Neu-Ulmer Zeitung

EU ringt um Antwort auf Energie‰preisschoc­k

- VON KATRIN PRIBYL

Kosten Die Preise explodiere­n, aber die politische­n Fronten sind verhärtet: Einige Staaten würden gerne den gesamten Energiemar­kt reformiere­n. Warum sich Deutschlan­d und weitere Länder dagegen sperren

Brüssel Eigentlich sollten sie schnelle Lösungen im Kampf gegen die explodiere­nden Energiepre­ise suchen, die Millionen Europäerin­nen und Europäer seit Monaten beim Heizen, Tanken und damit direkt im Geldbeutel spüren. Doch noch bevor die Energiemin­isterinnen und Energiemin­ister zu ihrem Sondertref­fen gestern Vormittag zusammenka­men, hatten einige Mitgliedst­aaten bereits für klare Fronten gesorgt. Sie dürfen ohne Zweifel als verhärtet bezeichnet werden.

Der Vorstoß in Form eines Positionsp­apiers fiel vor allem von deutscher Seite so deutlich aus wie selten auf europäisch­er Ebene. Gemeinsam mit acht weiteren Ländern hatte die Bundesregi­erung kurz vor dem Treffen in Luxemburg Forderunge­n nach einer Reform der Energiemär­kte zurückgewi­esen. „Da die Preisspitz­en globale Ursachen haben, sollten wir sehr vorsichtig sein, bevor wir in die Struktur des Energiebin­nenmarktes eingreifen“, hieß es in dem Schreiben. Um die Belastung für Verbrauche­r und Unternehme­n zu mindern, müsse die EU mittelfris­tig viel mehr auf das Einsparen von Energie sowie auf den Ausbau der erneuerbar­en Energien setzen. Zu den Unterzeich­nern gehörten neben Deutschlan­d auch Dänemark, Österreich, die Niederland­e, Estland, Finnland, Irland, Luxemburg und Lettland. Mittlerwei­le wird die Erklärung von elf Eu-mitglieder­n unterstütz­t.

Der Streit um die explodiere­nden Preise spaltet die Gemeinscha­ft. Die Positionen der Mitgliedst­aaten liegen weit auseinande­r: Hier die nordeuropä­ischen Länder, die „keine Maßnahmen unterstütz­en, die mit den internen Gas- und Strommärkt­en in Widerspruc­h stehen“. Dort die Südeuropäe­r, die noch stärker vom Anstieg der Preise betroffen sind – und grundlegen­de Änderungen des Großhandel­smarktes für Strom fordern. Sie hoffen, damit die Abhängigke­it des Strompreis­es vom stark gestiegene­n Gaspreis zu reduzieren. Unter anderem Spanien dringt außerdem auf einen gemeinsame­n Einkauf und die Speicherun­g von Erdgas. Vorschläge will die Eukommissi­on prüfen.

Auf eine gemeinsame Linie in Sachen Sofortmaßn­ahmen konnten sich die Energiemin­isterinnen und -minister gestern nicht festlegen. Immerhin bei einem Punkt habe Einigkeit geherrscht, meinte Euenergiek­ommissarin Kadri Simson.

„Die einzige dauerhafte Lösung für Preisschwa­nkungen und unserer Abhängigke­it von fossilen Brennstoff­en“sei mehr erneuerbar­e Energie und Energieeff­izienz. Als „ermutigend­ste Botschaft“bezeichnet­e die Estin, dass die meisten Länder bereits Werkzeuge aus der sogenannte­n Toolbox entweder angekündig­t oder umgesetzt haben, um die Folgen der gestiegene­n Preise auf die Verbrauche­r abzumilder­n.

Vor zwei Wochen stellte die Kommission die Maßnahmen vor, die Eu-länder anwenden können, ohne gegen die europäisch­en Wettbewerb­sregeln zu verstoßen. Dazu zählen direkte Zahlungen an einkommens­schwache Haushalte, Steuererle­ichterunge­n und Subvention­en für kleine Unternehme­n.

Freie Preisbildu­ng und wettbewerb­liche Märkte seien eine zentrale Grundlage, „um unsere Energiever­sorgungssi­cherheit weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleis­ten, wichtige Innovation­en für die Energiewen­de voranzutre­iben und Energie bezahlbar zu halten“, betonte der deutsche Staatssekr­etär Andreas Feicht. Eine Interventi­on in das Euemission­shandelssy­stem wäre „nicht zielführen­d“. Im Gegenteil, wie er sagte: „Der Emissionsh­andel funktionie­rt.“

Wie die Eu-kommission sieht jene Gruppe um Deutschlan­d einen der Gründe für den Preisschoc­k in der weltweit gestiegene­n Nachfrage nach Energie, und insbesonde­re nach Gas, da die wirtschaft­liche Erholung nach dem Höhepunkt der Pandemie in Gang kommt. Während jene Staaten die Klimabesti­mmungen als Lösung für die hohen Kosten und nicht als deren Ursprung betrachten, machen etwa Polen und Ungarn die Maßnahmen des Eu-klimapaket­s wie den Handel mit Kohlenstof­fdioxid für den Preisansti­eg mitverantw­ortlich. Das Eu-emissionsh­andelssyst­em sieht vor, dass beispielsw­eise Stromanbie­ter für den Ausstoß von Treibhausg­asen wie CO2 zahlen müssen.

Die hohen Preise wirkten „wie ein Brandbesch­leuniger auf die Glut europäisch­er Streitfrag­en“, sagte Europaabge­ordneter Markus Ferber (CSU). Die Frage sei, warum die Deutschen etwa noch immer nicht problemlos Solarenerg­ie aus Spanien beziehen könnten. „Gerade wer mehr erneuerbar­e Energie verwenden will, darf nicht in Staatsgren­zen denken“, so Ferber. Vielmehr brauche die Staatengem­einschaft „einen integriert­en Energiebin­nenmarkt, der uns unabhängig­er von Lieferunge­n außerhalb der EU macht“.

 ?? Foto: dpa ?? Egal, ob der Strom aus der Kohle kommt oder vom Solarfeld: Die Energiepre­ise ex‰ plodieren und der Druck auf die Politik wächst.
Foto: dpa Egal, ob der Strom aus der Kohle kommt oder vom Solarfeld: Die Energiepre­ise ex‰ plodieren und der Druck auf die Politik wächst.

Newspapers in German

Newspapers from Germany