Extrawünsche müssen warten
Mangel Die Krise auf dem globalen Markt machen sich im Alltag der Deutschen bemerkbar. Fahrräder, Haushaltsgeräte, Kachelöfen:
Bei diesen Produkten kann es zu Engpässen kommen – gerade im bevorstehenden Weihnachtsgeschäft
Schrobenhausen Im Lager herrscht reger Betrieb. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schwirren geschäftig in den Gängen umher, packen Puzzles, Puppen und Lego in Kisten. Gerade parkt ein Lastwagen vor dem Eingang. Eine Ladung von Playmobil, wie Christian Krömer sagt. Er ist Geschäftsführer des gleichnamigen Familienunternehmens, das 24 Spielwarengeschäfte in Bayern betreibt. „Wir haben eingekauft wie die Weltmeister“, sagt Krömer. Das Lager sei so voll wie noch nie. Der Platz habe nicht ausgereicht, seit kurzem steht sogar zusätzlich noch ein behelfsmäßiges Zelt im Hof. Warum?
Die Fülle an Waren im Lager ist tatsächlich ein Zeichen der drohenden Engpässe. Denn der globale Markt wird von einem Nachbeben der Corona-pandemie geschüttelt und steckt in einer Krise. Nachdem im vergangenen Jahr viele Fabriken heruntergefahren wurden, schoss heuer die Nachfrage nach Waren durch die Decke. Aber es fehlt an essenziellen Materialien wie Altpapier, Schmierstoffen und Stahlschrott, Mikrochips sind knapp, Rohstoffe rar – und es gibt kaum Kapazitäten, also Container im Schiffsverkehr, um sie zu transportieren. Deshalb horten Unternehmen ihre Waren, wo sie nur können.
Auch in Deutschland verschärft sich der Materialmangel. Rund 77 Prozent der deutschen Industriefirmen berichteten im September über Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen, wie das Ifo-institut für Wirtschaftsforschung schreibt. Die Auswirkungen dieses globalen Tauziehens um Waren machen sich zunehmend in deutschen Läden bemerkbar. Kundinnen und Kunden müssen zum Teil lange Wartezeiten in Kauf nehmen oder flexibel sein. Diese Produkte sind vor allem betroffen:
Heizöfen Die Kernelemente von Öfen sind Guss und Stahl – beides ist nur schwer zu kriegen und enorm teuer. Ralf Tigges ist Vorsitzender von Hagos, dem Verbund der Kachelofenbauerbetriebe. Mit neuen Kachelöfen, Heizkaminen und Ofenrohren sieht es schwierig aus, wie der Großhändler berichtet. Er habe erst kürzlich eine Bestellung bei seinem Lieferanten aufgegeben: Die Lieferung, die unter normalen Umständen etwa sechs Wochen dauert, sei ihm für Ende Juni 2022 angekündigt.
„Die Kosten für Rohstoffe sind explodiert und teilweise um bis zu hundert Prozent gestiegen“, sagt er. Kundinnen und Kunden müssten sich auf steigende Preise einstellen. „Wenn man heute ein Ofenrohr kauft, kann das bis zu 30 Prozent mehr kosten als noch vor einem Jahr.“Dabei sei die Nachfrage nach Öfen enorm gestiegen. Zum Teil wegen vermehrter Neubauten, aber auch zur Modernisierung alter Anlagen, die bestimmte Verbrennungswerte überschreiten. Die fehlenden Rohstoffe seien nur ein Faktor, der zu Engpässen führt. Es mangle an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Großhandel, in der Industrie und im Handwerk. „Die ganze Wertschöpfungskette arbeitet am Anschlag“, sagt Tigges. Mit einer Entspannung rechne er frühestens Mitte kommenden Jahres.
Möbel Ein Streifzug durch den Online-shop von Ikea lässt einige rote Punkte aufleuchten: Einige
Produkte sind nur eingeschränkt verfügbar, etwa das Billy-regal oder der Pax-schrank. Die Gründe teilt das schwedische Möbelhaus auf Anfrage mit: „Anhaltende Störungen, Hafenüberlastungen und eine historisch hohe Nachfrage.“Um der angespannten Situation entgegenzuwirken, habe Ikea eigene Container gekauft und Schiffe gechartert. Einige Sortimentsbereiche würden priorisiert und stellenweise Sortimente verkleinert.
Elektronische Geräte Schnell den Geschirrspüler austauschen, ein bestimmtes Smartphone zu Weihnachten? Nicht ohne Einschränkungen, denn gerade die Branche für technische Geräte hat Schwierigkeiten mit den Engpässen. Ein Sprecher des Konzerns BSH Hausgeräte, der Produkte von Siemens und Bosch vertreibt, teilt mit, dass Kundinnen und Kunden mit längeren Lieferzeiten rechnen müssen.
Die Pandemie habe weltweit zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Haushaltsgeräten geführt. Doch gerade für die Produktion von Geschirrspülern, Waschmaschinen und Kühlschränken fehlten elektronische Bauteile, sogenannte Halbleiter. Hier verzögern sich die Lieferungen zum Teil.
Bei Smartphones, Tablets, Spielekonsolen und Druckern könne die Verfügbarkeit ebenfalls schwanken, wie eine Sprecherin von Mediamarkt Saturn mitteilt. Die gestiegenen Kosten für die Vorprodukte führen auch in der Elektronikbranche zu Preiserhöhungen: Der BSH habe sie seinen Händlerinnen und Händlern bereits für das kommende Jahr angekündigt.
Fahrräder Auch Fahrräder und E-bikes haben in der Pandemie einen Aufschwung erlebt. Das führt jetzt zu Problemen. David Eisenberger vom Zweirad-industrieverband
sagt: „Wir konnten die Produktion gar nicht so schnell skalieren, wie die Nachfrage gestiegen ist.“Zusätzlich wiegen die Auswirkungen der globalen Engpässe schwer. „Es fehlt an allem“, sagt Eisenberger. Für die Produktion brauche es Carbon, Aluminium, Stahl, Schmierstoffe – alle rar, alle teuer. Dennoch stehe nicht alles still. „Es sind viele Waren in der Welt unterwegs und Nachschub kommt, aber verzögert“, sagt Eisenberger. Komponenten wie Lenker, Antriebe oder Schaltungen kämen häufig aus asiatischen Ländern, in denen Lockdown herrsche. Für manche Bauteile gebe es Lieferzeiten bis zu 18 Monaten.
Spielwaren In einer Ecke von Christian Krömers Büro stapeln sich bunte Kartons: Weihnachtsgeschenke für seine Kinder, die der Geschäftsführer bereits besorgt hat. Wenn im Moment begehrte Waren ausverkauft sind, gebe es nicht immer gleich Nachschub – und spezielle Wünsche könnten unerfüllt bleiben. Einige Spielzeughersteller wie Schleich hätten Schwierigkeiten bei den Lieferungen, manche Händler konnten im Jahr keine größeren Einkäufe tätigen, weil es an Liquidität fehlte, und seien nun schlecht aufgestellt.
Gerade Überraschungsrenner zu Weihnachten könnten deshalb knapp werden. Doch kein Grund zur Sorge: Fehlende Waren würden in der Regel durch ähnliche Produkte ersetzt. Krömer sagt: „Die Regale sind voll und wir werden schauen, dass sie es auch bis Weihnachten sind.“