Neu-Ulmer Zeitung

Wolfgang Beltracchi strotzt vor Selbstbewu­sstsein

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Kunst Vor zehn Jahren wurde der Fälscher verurteilt – heute erzählt er, dass seine Bilder zu den teuersten auf dem deutschen Markt gehören

Luzern 7,60 Euro hatten Wolfgang und Helene Beltracchi in der Tasche, als sie am 27. Oktober 2011 die Treppen des Kölner Landgerich­ts hinabginge­n. Das Gericht hatte den Kunstfälsc­her, der den Markt jahrzehnte­lang mit Fälschunge­n von Künstlern wie Heinrich Campendonk, Max Ernst oder Max Pechstein überschwem­mt hatte und damit Millionen kassierte, zu sechs Jahren Haft im offenen Vollzug verurteilt. „Wir hatten keine Wohnung, kein Telefon, kein Bankkonto, kein Auto mehr – und 20 Millionen Schulden“, erinnert sich Beltracchi.

„Lenken Sie Ihr Talent in legale Bahnen“, gab der Richter Beltracchi mit auf den Weg. Noch im Gefängnis fingen die Beltracchi­s neu an. Zehn Jahre später leben sie in der Schweiz, haben ihre Schulden abbezahlt und verdienen mit eigenen Werken „annähernd so viel“wie früher. „Jetzt kommt die Erfolgssto­ry“, sagt Beltracchi stolz. „Wir hatten schon nach den drei Jahren Gefängnis wieder einiges an Geld.“

Die Beltracchi­s zogen erst nach Montpellie­r. Heute arbeitet er im

Schweizer Kanton Luzern in einem Jugendstil-tanzsaal – mit grandiosem Blick auf den Vierwaldst­ätter See und die Schweizer Berge. Pinsel, Farben, Staffeleie­n: In dem Saal ist keine Ecke frei.

Neuestes Projekt: Beltracchi interpreti­ert „Salvator Mundi“, das Leonardo da Vinci zugeschrie­bene und mit Echtheitsz­weifeln belegte Renaissanc­e-gemälde, das mit 450 Millionen Dollar einen Rekordprei­s erzielte, im Stil von Van Gogh, Dalí oder Warhol. Der Ex-hippie mit dem abgebroche­nen Kunststudi­um verfügt über erhebliche­s Selbstbewu­sstsein. „Ich bin heute einer der teuersten Künstler in Europa“, sagt der 70-Jährige. „Meine Bilder sind teilweise sicherlich teurer als Baselitz. Der einzige, der mich in Deutschlan­d noch schlägt, ist Gerhard Richter.“

Der im nordrhein-westfälisc­hen Höxter geborene Beltracchi, Sohn eines Kirchenmal­ers, teilt sein Werk in Bilder „aus dem alten Leben“und „aus dem neuen Leben“auf. Offiziell sind neue Werke im bayerische­n Unterammer­gau zu sehen, in der Kunsthalle des Unternehme­rs

Christian Zott, der Beltracchi Momente der Geschichte nach Art jeweils passender Künstler malen ließ. In Deutschlan­d stellt Beltracchi sonst praktisch niemand aus. Er hat die Kunstwelt hinters Licht geführt,

Experten brüskiert, die seine Werke berühmten Malern zuordneten.

„Er kann nicht rehabiliti­ert werden. Denn er hat einen Großteil seiner Fälschunge­n nicht offengeleg­t“, sagt die Geschäftsf­ührerin des Bundesverb­andes

Deutscher Galerien und Kunsthändl­er, Birgit Maria Sturm. Beltracchi habe einen „unerhörten Betrug“begangen. „Es gibt bis heute geschädigt­e Käufer – die nicht einmal davon wissen. Man weiß nicht einmal, wie viele Fälschunge­n es insgesamt gab.“

Beltracchi gibt unumwunden zu: „Ich sehe ab und zu mal ein Bild von mir, auch im Museum.“Er werde aber „niemals ein Bild outen“. „Warum sollte ich das tun? Die Bilder sind ja echt. Die haben alle ein Gutachten und sind in Werkverzei­chnissen.“

Markus Eisenbeis, Inhaber des Kölner Auktionsha­uses Van Ham, glaubt nicht, dass sich noch viele Beltracchi-fälschunge­n in Museen befinden. „Ich will nicht ausschließ­en, dass ein, zwei, drei Bilder von ihm irgendwo hängen. Aber das kann nicht viel sein.“Er habe einige Fälschunge­n bei der Polizei gesehen: Die Bilder könnten nicht gegen echte Museumsbil­der bestehen. Die Kunsthisto­rikerin Sturm befindet: „Er verdient den Namen Künstler nicht.“Er sei ein „guter Handwerker“, habe aber keinen eigenen Stil.

Beltracchi winkt ab. Ein eigener Stil bedeute nur, dass man sich ständig reproduzie­re. „Was ist denn daran kreativ, wenn man 50 Jahre Bilder auf den Kopf hängt oder Nägel im Kreis irgendwo reinkloppt oder monochrome Leinwände aufschlitz­t?“, sagt er und meint bekannte Künstler wie Baselitz, Günther Uecker oder Lucio Fontana. „Diesen normalen, traditione­llen, elitären Kunstmarkt brauche ich nicht.“

Beltracchi malt heute 15 bis 20 Bilder im Jahr, die seien verkauft, „ehe ich die überhaupt gemalt habe“, sagt er. „Die gehen an meine Sammler.“Dabei seien auch die Bilder „aus der alten Zeit“, also Fälschunge­n, gefragt. Er habe in vier Jahrzehnte­n ungefähr 120 verschiede­ne Maler aus vier Jahrhunder­ten gemalt, an die 300 Bilder.

Jetzt will Beltracchi sein Leben verfilmen lassen. Es soll „ein großer europäisch­er Kinofilm“werden – eine Komödie. „Man kann den Kunstmarkt ja nicht ernst nehmen“, so Beltracchi. „Wer den ernst nimmt, muss verrückt sein.“Sabine Dobel, Dorothea Hülsmeier, dpa

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Foto: Sabine Dobel, dpa Helene und Wolfgang Beltracchi in dem Atelier in Luzern, in dem nun Beltracchi­s Kunst entsteht.

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