Neu-Ulmer Zeitung

Ausbildung­sflaute trübt Herbstbele­bung

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Arbeitsmar­kt Die Wirtschaft trotzt der Pandemie: Noch nie seit der Wiedervere­inigung waren so viele Menschen sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­t. Warum sich der Fokus auf junge Menschen und Langzeitar­beitslose richtet

Nürnberg Die Konjunktur ist vor allem bei den Dienstleis­tungen stark, die Herbstbele­bung auf dem Arbeitsmar­kt hält an, die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten ist so hoch wie nie. Trotz solch positiver Signale ist der Vorstandsc­hef der Bundesagen­tur für Arbeit nicht zufrieden. „Es können nicht alle Menschen in gleicher Weise davon profitiere­n“, beklagte Detlef Scheele in Nürnberg. Er meint damit Menschen ohne abgeschlos­sene Berufsausb­ildung, die sich besonders schwertäte­n, nach Corona in einen Job zurückzuke­hren. Und er meint Schulabgän­ger, die noch auf eine Ausbildung warten.

Der Start des Ausbildung­sjahrgangs 2021 lief schlecht: pandemiebe­dingt weniger Ausbildung­sbörsen, schwierige­r Zugang für Berufsbera­ter zu Schulen, weniger Praktika. „Die Ergebnisse bleiben trotz einer Aufhellung noch sehr deutlich hinter denen vor der Pandemie zurück und wir stehen weiterhin vor großen Herausford­erungen“, so Scheele. In den vergangene­n zwölf Monaten wurden den Jobcentern und Arbeitsage­nturen 511 300 Lehrstelle­n gemeldet, 19000 weniger als im gleichen Zeitraum davor. Demgegenüb­er haben 433500 Bewerberin­nen und Bewerber Beratungen in

Anspruch genommen (39400 weniger). 5,7 Prozent der Bewerber waren Ende September noch unversorgt – eine etwas günstigere Quote als 2020. „Aber das kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass wir im Ergebnis nicht zufrieden sein können mit diesem Ausbildung­sjahr“, betonte Scheele. „Der Rückgang liegt nicht an der Demografie, die Schü

sinken nicht, sie sind stabil“, sagte Scheele. Die jungen Leute suchten sich Alternativ­en zur dualen Ausbildung – etwa in einem längeren Schulbesuc­h, einem Studium oder auch in ungelernte­r Erwerbstät­igkeit. Auch Fachschula­usbildunge­n, etwa für Erzieherin­nen und Altenpfleg­erinnen, stünden in Konkurrenz zur klassische­n Lehrstelle.

Insgesamt ist die Zahl der Arbeitslos­en dank anhaltende­r Herbstbele­bung im Oktober kräftig auf 2,377 Millionen gesunken. Das sind 88000 weniger als im September und 383 000 weniger als im Oktober 2020. Vor der Pandemie war die Arbeitslos­igkeit im Oktober nur um jeweils etwa 50000 zurückgega­ngen. Die Quote sank im Oktober um 0,2 Punkte auf 5,2 Prozent.

Die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten stieg im Oktober auf einen Rekordwert. Mit 33,97 Millionen ist deren Zahl so hoch wie noch nie seit der Wiedervere­inigung. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen sei höher als vor der Pandemie. Das belege die hohe Nachfrage nach Arbeitskrä­ften, besonders Facharbeit­ern. „Der Fachkräfte­mangel ist nach wie vor die Wachstumsb­remse“, so Scheele. Es werde für die neue Bundesregi­erung eine der Herausford­erungen sein, das inländisch­e Potenzial zu heben und Zuzug aus dem Ausland so zu ermögliche­n, dass auch das Problem der Anerkennun­g etwa von im Ausland erworbenen Handwerksa­usbildunge­n gelöst wird. „Klar ist: Der wirtschaft­liche Aufschwung kann nur mit den richtigen Fachkräfte­n gelingen“, sagte Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger. „Wir Arbeitgele­rzahlen ber halten mit aller Kraft an Ausbildung fest.“Auch im zweiten Corona-jahr gebe es mehr Plätze als Bewerberin­nen und Bewerber. „Wir müssen alles daransetze­n, das Matching von Angebot und Nachfrage voranzubri­ngen. Eine praxisorie­ntierte Berufsorie­ntierung ist dafür ein Muss“, so Dulger.

Arbeitsmin­ister Hubertus Heil erinnerte an das Problem der Langzeitar­beitslosen, deren Zahl in der Pandemie deutlich zugenommen hat und immer noch jenseits der Grenze von einer Million liegt. Der Anteil der Langzeitar­beitslosen – also der Menschen, die länger als zwölf Monate ohne Job sind – habe sich während der Pandemie seit März 2020 von 30,3 auf 42,4 Prozent erhöht, schreibt die Bundesagen­tur.

Zwischen 1. und 24. Oktober hatten Betriebe für 93000 Personen Kurzarbeit angemeldet. Wie viel tatsächlic­h in Anspruch genommen wird, entscheide­t sich aber erst später. Die neuesten Daten für die Inanspruch­nahme stammen aus dem August. In diesem Monat zahlte die Bundesagen­tur für 760000 Menschen Kurzarbeit­ergeld. Dies ist deutlich weniger als auf dem Höhepunkt der Pandemie, als knapp sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit waren. (dpa)

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