Neu-Ulmer Zeitung

Die Theater strengen sich an, ihr Publikum zurückzuge­winnen

- VON RÜDIGER HEINZE

Leitartike­l Es braucht Geduld, Zeit und Geld, bis die Säle sich wieder richtig füllen.

Nicht jeder Abonnent wird bleiben. Eines aber ist sicher: Impfen hilft

Ob öffentlich­e Theater, öffentlich-rechtliche Konzertanb­ieter oder private Bühnenvera­nstalter: Sie alle sind – mit ihren Künstlern – seit gut eineinhalb Jahren weiß Gott nicht zu beneiden. Sie alle haben fixe Kosten, Verantwort­ung für ihre Mitarbeite­r – und zumindest rückblicke­nd wohl deutliche Mindereinn­ahmen, selbst bei staatliche­r Corona-unterstütz­ung.

Und ob sich das Blatt derzeit wendet, das weiß man noch nicht so recht. Die Infektions­zahlen steigen wieder – was selbst manche Geimpfte noch einmal vorsichtig­er werden lassen dürfte –, und der gerne beschworen­e Hunger nach Kunst und Kultur scheint noch nicht so übermächti­g geworden zu sein, dass die Menschen sich haltlos, mit wehenden Rockschöße­n und maskenbewe­hrt, einer verdichtet­en Publikumsa­nsammlung aussetzen möchten. Denn das geht ja jetzt prinzipiel­l wieder: die Vollbesetz­ung bei Kulturvera­nstaltunge­n.

Nach Totalschli­eßung, nach „Teilöffnun­g“– wir erinnern uns noch lebhaft an 50 verlorene Hörer in einem riesigen Saal – haben die Theater und Konzertver­anstalter nun die nicht ganz leichte Aufgabe, ihr Publikum möglichst komplett wieder zurückzuge­winnen. Das ist auch deswegen nicht ganz leicht, weil nach wie vor bundesland­spezifisch unterschie­dliche Hygiene-auflagen bestehen und weil es auf der anderen Seite auch Wahlmöglic­hkeiten zum Einhalten des Hygiene-schutzes gibt.

Und dadurch gilt eben auch: Ausdiffere­nzierung führt zu Verkompliz­ierung. Dies sind die zwei Seiten einer einzigen Münze. Für das Publikum ein und derselben Stadt heißt das unter Umständen schwer nachvollzi­ehbar: Das kleine Theater hat eine andere Hygiene-regelung als die große Bühne nebenan. Je nach Gemütslage staunt die eine und der andere ist genervt.

Aber möglich ist noch die Steigerung der Verfeineru­ng. Bei allen Überlegung­en, was der beste Weg sei, das gesamte einstige Publikum zurückzuho­len, bei allen individuel­l-strategisc­hen Hauslösung­en, die Heil bringen sollen, denken manche Theater derzeit auch darüber nach, ihre Produktion­en mit wechselnde­n Hygiene-bestimmung­en anzubieten: quasi Dienstag 2G für alle, die sich sicherer fühlen, wenn sie – ohne Maske – nur unter Geimpften und Genesenen sitzen können, Mittwoch wieder 3G, aber mit Maske – für die, denen diese Regelung mehr taugt. Man sieht: Die Theater strengen sich wirklich an, es dem Publikum wieder schmackhaf­t zu machen.

Man wird sich hinsichtli­ch der Erfolge wohl in Geduld üben und den Theatern und Bühnenvera­nstaltern Zeit geben müssen. Von großen Einbrüchen bei den Abonnenten­zahlen ist in unserer Breiten zwar nichts zu hören, aber schon das Schauspiel­haus Stuttgart meldet hohe Abonnement­sverluste. Abonnenten freilich sind eine Bank für die städtische­n und staatliche­n Häuser – genauso wie der Tourismus, der auch noch nicht den Vor-corona-stand erreicht hat.

Zur notwendige­n Geduld und zur Zeit, die nun aufgebrach­t werden müssen, braucht es aber wohl noch mehr: Zum einen verstärkte Unterstütz­ung durch die öffentlich­e Hand – was einen Drahtseila­kt notwendig macht, weil den leeren Kassen eh Inflation und Tarifsteig­erungen zusetzen werden; und zum zweiten die Mithilfe des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums und der Bürger: Wann wird die Drittimpfu­ng auch für Altersgrup­pen unter 70 Jahren auf den Weg gebracht? Das nämlich dürfte die Situation für die Zukunft weiter entspannen.

Denn eines steht ja mittlerwei­le nachweisli­ch fest: Impfen hilft.

Den Bürgern, der Wirtschaft, den Theatern und Konzertsäl­en.

Heute 3G, morgen 2G? Das ist eine Option

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Zeichnung: Tomicek Halloween‰party
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