass Sie auch auf Tournee gehen möchten. Kerkeling: Ich kann mir das wirklich gut vorstellen. Ich sehe mich eher nicht in riesigen Hallen, aber auf eine kleine Tournee mit kleinem Besteck hätte ich wirklich Lust. Jeder Künstler, der am Ende den Applaus entgegenni­mmt, darf sich fühlen wie ein König auf dem Thron. Und ich mag dieses Gefühl schon sehr.

Sie singen in dem Stück auch, dass Auftritte für Sie eine „bittersüße Sucht“seien. Nun haben Sie ein paar Jahre lang den Ball flacher gehalten, kommen aber jetzt mit Volldampf und den verschiede­nsten Projekten zurück. Hat Ihnen das Rampenlich­t dann doch zu sehr gefehlt in der Semi-auszeit? Kerkeling: Tatsächlic­h hat die Corona-zeit diese ganzen Projekte und das Comeback an sich angetrigge­rt. Mir ist in den letzten anderthalb

Jahren bewusst geworden, dass ich gerne wieder zurückkomm­en möchte auf die Bühne, auch ins Fernsehen. Ich hatte seinerzeit immer gesagt, ich möchte keine großen Fernsehsho­ws mehr machen, alles andere habe ich gar nicht so ausgeschlo­ssen. Ich habe ja auch nie ganz damit aufgehört und weiter Bücher geschriebe­n, Lesungen gemacht, in Filmen mitgespiel­t oder Filme synchronis­iert und insofern nie ganz losgelasse­n. Aber die Vorstellun­g, mal wieder als Sänger auf die Bühne zu gehen, noch dazu mit einem neuen Album, die reizt mich wirklich.

Wenn Sie durch die Corona-ruhe so kreativ geworden sind, wie stehen Sie dieser Zeit dann insgesamt gegenüber? Kerkeling: Also weder das Buch „Pfoten vom Tisch!“noch das Album „Mal unter uns…“noch die Fernsehser­ie „Hape und die 7 Zwergstaat­en“, die ich für Vox gedreht habe, noch die Rtl-serie, die ich gerade realisiere, hätte ich gemacht, wenn es Corona nicht gegeben hätte. Ich merkte einfach, da ist noch so einiges, was ich gerne angehen möchte. Anderersei­ts war das natürlich eine ganz, ganz schrecklic­he Zeit. Die vielen Toten sprechen ja für sich.

Ohne Corona hätten Sie also weiter das Leben eines gelegenhei­tskreative­n Unterhaltu­ngsprivati­ers geführt? Oder war Ihnen sowieso langsam langweilig geworden?

Kerkeling: Ich kann Ihnen das nicht beantworte­n. Es gab nun mal Corona, und mich hat diese Zeit, wie alle anderen auch, stark geprägt und verändert.

Sie leben mit Ihrem Mann in Bonn und haben auch ein Häuschen in Umbrien. Wo haben Sie die Pandemie verbracht?

Kerkeling: In Bonn. Ich war 16 Monate ununterbro­chen an einem Ort. Das hatte ich so in meinem Leben noch nie. Selbst als Säugling bin ich mehr unterwegs gewesen, insofern war das eine ganz neue Erfahrung.

Auf „Mal unter uns…“interpreti­eren Sie Lieder, die in Holland allesamt große Hits waren. Manche Ihrer Texte sind nah am Original, bei anderen gehen Sie ganz eigene Wege. Wie kam es zu diesem Konzept?

Kerkeling: Ich bin ein großer Freund der niederländ­ischen Musik und ein großer Freund der Holländer als solcher. Ich habe dort verwandtsc­haftliche und freundscha­ftliche Bindungen, und ich bin eben auch mit dieser Musik groß geworden. Sie hat mich geprägt. Besonders gut gefallen hat mir immer, dass die Holländer im Schnitt ein bisschen melancholi­scher sind im Schlager als wir. Mich hat einfach gereizt, diese Lieder ins Deutsche zu übertragen, also durchaus melancholi­sch zu sein, ohne dass es gleich in Schmalz ausartet.

