Der Diesel wird ein Grüner
Maschinenbau Das Augsburger Unternehmen MAN Energy Solutions schreibt eine lange und erfolgreiche Geschichte mit dem Diesel-motor. Nun erfindet sich die Firma zur Freude der Mutter Volkswagen als Treiber der Energiewende neu
Augsburg Im März dieses Jahres war Uwe Lauber vorsichtig, was den Wegfall von 800 der zuletzt gut 4000 Arbeitsplätze in Augsburg betraf. Der Chef des Motoren-, Turbomaschinenund Kraftwerkanlagenbauers sagte damals: „Ich bin guter Dinge, dass wir den Abbau schaffen, ohne betriebsbedingt kündigen zu müssen.“Er schloss zu dem Zeitpunkt Entlassungen nicht aus. Doch jetzt zeigt sich der Manager gegenüber unserer Redaktion erleichtert: „Wir kommen in diesem Jahr ohne betriebsbedingte Kündigungen aus. Und ich bin zuversichtlich, dass uns das auch künftig gelingen wird.“
Die zum Volkswagen-konzern gehörende Firma hat sich verpflichtet, die Rendite von nur 3,5 Prozent im Jahr 2019 auf neun Prozent in 2023 zu steigern. Im Zuge dessen werden Kosten gesenkt, Arbeitsabläufe gestrafft, Teile der Produktion ausgelagert, Aufträge für die Gießerei von Fremdfirmen reingeholt und im großen Stil Stellen gestrichen. Insgesamt hat der Vorstand des Unternehmens VW versprochen, rund 450 Millionen Euro einzusparen. Im Gegenzug verzichtet der Wolfsburger Konzern bis 2024 auf einen immer wieder diskutierten Verkauf von MAN Energy Solutions. Gelingt es Lauber, die Rendite von neun Prozent einzufahren, darf die Firma noch zwei Jahre länger unter dem schützenden Vw-dach bleiben.
Am Unternehmenssitz in Augsburg haben bereits 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Hier gilt, wie für alle vom Personalabbau betroffenen Beschäftigten, das Prinzip der doppelten Freiwilligkeit. Es müssen beide Seiten einwilligen, damit ein Altersteilzeitvertrag oder eine Abfindungsregelung zustande kommt. Insgesamt haben sich am Standort Augsburg etwa 750 Frauen und Männer bereit erklärt, aus dem Unternehmen auszuscheiden.
Dabei beginnt das Effizienzprogramm zu greifen. Der Man-energy-solutions-chef „sieht Licht am Ende des Tunnels“. Nachdem es im vergangenen Corona-jahr gelungen sei, einen Verlust zu vermeiden und bei einem Umsatz von 3,3 Milliarden Euro einen kleinen Gewinn von 42 Millionen Euro vor Steuern und Zinsen zu erzielen, steuere das Unternehmen in diesem Jahr auf eine Vorsteuerrendite von fünf bis sechs Prozent zu. Lauber sagt: „Wir kommen hier schneller voran, als ich das erwartet habe. Das Geld kommt ganz massiv wieder.“Die neun Prozent Rendite seien in Reichweite.
Kann sich der Vorstandsvorsitzende nun zurücklehnen? Er schüttelt den Kopf: „Die letzte Meile ist immer die schwerste. Ich bin aber guter Dinge, dass wir unsere Ziele erreichen.“Schon in diesem Jahr soll bei einem in etwa gleich bleibenden Umsatz der Gewinn deutlich anziehen. Nach den Vorstellungen von Lauber ist das erst der Anfang des Augsburger Man-comebacks. Ihm schwebt vor, bis 2030 rund zwei Milliarden Euro Umsatz draufzupacken – und zwar rein grünen, der mit Technologien zur CO -Reduktion erwirtschaftet wird.
Der Manager baut das Unternehmen kräftig um. Das lässt sich schon allein am Namen ablesen. Die auf den genialen Erfinder Rudolf Diesel und den gleichnamigen Motor aufbauende Firma wurde 2018 von MAN Diesel & Turbo in MAN Solutions umbenannt. Lauber sagt: „Wir gestalten die Energiewende mit.“Das Unternehmen setzt auf Technologien, mit denen regenerative Energie aus Wind- und Solarstrom gespeichert, etwa zu grünem Wasserstoff verarbeitet und in gasförmigem oder flüssigem Zustand mit Schiffen transportiert werden kann. Die Firma, die so eng mit dem Dieselmotor verbunden ist, macht sich daran, mit neuen Motoren die Schifffahrt ökologisch zu revolutionieren. Der Diesel wird ein Grüner.
