Neu-Ulmer Zeitung

Ein Nein und seine Folgen

- VON FLORIAN EISELE

Fußball Bayerns Nationalsp­ieler Joshua Kimmich sammelt mit der Aktion „We kick Corona“Spenden. Gegen das Virus impfen lassen will er sich aber nicht – und löst damit eine Diskussion aus

München Als seine Mitspieler sich bei den Zuschauern für das 4:0 gegen die TSG Hoffenheim feiern ließen, war für Joshua Kimmich der deutlich kniffliger­e Teil des Arbeitstag­es im Gange. Im Interview mit Sky-reporter Patrick Wasserzieh­r sprach der Nationalsp­ieler darüber, warum er noch nicht gegen das Coronaviru­s geimpft ist und das zumindest vorerst nicht ändern wolle. Der Grund seien „persönlich­e Bedenken“bezüglich der Langzeitfo­lgen einer Impfung, wie der 26-Jährige sagte. Dass er unverantwo­rtlich handele, sehe er nicht so, schließlic­h werde er regelmäßig getestet und befolge die Hygienereg­eln. Deswegen stehe seine Haltung auch in keinem Kontrast zu seiner Initiative „We kick Corona“. Mit dem Projekt, das er gemeinsam mit Leon Goretzka angestoßen hat, sammelt der Mittelfeld­spieler Spenden für soziale Projekte. Unter anderem landet die Hilfe in Ländern, in denen es zu wenig Impfstoff gibt.

Kimmichs Aussagen schlagen seitdem hohe Wellen – zumal die Verantwort­lichen des FC Bayern und auch einige Spieler das offenbar anders sehen. Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic sagte: „Der FC Bayern empfiehlt, sich impfen zu lassen, genauso wie ich persönlich, um unter anderem vielleicht allen ein normaleres Leben zu ermögliche­n.“Aber weil es in Deutschlan­d keine Impfpflich­t gebe, habe der Verein „die Empfehlung ausgesproc­hen und jeder darf das selber entscheide­n“. Thomas Müller sagte nach Schlusspfi­ff zwar, dass er den Entschluss seines Mitspieler­s respektier­e, fügte aber an: „Impfen wäre besser“. Als „Teamkolleg­e“und hinsichtli­ch einer etwaigen Quarantäne, die bei Ungeimpfte­n länger dauern würde, würde er sich dies wünschen.

Der langjährig­e Vorstandsc­hef des FC Bayern, Karl-heinz Rummenigge, hofft hingegen auf ein zeitnahes Umdenken bei dem Spieler. „Als Vorbild, aber auch als Fakt wäre es besser, er wäre geimpft“, sagte Rummenigge dem Tv-sender Bild. Die Entscheidu­ng Kimmichs habe eine hohe Symbolkraf­t. Dass der Defensivsp­ieler nicht der einzige ungeimpfte Bayern-spieler ist, ist bekannt. Dem Vernehmen nach sollen fünf Münchner Profis bislang auf einen Piks verzichtet haben.

Im Zentrum der Kritik steht vor allem Kimmichs Argumentat­ion bezüglich der Langzeitfo­lgen. Carsten Watzl, der Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Immunologi­e, sprach gegenüber der Deutschen Presse-agentur von einem „Missverstä­ndnis, das sich bei vielen Menschen hartnäckig hält“. Nebenwirku­ngen einer Impfung träten immer innerhalb von wenigen Wochen nach der Impfung auf. „Danach ist die Immunreakt­ion abgeschlos­sen und der Impfstoff ist aus dem Körper verschwund­en. Was offensicht­lich viele Menschen unter Langzeitfo­lgen verstehen, nämlich dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirku­ng auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-impfung nicht auftreten“, so der Experte. In Deutschlan­d seien mehr als 100 Millionen Dosen verabreich­t worden, weltweit mehr als sechs Milliarden. Daher kenne man bereits mögliche seltene Nebenwirku­ngen wie Sinusvenen­thrombosen. „Wenn überhaupt sind die Covid-19-impfstoffe in Bezug auf Langzeitfo­lgen (seltene Nebenwirku­ngen) also bereits besser erforscht als andere Impfungen“, sagte Watzl am Sonntag, als das Robert-koch-institut (RKI) die Zahl der Neuinfekti­onen pro 100000 Einwohner und Woche mit 106,3 angab. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei exakt 100 gelegen, vor einer Woche bei 72,7. Die Gesundheit­sämter meldeten dem RKI binnen eines Tages 13732 Corona-neuinfekti­onen – rund 5000 mehr als eine Woche zuvor.

Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach würde sich angesichts der Infektions­zahlen deswegen noch eine Impfung Kimmichs wünschen, wie er gegenüber Sport1 sagte: „Am besten wäre es, wenn die Impfung noch käme und dass man jetzt keinen großen Druck aufbaut.“Letztlich sei es Kimmichs eigene Entscheidu­ng. „Wir dürfen keinen Druck aufbauen, aber es wäre sehr wertvoll – davon geht eine enorme Symbolwirk­ung aus.“

Der fußballeri­sche Teil ist aus Sicht des FC Bayern schnell erzählt: Gegen harmlose Hoffenheim­er kam der Rekordmeis­ter zu einem nie gefährdete­n und in der Höhe auch verdienten 4:0-Sieg. Dino Toppmöller, der den doppelt geimpften, aber an

Corona erkrankten Cheftraine­r Julian Nagelsmann erneut vertrat, hat damit eine makellose Bilanz. Bemerkensw­ert war die Rückkehr der Fans: Erstmals seit Beginn der Pandemie wäre eine Vollauslas­tung gemäß der 3G-plus-regel möglich gewesen, in die 75000 Plätze fassende Arena kamen aber „nur“60 000 Zuschaueri­nnen und Zuschauer.

Bayern Neuer – Pavard, Upamecano, Lu‰ cas Hernandez (46. Süle), O. Richards – Kimmich, Sabitzer (76. Tolisso) – Gnabry (76. L. Sané), Th. Müller (65. Choupo‰mo‰ ting), Musiala (70. Coman) – Lewandowsk­i Hoffenheim O. Baumann – Posch, Gril‰ litsch, C. Richards –‰ Akpoguma (26. Rut‰ ter), Samassékou (57. Rudy), Geiger (83. Stiller), Raum – Bebou (82. Adamjan), Kramaric, Bruun Larsen (57. Skov)

Tore 1:0 Gnabry (16.), 2:0 Lewandowsk­i (30.), 3:0 Choupo‰moting (82.), 4:0 Co‰ man (87.) Schiedsric­hter Matthias Jöl‰ lenbeck Zuschauer 60 000

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Joshua Kimmich will sich nicht gegen das Coronaviru­s impfen lassen, weil er persönlich­e Bedenken bezüglich der Langzeitfo­lgen hat. Mit dieser Haltung löste der Nationalsp­ieler eine gesellscha­ftliche Debatte aus.
Foto: Sven Hoppe, dpa Joshua Kimmich will sich nicht gegen das Coronaviru­s impfen lassen, weil er persönlich­e Bedenken bezüglich der Langzeitfo­lgen hat. Mit dieser Haltung löste der Nationalsp­ieler eine gesellscha­ftliche Debatte aus.

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