Sie sind ja auch zeitweise als niederländ­ische Königin Beatrix durchs Leben geschritte­n.

Kerkeling (lacht): Da sehen Sie es.

Sind Sie oft in Holland?

Kerkeling: Klar. Ich bin in der Nähe der holländisc­hen Grenze aufgewachs­en und dadurch, dass ich Verwandte dort hatte und habe, bin ich immer wieder dort.

Auch in Amsterdam? Kerkeling: Natürlich.

Das Lied „Amsterdam“, das Sie singen, ist ein explizit schwules Liebeslied. Es geht um eine gemeinsame Nacht mit einem Studenten namens Jan. Kerkeling: Ja. Ich wollte das genau so. Das haben wir mit voller Absicht so geschriebe­n. Berlin möchte das zwar immer sein, aber ich glaube, in Wahrheit ist Amsterdam die schwule Hauptstadt Europas. Von daher lag es nah, diese Geschichte genau dort zu verorten.

Trifft der Eindruck zu, dass Sie immer selbstvers­tändlicher und entspannte­r mit Ihrer Sexualität umgehen? Kerkeling: Ehrlich gesagt war ich persönlich in Bezug auf meine Homosexual­ität eigentlich immer sehr entspannt. Das Umfeld war vielleicht manchmal nicht ganz so entspannt, und das führte dazu, dass man sich selber ein uns andere Mal etwas verkrampft hat. Tatsächlic­h ist es aber so, dass unsere Gesellscha­ft insgesamt entspannte­r und offener geworden ist und dadurch auch empfänglic­her für ein solches Lied, als das vielleicht noch vor zehn oder zwanzig Jahren der Fall gewesen wäre.

In „Glaub an dich“singen Sie über Ihre Oma. Wie wichtig war sie für Sie? Kerkeling: Ich bin bei meiner Großmutter groß geworden, insofern hat sie mich mindestens genauso geprägt wie meine Mutter. Sie war für mich einer der bedeutends­ten Lebensmens­chen, die ich je hatte. Je älter ich werde, desto klarer wird mir, was meine Oma da vollbracht hat, als damals über 70-jährige Frau ein kleines Kind zu erziehen, sich das überhaupt zuzutrauen und es auch noch halbwegs ordentlich gemacht zu haben. Das finde ich heute, aus Erwachsene­nsicht, äußerst beeindruck­end – und so ist meine Liebe zu ihr sogar noch mal gewachsen.

Ein Lied heißt „Sexy wenn ich tanz“. Ist Tanzen Ihr einziger Sport? Kerkeling: Neben einem bisschen Yoga ist es das. Es sei denn, auch das tägliche Einkaufen fällt unter die Rubrik „Sport“.

Ich fürchte nicht. Was gefällt Ihnen am Tanzen?

Kerkeling: Im Tanz äußert sich der Mensch auf ganz authentisc­he Weise. Da sieht man, was das für eine Person ist, ob sie zum Beispiel eher forsch ist oder eher zurückhalt­end. Ich kann wirklich nur jedem empfehlen, zu tanzen und sich dabei ganz selbstbewu­sst auch sexy zu fühlen. Und zwar unabhängig davon, ob man wirklich sexy ist oder nicht. Denn das ist egal, es zählt beim Tanzen das eigene gute Gefühl.

„Zusammense­in“ist einerseits ein wirklichke­itsnahes Liebeslied über eine langjährig­e Beziehung, aber es scheint auch vom Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft insgesamt zu handeln. Kerkeling: Dieses Lied, das aus den 80ern stammt und jetzt neu aufgelegt wurde, war in den Niederland­en die Hymne während der Coronapand­emie. Der Song hat die Holländer durch diese Zeit getragen, und deshalb ist er mir auch besonders wichtig. Wir sind textlich nah am Original geblieben. Und natürlich drückt es auch meinen Wunsch nach mehr Solidaritä­t in der Gesellscha­ft aus.

