Die Theater strengen sich an, ihr Publikum zurückzugewinnen
Leitartikel Es braucht Geduld, Zeit und Geld, bis die Säle sich wieder richtig füllen.
Nicht jeder Abonnent wird bleiben. Eines aber ist sicher: Impfen hilft
Ob öffentliche Theater, öffentlich-rechtliche Konzertanbieter oder private Bühnenveranstalter: Sie alle sind – mit ihren Künstlern – seit gut eineinhalb Jahren weiß Gott nicht zu beneiden. Sie alle haben fixe Kosten, Verantwortung für ihre Mitarbeiter – und zumindest rückblickend wohl deutliche Mindereinnahmen, selbst bei staatlicher Corona-unterstützung.
Und ob sich das Blatt derzeit wendet, das weiß man noch nicht so recht. Die Infektionszahlen steigen wieder – was selbst manche Geimpfte noch einmal vorsichtiger werden lassen dürfte –, und der gerne beschworene Hunger nach Kunst und Kultur scheint noch nicht so übermächtig geworden zu sein, dass die Menschen sich haltlos, mit wehenden Rockschößen und maskenbewehrt, einer verdichteten Publikumsansammlung aussetzen möchten. Denn das geht ja jetzt prinzipiell wieder: die Vollbesetzung bei Kulturveranstaltungen.
Nach Totalschließung, nach „Teilöffnung“– wir erinnern uns noch lebhaft an 50 verlorene Hörer in einem riesigen Saal – haben die Theater und Konzertveranstalter nun die nicht ganz leichte Aufgabe, ihr Publikum möglichst komplett wieder zurückzugewinnen. Das ist auch deswegen nicht ganz leicht, weil nach wie vor bundeslandspezifisch unterschiedliche Hygiene-auflagen bestehen und weil es auf der anderen Seite auch Wahlmöglichkeiten zum Einhalten des Hygiene-schutzes gibt.
Und dadurch gilt eben auch: Ausdifferenzierung führt zu Verkomplizierung. Dies sind die zwei Seiten einer einzigen Münze. Für das Publikum ein und derselben Stadt heißt das unter Umständen schwer nachvollziehbar: Das kleine Theater hat eine andere Hygiene-regelung als die große Bühne nebenan. Je nach Gemütslage staunt die eine und der andere ist genervt.
Aber möglich ist noch die Steigerung der Verfeinerung. Bei allen Überlegungen, was der beste Weg sei, das gesamte einstige Publikum zurückzuholen, bei allen individuell-strategischen Hauslösungen, die Heil bringen sollen, denken manche Theater derzeit auch darüber nach, ihre Produktionen mit wechselnden Hygiene-bestimmungen anzubieten: quasi Dienstag 2G für alle, die sich sicherer fühlen, wenn sie – ohne Maske – nur unter Geimpften und Genesenen sitzen können, Mittwoch wieder 3G, aber mit Maske – für die, denen diese Regelung mehr taugt. Man sieht: Die Theater strengen sich wirklich an, es dem Publikum wieder schmackhaft zu machen.
Man wird sich hinsichtlich der Erfolge wohl in Geduld üben und den Theatern und Bühnenveranstaltern Zeit geben müssen. Von großen Einbrüchen bei den Abonnentenzahlen ist in unserer Breiten zwar nichts zu hören, aber schon das Schauspielhaus Stuttgart meldet hohe Abonnementsverluste. Abonnenten freilich sind eine Bank für die städtischen und staatlichen Häuser – genauso wie der Tourismus, der auch noch nicht den Vor-corona-stand erreicht hat.
Zur notwendigen Geduld und zur Zeit, die nun aufgebracht werden müssen, braucht es aber wohl noch mehr: Zum einen verstärkte Unterstützung durch die öffentliche Hand – was einen Drahtseilakt notwendig macht, weil den leeren Kassen eh Inflation und Tarifsteigerungen zusetzen werden; und zum zweiten die Mithilfe des Bundesgesundheitsministeriums und der Bürger: Wann wird die Drittimpfung auch für Altersgruppen unter 70 Jahren auf den Weg gebracht? Das nämlich dürfte die Situation für die Zukunft weiter entspannen.
Denn eines steht ja mittlerweile nachweislich fest: Impfen hilft.
Den Bürgern, der Wirtschaft, den Theatern und Konzertsälen.
Heute 3G, morgen 2G? Das ist eine Option