Nur Bares ist Wahres
Währung In Argentinien horten die Menschen Us-dollars in großem Stil. Da muss man aufpassen, dass sie nicht schimmeln
Buenos Aires Der Elektriker staunte nicht schlecht, als er bei der Renovierung einer Wohnung in Buenos Aires neue Kabelschächte zog. Hinter der Wand entdeckte er mehrere Rollen mit Dollarscheinen – alte Banknoten, die ein Vorbesitzer dort versteckt hatte. In keinem anderen Land der Welt außerhalb der USA sind so viele Dollarnoten im Umlauf wie in Argentinien. Nach Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers Nicolás Gadano besitzen die Argentinier 200 Milliarden Usdollar in bar. Das sind 10 Prozent aller sich im Umlauf befindenden Dollarscheine weltweit.
„Der Dollar ist ein Instrument vieler Familien, um zu sparen, um sich gegen die Inflation zu schützen, um den Wert der Einkünfte zu bewahren“, sagt die Soziologin und Co-autorin des Buches „Der Dollar: Die Geschichte einer argentinischen Währung“, Mariana Luzzi. Pro Kopf verfügen die Argentinier über mehr Dollar in bar als die Usbürger. Jeder Argentinier hat 4400 Us-dollar auf der hohen Kante, während die Us-sparer durchschnittlich lediglich über 3083 Dollar in bar verfügen.
Die Obsession der Argentinier für Bargeld rührt aus einem tiefen Trauma. Während der Finanzkrise 2001 fror die Regierung die Bankeinlagen ein. Die Sparer durften nur 250 Pesos pro Woche bar abheben. Seitdem vertrauen die Argentinier nicht mehr auf die Banken und horten ihr Erspartes lieber daheim – im Tresor, unter der Matratze, zwischen Büchern, auf dem Dachboden.
Im Internet gibt es zahlreiche Tipps, wie die Scheine am besten aufbewahrt werden. Die Dollars sollten möglichst kühl bei Temperaturen zwischen 10 und 20 Grad und einer Luftfeuchtigkeit zwischen 30 und 50 Prozent gelagert werden. Um Schimmel fernzuhalten, wird dazu geraten, die Scheine in Alufolie einzuschlagen und dann in luftdichten Plastiktüten zu verstauen. Dennoch kommt es immer wieder zu Malheurs: Mal befallen Insekten die Ersparnisse, mal dringt Feuchtigkeit ein, mal sind die Scheine so gut versteckt, dass die Sparer sie nicht wiederfinden. Mehrere Unternehmen haben sich in Argentinien darauf spezialisiert, beschädigte Dollarnoten aufzukaufen.
Die große Menge an Bargeld kann aber auch eine Gefahr darstellen. Da Kriminelle davon ausgehen können, dass selbst Familien aus einfachen Verhältnissen ein paar Tausend Dollar zu Hause haben, kommt es zu brutalen Überfällen.
Der heißen Liebe für den Dollar steht in Argentinien eine tiefe Verachtung für die Landeswährung gegenüber. Bei einer Inflationsrate von über 50 Prozent verliert der Peso so schnell an Wert, dass er möglichst schnell ausgegeben wird.
Offiziell dürfen die Argentinier nur 200 Us-dollar pro Monat erwerben. Deshalb blüht der Schwarzmarkt. „Cambio, Cambio“schallt es durch Buenos Aires. Dutzende Geldwechsler, sogenannte „Arbolitos“(Bäumchen), versuchen, die Kunden in die „Cuevas“(Höhlen) zu locken. Zwar ist ihr Geschäft verboten, ernsthaft gehen die Behörden aber nicht dagegen vor. Der Schwarzmarktpreis des Dollars steht sogar täglich in der Zeitung.
Denis Düttmann, dpa