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Diess die Augsburger und allen voran Lauber mit Lob. Diess attestiert dem Manager, für eine klimagerechtere Welt einzutreten, indem er daran arbeite, Schiffe Co2-frei anzutreiben, Kohlendioxid-reduzierte Energie zu erzeugen und zu speichern und mit riesigen Wärmepumpen die Dekarbonisierung der Fernwärmeversorgung zu ermöglichen.
Vor allem letztere Technologie von MAN Energy Solutions hat es Diess angetan. In der dänischen Stadt Esbjerg baut das Unternehmen mit einem Partner die weltweit erste Anlage der Art auf. Sie soll rund 100 000 Menschen mit Wärme versorgen. Dabei kommt Strom aus Windparks und Meerwasser als Wärmequelle zum Einsatz. In der Endausbau-stufe lässt sich nicht nur Wärme erzeugen und speichern, sondern auch in Elektrizität rückumwandeln. Was für die engere
Bindung zwischen VW und der Augsburger Tochter spricht: Bei einem Termin in Esbjerg mit dem dortigen Bürgermeister war neben Lauber der viel beschäftigte Vwpersonalvorstand Gunnar Kilian vertreten. Der Manager ist auch Aufsichtsratschef von MAN Energy Solutions. Was die Vw-verantwortlichen fasziniert: Wenn die Anlage in Dänemark läuft, wird dort ein Kohlekraftwerk abgeschaltet.
Technologie von MAN Energy Solutions kommt bei einem weiteren spektakulären dänischen Projekt zum Einsatz. Das Unternehmen begleitet den aus dem Land stammenden, weltweit führenden Containerreeder Maersk dabei, seine Flotte vom Diesel- auf einen deutlich umweltfreundlicheren Antrieb umzustellen. Zunächst geht es um acht Riesenfrachter, die ab 2024 mit „grünem“Methanol fahren sollen.
Der Clou dabei: Die Substanz wird nicht mit dreckiger Energie aus Kohle produziert, sondern stammt etwa aus Windkraft. Dass sich der Container-riese bewegt, geht auf den Druck von Kunden zurück, die mit ihren Produkten bei vielen jüngeren Menschen nur landen können, wenn etwa Turnschuhe auch ökologisch transportiert werden. Voraussetzung dafür ist, dass massenhaft in sonnen- und windreichen Gebieten Wasserstoff produziert wird. „Das ist der Match-entscheider im Kampf für den Stopp des Klimawandels“, sagt Lauber.
Dabei gibt es noch viel zu tun, um gerade die Industrie als großen Klimaschädiger umzurüsten. Allein bei der Herstellung von Zement sollen weltweit jährlich 2,8 Milliarden Tonnen CO2 anfallen, was nach Studien knapp acht Prozent des globaenergy len Co2-ausstoßes entspricht. Die Branche schädigt das Klima demnach mehr als der Flugverkehr. Lauber berichtet, dass ein Zementwerk pro Jahr etwa so viel CO2 ausstößt wie rund 250 000 Autos. Doch auch für einen derart dicken Klimabrocken gibt es was von MAN Energy Solutions. So hat das Unternehmen wiederum mit einem Partner ein Verfahren entwickelt, um eine Anlage von Heidelberg Cement in Norwegen ökologisch umzurüsten. Dank der Technik wird das durch die Produktion entstehende CO2 rausgezogen und in ein Bohrloch vor der Küste Norwegens „verpresst“und damit gelagert. Bei dem weltweit ersten Vorhaben dieser Art soll die Kohlendioxid-emission des im Werk produzierten Zements um 50 Prozent gesenkt werden.
MAN Energy Solutions selbst hat noch einen langen Weg zum reinen Klima-unternehmen vor sich. Auch wenn der Markt für grüne Lösungen stark wächst, erwirtschaftet das Unternehmen erst rund 15 Prozent des Umsatzes mit solchen Produkten. Nach wie vor verkauft die Firma Diesel-schiffsmotoren, auch wenn weitaus umweltfreundlichere Gasmotoren stärker gefragt sind.
Wer wie MAN Energy Solutions mit Ideen für eine bessere Umwelt Fantasien weckt, wird gefragt, ob nicht ein Börsengang eine Option sei, um mehr Kapital für all die Träume zur Verfügung zu haben. Lauber versichert: „Wir sind Teil von Volkswagen und das ist auch gut so. Langfristig kann man über so etwas nachdenken, aber zuerst müssen wir unsere Hausaufgaben machen.“Auf alle Fälle wollen die Öko-liebesgrüße von Wolfsburg nach Augsburg nicht verstummen.
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