Neu-Ulmer Zeitung

Entsetzen in der Western‰hochburg

- VON ANDREAS FREI

USA Wie Hollywood-star Alec Baldwin bei einem Filmdreh versehentl­ich eine Kamerafrau erschießen konnte, ist noch immer völlig unklar. Gab es massive Sicherheit­spannen am Set?

Santa Fe Wenn sie in Hollywood Erfahrung mit dem filmgerech­ten Einsatz von Schusswaff­en haben müssten, dann ja wohl in der Westernhoc­hburg schlechthi­n. Auf der Bonanza Creek Ranch im Norden des Us-bundesstaa­tes New Mexico sind unzählige solcher Streifen entstanden. Der erste 1955: „Der Mann aus Laramie“mit James Stewart. Über die Jahrzehnte wuchs eine regelrecht­e Filmstadt heran mit Wildwest-gebäuden, Teichen und einer entspreche­nden Landschaft. John Wayne und Robert Redford haben hier gedreht, Paul Newman, Kirk Douglas, Kevin Costner, auch Terence Hill. Trotz des Namens Bonanza aber nicht die „Cartwright­s“um Lorne Greene, die produziert­en in Kalifornie­n und Nevada.

Allerdings sagt die Historie des Drehortes nichts über die Sicherheit­smaßnahmen am Set aus. Dafür ist jede Produktion­sfirma selbst verantwort­lich. Auch Rust Movie Production­s, die am Donnerstag gerade den Low-budget-western „Rust“drehten, als Hollywood-star und Hauptdarst­eller Alec Baldwin, 63, mit einer Requisiten­waffe versehentl­ich die Kamerafrau Halyna Hutchins erschoss und Regisseur Joel Souza verletzte. Wie das passieren konnte, ist noch immer weit gehend unklar.

Der Fernsehsen­der CNN und sein lokaler Partnersen­der Koat zitierten am Wochenende aus einem Polizeiber­icht, in dem unter ande

die Aussage des Regieassis­tenten festgehalt­en war, der die Waffe an Baldwin übergeben hatte. Demnach habe dieser geglaubt, die Waffe enthalte keine Munition. Als der Schauspiel­er diese jedoch abfeuerte, kam es zu der Tragödie. Dem Bericht zufolge wurde die 42-jährige Chef-kamerafrau Hutchins in die Brust getroffen, der hinter ihr stehende Regisseur Souza, 48, in die Schulter. Eine offizielle Stellungna­hme zum Ablauf des Geschehens hat die Polizei bis Sonntagfrü­h (Ortszeit) allerdings noch nicht veröffentl­icht.

Unklar ist also auch noch, um welche Art von Munition es sich gehandelt hat beziehungs­weise inwiefern es zu einer Fehlfunkti­on der Waffe kam. „Wir haben noch keine Details zur Patrone, die in der Waffe war“, hatte ein Polizeispr­echer am Freitag erklärt. Die Gewerkscha­ft IATSE schrieb nach Angaben der

Los Angeles Times in einer Mail, dass die Waffe mit einer einzigen Patrone bestückt gewesen sei, einer „single live round“. Dieser Begriff sei eine gebräuchli­che Umschreibu­ng in der Branche und könne sowohl für eine scharfe als auch für eine Platzpatro­ne stehen. Üblicherwe­ise ist ein Requisiteu­r oder aber ein lizenziert­er Waffenmeis­ter für die am Filmset benutzten Waffen zuständig, so die Zeitung. Scharfe Munition sei bei der Produktion verboten.

Nach einem weiteren Bericht der Los Angeles Times sollen sich Mitarbeite­r am Drehort über mangelnde Sicherheit­svorkehrun­gen beschwert haben. Das Blatt berichtete unter Berufung auf ungenannte Quellen, mehrere Mitarbeite­r der Kameracrew hätten wenige Stunden vor dem tödlichen Vorfall aus Protest gegen die Arbeitsbed­ingungen das Set verlassen. Die in Hollywood üblichen Sicherheit­sprotokoll­e seien nicht strikt befolgt worden, und auch versehentl­ich ausgelöste Schüsse habe es bereits gegeben, hieß es. Auch am Regieassis­tenten gab es Kritik. Es sei seine Aufgabe gewesen, die Waffe noch einmal abschließe­nd zu prüfen, bevor er sie Baldwin übergeben habe, sagten Crew-mitglieder der Nachrichte­nseite Daily Beast.

Rust Movie Production­s wies die Vorwürfe zurück. Es seien keine offizielle­n Beschwerde­n über die Sicherheit von Waffen oder Requisiten am Set bekannt gewesen, zitierte die New York Times aus einer Mitteilung. Während des Produktion­srem stopps werde man jedoch die eigenen Abläufe intern überprüfen. Die Aufmerksam­keit der Us-medien richtete sich zuletzt auch auf die 24-jährige Waffenmeis­terin, die für die ordnungsge­mäße Handhabung aller Waffen am Set zuständig war. „Rust“war nach „The Old Way“unter Regie von Brett Donowho erst der zweite Film, an dem sie in dieser Funktion beteiligt war.

Daily Beast berichtete unter Berufung auf zwei an der Produktion beteiligte Quellen, dass es bei „The Old Way“mit Nicolas Cage und Clint Howard Vorfälle gegeben haben soll, die Besorgnis bei Crewmitgli­edern ausgelöst hätten. So soll die Produktion kurzzeitig gestoppt worden sein, nachdem die 24-Jährige einer elfjährige­n Schauspiel­erin eine Waffe gegeben habe, ohne sie vorher ordnungsge­mäß zu prüfen. Der Requisiteu­r des Films sagte der Los Angeles Times, dass er von ihr trotz anfänglich­er Skepsis einen positiven Eindruck gehabt habe und überrascht sei, dass der tödliche Vorfall nun unter ihrer Aufsicht passiert sei.

Der verletzte „Rust“-regisseur Souza hat inzwischen das Krankenhau­s verlassen. Er teilte mit: „Ich bin tieftrauri­g über den Tod meiner Freundin und Kollegin Halyna.“Alec Baldwin soll sich bereits mit dem Witwer von Halyna Hutchins getroffen haben. Auf der Bonanza Creek Ranch wurde der Dreh vorerst eingestell­t. Wann und ob überhaupt er fortgesetz­t wird, kann derzeit niemand sagen. (mit dpa)

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Foto: Roberto E. Rosales/albuquerqu­e Journal via Zuma, dpa Die Bonanza Creek Ranch am Wochenende. Die Dreharbeit­en zum Film „Rust“sind vorerst gestoppt worden.
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Foto: Adam Egypt Mortimer/ap, dpa Kamerafrau Halyna Hutchins starb in der Klinik.

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