Neu-Ulmer Zeitung

Erinnerung­en an Peter Ury

- VON DAGMAR HUB

Konzert Der Musikjourn­alist, Pianist, Komponist musste aus Ulm vor den Nazis fliehen. Zum 101. Geburtstag ehrt ihn das Scherer-ensemble

Ulm „The Kiss of Judas“heißt ein Buch von Peter Ury, das 1976 – im Jahr des Todes des Autors – erschien und das den Apostel Judas rehabiliti­ert. „Absolut fasziniere­nd“nennt Silvester Lechner, früherer Leiter des Dokumentat­ionszentru­ms Oberer Kuhberg, dieses Werk, von dem sich ein Exemplar im Besitz des DZOK befindet. Der in Ulm geborene jüdische Musikjourn­alist, Pianist und Komponist Peter Ury, der seine Werke in englischer, deutscher und hebräische­r Sprache schrieb, wäre nun am 3. November 101 Jahre alt geworden. Ein Gesprächsk­onzert des Scherer-ensembles am 3. November ehrt den Komponiste­n; es hätte bereits zum 100. Geburtstag stattfinde­n sollen, musste aber wegen der Pandemie verschoben werden.

Peter Ury hat am Ulmer Schubart-gymnasium 1938 Abitur gemacht, im Jahr, ehe seine Eltern zwangsweis­e ins Ulmer „Judenhaus“in der Bayerstraß­e umgesiedel­t wurden. Peter Ury selbst floh damals als 19-Jähriger vor den Nationalso­zialisten nach Großbritan­nien, während seine Eltern – der an Krebs erkrankte Arzt Sigmar Ury und seine Mutter Fanny Hedwig, Krankensch­wester von Beruf, in Ulm blieben. Er sah beide nie wieder: Sigmar Ury, als Jude im Krankenhau­s in Ulm nicht behandelt, starb 1941; Fanny Hedwig Ury wurde nach Theresiens­tadt deportiert und ermordet. Peter Ury kam 1945 als Dolmetsche­r in das zerstörte Ulm zurück – und erfuhr in seiner Heimatstad­t vom Tod der Mutter.

Eine Straße in Böfingen erinnert an Ury, von dem im Ulmer DZOK vertonte Lieder aufbewahrt werden. Ury schuf Melodien zu Texten unter anderem von Erich Fried und Peter Zadek, mit denen er enge Freundscha­ften pflegte. Peter Ury war bereits als Jugendlich­er in Ulm – wie auch sein Vater, der neben seinem Arztberuf ein begabter Tenor war – musikalisc­h aktiv gewesen. Beim Fest- und Gedenkkonz­ert im Wengensaal, unter der Wengenkirc­he, führt das Scherer-ensemble mit Helen Willis (Sopran), Henning Jensen (Tenor) Thomas Müller (Bariton) und mit Andreas Weil am Klavier am 3. November um 19.30 Uhr Kompositio­nen Urys auf, auch solche, die aus Trümmern des 2009 eingestürz­ten Kölner Stadtarchi­vs geborgen werden konnten. Das musikalisc­he Lebenswerk und die Biografie Peter Urys werden gleicherma­ßen beleuchtet. Die Recherche nach den Musikstück­en sei äußerst aufwendig gewesen, berichtet Thomas Müller, unter dessen Leitung das Konzert steht.

Am Folgetag, 4. November, ist um 19 Uhr in der Volkshochs­chule – moderiert von Silvester Lechner – der Film „Ulmer Begegnunge­n“zu sehen, für den sich Urys in London lebender Sohn David 1987/88 auf Spurensuch­e nach seiner Familie in Ulm begab. David Ury hatte nach dem Tod Peter Urys einen Zeitungsar­tikel mit dem Titel „Ulmer Begegnunge­n“entdeckt, in dem sein Vater seine Rückkehr 1945 nach Ulm, sechs Jahre nach der Flucht, beschriebe­n hatte.

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Foto: Dagmar Hub Peter Urys „The Kiss of Judas“fasziniert bis heute.

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