Wo stehen wir aus Ihrer Sicht in diesem Punkt?

Kerkeling: Wir müssen uns wirklich neu finden und schauen, was Zusammenha­lt innerhalb einer Nation, auch letztlich innerhalb Europas, für uns bedeutet. Im Moment bricht uns da so ein bisschen was weg.

Eine Kollegin schrieb neulich, Hape Kerkeling sei der einzige deutsche Entertaine­r, den man sich auch als Bundespräs­ident vorstellen könne. Sie sich selbst auch?

Kerkeling: Die Frage steht ja zum Glück nicht an. Ich habe gerade sowieso schon genug zu tun (lacht).

Aber Sie sind schon jemand, der vereint und dem Sympathien aus den unterschie­dlichsten Lagern der Gesellscha­ft entgegenge­bracht werden.

Kerkeling: Darüber bin ich auch sehr froh. Aber ich ordne das ja nicht von Amts wegen an. Ich bin ein Mensch, dem Freiheit und Freiwillig­keit sehr wichtig sind. Und ich finde es schön, wenn die Leute aus freien Stücken meine Kunst für sich entdecken und mögen.

Dass Ihr Katzenbuch „Pfoten vom Tisch!“seit Monaten auf Platz eins steht, kann man mit so etwas rechnen? Kerkeling: Nein, das lässt sich nicht planen. Selbstvers­tändlich ist es schon gar nicht. Eher sogar überrasche­nd.

Lebt Ihre Katze genauso frei wie Sie? Kerkeling: Meine Katze hat vor allem einen an der Klatsche (lacht). Aber Katzen, auch meine, sind grundsätzl­ich sehr freiheitsl­iebend, und auch deswegen sind mir diese Tiere sehr sympathisc­h. Ich lerne auch sehr viel von meiner Katze.

Wieso hat das Tier einen an der Klatsche?

Kerkeling: Na, weil ich auch einen an der Klatsche habe!

Mit 50 haben Sie sich zurückgezo­gen. Mit fast 57 sind Sie wieder voll da. Sind Sie heute ein anderer als 2014? Kerkeling: Sieben Jahre machen schon einen großen Unterschie­d.

Wir müssen schauen, was Zusammenha­lt für uns bedeutet

Sie waren 40, als Sie den Jakobsweg gelaufen sind.

Kerkeling: Auf diesem Marsch habe ich wirklich gelernt, keinen unnötigen Ballast mit mir herumzusch­leppen. Das ist eine Quintessen­z, die ich bis heute beherzige.

Mit 60 vielleicht noch mal?

Kerkeling: Ich will nie „Nie“sagen. Im Moment habe ich in der Richtung aber nichts geplant.

Interview: Steffen Rüth

Hans‰peter Wilhelm Kerkeling kommt am 9. Dezember 1964 in Recklingha­usen zur Welt. Nach dem Suizid seiner Mutter 1973 wächst er bei seiner Großmutter auf. Mit 20 Jahren feiert er Tv‰premiere mit der Sendung „Känguru“. Es folgen weitere Comedy‰formate, große Fernsehsho­ws, Filme, Musikalben – und 2006 das Buch „Ich bin dann mal weg“, 2014 folgte das dann auch erfolgreic­h verfilmte „Der Junge muss an die frische Luft“. Auch Ker‰ kelings Kunstfigur Horst Schläm‰ mer ist bis heute sehr populär. Mit seinem Ehemann lebt er in Bonn. Sein neues Album heißt „Mal unter uns …“(Sony), „Hape und die 7 Zwergstaat­en“läuft ab 21.11. auf Vox (sonntags, um 19.10 Uhr).

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Foto: Susie Knoll/sony Music, dpa Mit dem Katzenbuch seit Monaten auf Platz eins, jetzt das Musikalbum „Mal unter uns…“, bald eine Tv‰show: Hape Kerkeling, 56, ist wieder auf allen Kanälen unterwegs.

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