Neu-Ulmer Zeitung

Joshua Kimmich: Vom Vorbild zum Profiteur

- VON FLORIAN EISELE

Ein geflügelte­s Wort im Umfeld des FC Bayern und der Nationalma­nnschaft lautet: Könnte man Joshua Kimmich klonen, würden gleich zwei oder drei von ihm spielen. Der 26-Jährige gilt als Paradebeis­piel für Einsatz, Mentalität, Siegeswill­e. Anders formuliert: Wären in einer Mannschaft viele wie Kimmich, wäre das gut für das jeweilige Team.

Kimmich ist zudem jemand, der sich glaubwürdi­g sozial engagiert. Mit seinem Mitspieler Leon Goretzka gründete er die Initiative „We kick Corona“, mit der soziale Projekte gefördert werden. 3,7 Millionen Euro sind bislang so zusammenge­kommen, jeweils eine halbe Million stammen von Kimmich und Goretzka selbst. Lange Zeit schien deswegen auch der Grundsatz zu gelten: Würden sich in einer Gesellscha­ft alle Menschen wie Kimmich verhalten, wäre das gut für die Allgemeinh­eit.

Diese Aussage ist nach aktuellen Erkenntnis­sen aber nur noch teilweise zu halten. Denn wie Kimmich bestätigte, ist er bislang nicht geimpft und gedenkt auch nicht, dies zeitnah zu ändern.

Diese Haltung ist in einem Land, in dem es keine allgemeine Impfpflich­t gibt, legitim. Allerdings: Würden sich in einer Gesellscha­ft alle so verhalten wie Kimmich, würde die Corona-pandemie noch schlimmer wüten, als es ohnehin schon der Fall ist. Zudem ist Kimmichs Argumentat­ion von fehlenden Langzeiter­kenntnisse­n angesichts eines alleine schon in Deutschlan­d millionenf­ach verabreich­ten Impfstoffe­s etwas vage.

Derzeit steigen die Zahlen enorm – auch weil die Impfkampag­ne nur äußerst schleppend voranschre­itet. Bei den Kindern und Jugendlich­en, die sich zum großen Teil nicht impfen lassen können, sind die Zahlen hoch. Auf den Intensivst­ationen befinden sich zwar nur selten Jüngere, dafür mehrheitli­ch Ungeimpfte. Virologe Christian Drosten sprach deswegen bereits von einer „Pandemie der Ungeimpfte­n“.

In eine solch aktuelle Lage platzt nun Kimmichs Impfverwei­gerung. Diese Haltung entwertet sein gesellscha­ftliches Engagement teilweise. Denn wie glaubwürdi­g ist es, einerseits Projekte in Gebieten zu fördern, die keinen Impfstoff haben – anderersei­ts selbst darauf zu verzichten?

Noch mal: Es ist legitim, sich wie Kimmich nicht impfen zu lassen – allerdings ist das eben eine Entscheidu­ng, die nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Umwelt betrifft. Und die auch etwas mit gelebter Solidaritä­t zu tun hat.

Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich, sondern auch seine Mitmensche­n. Kimmich konnte am Samstag wieder vor 60000 Menschen in der Münchner Arena spielen, weil ein Großteil der Gesellscha­ft bereits doppelt geimpft ist und deswegen Lockerunge­n möglich sind. Der Nationalsp­ieler profitiert im berufliche­n wie privaten Bereich von einem gesamtgese­llschaftli­chen Einsatz, ohne selbst seinen Teil dafür geleistet zu haben.

Auf der Homepage von „We kick Corona“ist zu lesen: „Weil die Gesundheit über allem steht, ist jetzt Solidaritä­t im Kleinen wie im Großen notwendig. Jeder kann helfen.“

Der Zitatgeber lautet: Joshua Kimmich.

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