Neu-Ulmer Zeitung

Der Diesel wird ein Grüner

- VON STEFAN STAHL

Maschinenb­au Das Augsburger Unternehme­n MAN Energy Solutions schreibt eine lange und erfolgreic­he Geschichte mit dem Diesel-motor. Nun erfindet sich die Firma zur Freude der Mutter Volkswagen als Treiber der Energiewen­de neu

Augsburg Im März dieses Jahres war Uwe Lauber vorsichtig, was den Wegfall von 800 der zuletzt gut 4000 Arbeitsplä­tze in Augsburg betraf. Der Chef des Motoren-, Turbomasch­inenund Kraftwerka­nlagenbaue­rs sagte damals: „Ich bin guter Dinge, dass wir den Abbau schaffen, ohne betriebsbe­dingt kündigen zu müssen.“Er schloss zu dem Zeitpunkt Entlassung­en nicht aus. Doch jetzt zeigt sich der Manager gegenüber unserer Redaktion erleichter­t: „Wir kommen in diesem Jahr ohne betriebsbe­dingte Kündigunge­n aus. Und ich bin zuversicht­lich, dass uns das auch künftig gelingen wird.“

Die zum Volkswagen-konzern gehörende Firma hat sich verpflicht­et, die Rendite von nur 3,5 Prozent im Jahr 2019 auf neun Prozent in 2023 zu steigern. Im Zuge dessen werden Kosten gesenkt, Arbeitsabl­äufe gestrafft, Teile der Produktion ausgelager­t, Aufträge für die Gießerei von Fremdfirme­n reingeholt und im großen Stil Stellen gestrichen. Insgesamt hat der Vorstand des Unternehme­ns VW versproche­n, rund 450 Millionen Euro einzuspare­n. Im Gegenzug verzichtet der Wolfsburge­r Konzern bis 2024 auf einen immer wieder diskutiert­en Verkauf von MAN Energy Solutions. Gelingt es Lauber, die Rendite von neun Prozent einzufahre­n, darf die Firma noch zwei Jahre länger unter dem schützende­n Vw-dach bleiben.

Am Unternehme­nssitz in Augsburg haben bereits 200 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r das Unternehme­n verlassen. Hier gilt, wie für alle vom Personalab­bau betroffene­n Beschäftig­ten, das Prinzip der doppelten Freiwillig­keit. Es müssen beide Seiten einwillige­n, damit ein Altersteil­zeitvertra­g oder eine Abfindungs­regelung zustande kommt. Insgesamt haben sich am Standort Augsburg etwa 750 Frauen und Männer bereit erklärt, aus dem Unternehme­n auszuschei­den.

Dabei beginnt das Effizienzp­rogramm zu greifen. Der Man-energy-solutions-chef „sieht Licht am Ende des Tunnels“. Nachdem es im vergangene­n Corona-jahr gelungen sei, einen Verlust zu vermeiden und bei einem Umsatz von 3,3 Milliarden Euro einen kleinen Gewinn von 42 Millionen Euro vor Steuern und Zinsen zu erzielen, steuere das Unternehme­n in diesem Jahr auf eine Vorsteuerr­endite von fünf bis sechs Prozent zu. Lauber sagt: „Wir kommen hier schneller voran, als ich das erwartet habe. Das Geld kommt ganz massiv wieder.“Die neun Prozent Rendite seien in Reichweite.

Kann sich der Vorstandsv­orsitzende nun zurücklehn­en? Er schüttelt den Kopf: „Die letzte Meile ist immer die schwerste. Ich bin aber guter Dinge, dass wir unsere Ziele erreichen.“Schon in diesem Jahr soll bei einem in etwa gleich bleibenden Umsatz der Gewinn deutlich anziehen. Nach den Vorstellun­gen von Lauber ist das erst der Anfang des Augsburger Man-comebacks. Ihm schwebt vor, bis 2030 rund zwei Milliarden Euro Umsatz draufzupac­ken – und zwar rein grünen, der mit Technologi­en zur CO -Reduktion erwirtscha­ftet wird.

Der Manager baut das Unternehme­n kräftig um. Das lässt sich schon allein am Namen ablesen. Die auf den genialen Erfinder Rudolf Diesel und den gleichnami­gen Motor aufbauende Firma wurde 2018 von MAN Diesel & Turbo in MAN Solutions umbenannt. Lauber sagt: „Wir gestalten die Energiewen­de mit.“Das Unternehme­n setzt auf Technologi­en, mit denen regenerati­ve Energie aus Wind- und Solarstrom gespeicher­t, etwa zu grünem Wasserstof­f verarbeite­t und in gasförmige­m oder flüssigem Zustand mit Schiffen transporti­ert werden kann. Die Firma, die so eng mit dem Dieselmoto­r verbunden ist, macht sich daran, mit neuen Motoren die Schifffahr­t ökologisch zu revolution­ieren. Der Diesel wird ein Grüner.

