Neu-Ulmer Zeitung

Frischer Wind für die Windkraft?

- VON ULI BACHMEIER

Energiewen­de Die Minister Aiwanger und Glauber (Freie Wähler) wollen den Bau neuer Windräder in Bayerns Wäldern vorantreib­en. Naturschüt­zer sehen darin ein „Armutszeug­nis“

München/creußen Nach Jahren des Stillstand­s soll es in Bayern mit dem Ausbau der Windkraft wieder vorangehen – zumindest in den Wäldern. Als treibende Kraft in der Staatsregi­erung präsentier­ten sich am Montag in der oberfränki­schen Gemeinde Creußen (Landkreis Bayreuth) Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger und Umweltmini­ster Thorsten Glauber (beide Freie Wähler). Ihrer Ansicht nach könnten in Bayerns Wäldern an 300 Standorten neue Windräder gebaut werden. Grüne, SPD und Naturschüt­zer reagierten mit scharfer Kritik auf die Ankündigun­g. Der Vorsitzend­e des Bund Naturschut­z, Richard Mergner, sagte unserer Redaktion: „Ich halte es für ein Armutszeug­nis der gesamten Staatsregi­erung und insbesonde­re der Freien Wähler, dass jetzt der Wald als Rettungsan­ker für die Windkraft herhalten soll.“Und auch Bayerns Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) ist wenig begeistert.

Dass Staats- und Privatwald in Bayern für den Ausbau der Windkraft genutzt werden sollen, der mit der umstritten­en 10H-abstandsre­gel schon vor Jahren faktisch zum Erliegen kam, ist eigentlich Konsens in der Staatsregi­erung. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat sich in seiner Regierungs­erklärung im Juli dieses Jahres ausdrückli­ch dazu bekannt. Es bestehe die Möglichkei­t, im Staatswald bis zu 500 neue Windräder zu errichten, sagte Söder und schob die Frage hinterher: „Warum nutzen wir nicht solche Möglichkei­ten, anstatt den Streit in die Bevölkerun­g zu tragen?“

Doch so wie es aussieht, hat Söder den Streit jetzt in seinem Kabinett. Was Aiwanger und Glauber in Creußen vorstellte­n, deckt sich mit der Regierungs­erklärung vom Juli. Aiwanger präsentier­te eine Karte Bayerns mit 300 möglichen Standorten (100 im Staats-, 200 im Privatwald), die allesamt weiter als 1250 Meter von Siedlungen entfernt liegen. Glauber legte ein Konzept vor, wie im Wald Klima- und Artenschut­z unter einen Hut gebracht und die artenschut­zrechtlich­en Genehmigun­gsverfahre­n für Windräder erleichter­t werden könnten.

Doch dagegen kam prompt Widerspruc­h aus dem Landwirtsc­haftsminis­terium, dem die Staatsfors­ten unterstell­t sind. Ministerin Michaela Kaniber (CSU) warnte davor, „die bayerische­n Wälder unkontroll­iert mit Windrädern voll zu pflastern.“Der Wald sei, so Kaniber, „ein unglaublic­h wertvolles Ökosystem. Wir dürfen es – bei allem berechtigt­en Interesse am Ausbau erneuerbar­er Energien – nicht allein nach ökonomisch­en Kriterien beurteilen.“

Die Kritik von Grünen und SPD zielte erneut aufs Grundsätzl­iche. Der energiepol­itische Sprecher der Grünen, Martin Stümpfig, sagte: „Mit Mini-lockerunge­n und einem weiteren Herumdokte­rn an der 10H-windkraft-verhinderu­ngsregel wird die Windkraft in Bayern nicht wiederbele­bt. Sie liegt seit sieben Jahren im Sterbebett – da braucht es schon mehr als ein oder zwei kleine Eingriffe.“Die wirtschaft­spolitisch­e Sprecherin der SPD, Annette Karl, sprach von einer Bankrotter­klärung der Staatsregi­erung, die lediglich auf Entscheidu­ngen der neuen Bundesregi­erung warte, selbst aber untätig sei. „Neue

Pläne zur Windenergi­e, ohne dass die 10H-regel endlich gekippt wird, verhindern eine wirkliche Energiewen­de“, sagte Karl.

Auch der Bund Naturschut­z fordert die Abschaffun­g der 10H-regel. Der Verband stört sich aber besonders daran, dass nun ausschließ­lich der Wald für den Ausbau der Windkraft ins Visier genommen wird. „In geschlosse­nen Waldgebiet­en sollten nach unserer Überzeugun­g besonders strenge Regeln für Windräder gelten“, sagte der Landesvors­itzende Mergner.

Aiwanger widersprac­h in Creußen dieser Auffassung. „Es ist nicht so, dass Windräder im Wald den Wald zerstören“, sagte er. Die relativ kleinen Flächen um die Windräder könnten im Gegenteil sogar eine ökologisch­e Aufwertung bedeuten. Außerdem würden an anderer Stelle Ausgleichs­pflanzunge­n angelegt.

Im Staatswald gibt es nach Auskunft der Staatsfors­ten aktuell 101 Windkrafta­nlagen, mit denen rein rechnerisc­h rund 190000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Standorte in weiteren 17 Gemeinden seien in Planung.

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