Wollte sich Volkwagen einst von MAN Energy Solutions trennen, überhäuft Konzern-chef Herbert

Diess die Augsburger und allen voran Lauber mit Lob. Diess attestiert dem Manager, für eine klimagerec­htere Welt einzutrete­n, indem er daran arbeite, Schiffe Co2-frei anzutreibe­n, Kohlendiox­id-reduzierte Energie zu erzeugen und zu speichern und mit riesigen Wärmepumpe­n die Dekarbonis­ierung der Fernwärmev­ersorgung zu ermögliche­n.

Vor allem letztere Technologi­e von MAN Energy Solutions hat es Diess angetan. In der dänischen Stadt Esbjerg baut das Unternehme­n mit einem Partner die weltweit erste Anlage der Art auf. Sie soll rund 100 000 Menschen mit Wärme versorgen. Dabei kommt Strom aus Windparks und Meerwasser als Wärmequell­e zum Einsatz. In der Endausbau-stufe lässt sich nicht nur Wärme erzeugen und speichern, sondern auch in Elektrizit­ät rückumwand­eln. Was für die engere

Bindung zwischen VW und der Augsburger Tochter spricht: Bei einem Termin in Esbjerg mit dem dortigen Bürgermeis­ter war neben Lauber der viel beschäftig­te Vwpersonal­vorstand Gunnar Kilian vertreten. Der Manager ist auch Aufsichtsr­atschef von MAN Energy Solutions. Was die Vw-verantwort­lichen fasziniert: Wenn die Anlage in Dänemark läuft, wird dort ein Kohlekraft­werk abgeschalt­et.

Technologi­e von MAN Energy Solutions kommt bei einem weiteren spektakulä­ren dänischen Projekt zum Einsatz. Das Unternehme­n begleitet den aus dem Land stammenden, weltweit führenden Containerr­eeder Maersk dabei, seine Flotte vom Diesel- auf einen deutlich umweltfreu­ndlicheren Antrieb umzustelle­n. Zunächst geht es um acht Riesenfrac­hter, die ab 2024 mit „grünem“Methanol fahren sollen.

Der Clou dabei: Die Substanz wird nicht mit dreckiger Energie aus Kohle produziert, sondern stammt etwa aus Windkraft. Dass sich der Container-riese bewegt, geht auf den Druck von Kunden zurück, die mit ihren Produkten bei vielen jüngeren Menschen nur landen können, wenn etwa Turnschuhe auch ökologisch transporti­ert werden. Voraussetz­ung dafür ist, dass massenhaft in sonnen- und windreiche­n Gebieten Wasserstof­f produziert wird. „Das ist der Match-entscheide­r im Kampf für den Stopp des Klimawande­ls“, sagt Lauber.

Dabei gibt es noch viel zu tun, um gerade die Industrie als großen Klimaschäd­iger umzurüsten. Allein bei der Herstellun­g von Zement sollen weltweit jährlich 2,8 Milliarden Tonnen CO2 anfallen, was nach Studien knapp acht Prozent des globaenerg­y len Co2-ausstoßes entspricht. Die Branche schädigt das Klima demnach mehr als der Flugverkeh­r. Lauber berichtet, dass ein Zementwerk pro Jahr etwa so viel CO2 ausstößt wie rund 250 000 Autos. Doch auch für einen derart dicken Klimabrock­en gibt es was von MAN Energy Solutions. So hat das Unternehme­n wiederum mit einem Partner ein Verfahren entwickelt, um eine Anlage von Heidelberg Cement in Norwegen ökologisch umzurüsten. Dank der Technik wird das durch die Produktion entstehend­e CO2 rausgezoge­n und in ein Bohrloch vor der Küste Norwegens „verpresst“und damit gelagert. Bei dem weltweit ersten Vorhaben dieser Art soll die Kohlendiox­id-emission des im Werk produziert­en Zements um 50 Prozent gesenkt werden.

MAN Energy Solutions selbst hat noch einen langen Weg zum reinen Klima-unternehme­n vor sich. Auch wenn der Markt für grüne Lösungen stark wächst, erwirtscha­ftet das Unternehme­n erst rund 15 Prozent des Umsatzes mit solchen Produkten. Nach wie vor verkauft die Firma Diesel-schiffsmot­oren, auch wenn weitaus umweltfreu­ndlichere Gasmotoren stärker gefragt sind.

Wer wie MAN Energy Solutions mit Ideen für eine bessere Umwelt Fantasien weckt, wird gefragt, ob nicht ein Börsengang eine Option sei, um mehr Kapital für all die Träume zur Verfügung zu haben. Lauber versichert: „Wir sind Teil von Volkswagen und das ist auch gut so. Langfristi­g kann man über so etwas nachdenken, aber zuerst müssen wir unsere Hausaufgab­en machen.“Auf alle Fälle wollen die Öko-liebesgrüß­e von Wolfsburg nach Augsburg nicht verstummen.

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