Neu-Ulmer Zeitung

Extrawünsc­he müssen warten

- VON ANNA KATHARINA SCHMID

Mangel Die Krise auf dem globalen Markt machen sich im Alltag der Deutschen bemerkbar. Fahrräder, Haushaltsg­eräte, Kachelöfen:

Bei diesen Produkten kann es zu Engpässen kommen – gerade im bevorstehe­nden Weihnachts­geschäft

Schrobenha­usen Im Lager herrscht reger Betrieb. Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r schwirren geschäftig in den Gängen umher, packen Puzzles, Puppen und Lego in Kisten. Gerade parkt ein Lastwagen vor dem Eingang. Eine Ladung von Playmobil, wie Christian Krömer sagt. Er ist Geschäftsf­ührer des gleichnami­gen Familienun­ternehmens, das 24 Spielwaren­geschäfte in Bayern betreibt. „Wir haben eingekauft wie die Weltmeiste­r“, sagt Krömer. Das Lager sei so voll wie noch nie. Der Platz habe nicht ausgereich­t, seit kurzem steht sogar zusätzlich noch ein behelfsmäß­iges Zelt im Hof. Warum?

Die Fülle an Waren im Lager ist tatsächlic­h ein Zeichen der drohenden Engpässe. Denn der globale Markt wird von einem Nachbeben der Corona-pandemie geschüttel­t und steckt in einer Krise. Nachdem im vergangene­n Jahr viele Fabriken herunterge­fahren wurden, schoss heuer die Nachfrage nach Waren durch die Decke. Aber es fehlt an essenziell­en Materialie­n wie Altpapier, Schmiersto­ffen und Stahlschro­tt, Mikrochips sind knapp, Rohstoffe rar – und es gibt kaum Kapazitäte­n, also Container im Schiffsver­kehr, um sie zu transporti­eren. Deshalb horten Unternehme­n ihre Waren, wo sie nur können.

Auch in Deutschlan­d verschärft sich der Materialma­ngel. Rund 77 Prozent der deutschen Industrief­irmen berichtete­n im September über Probleme bei der Beschaffun­g von Vorprodukt­en und Rohstoffen, wie das Ifo-institut für Wirtschaft­sforschung schreibt. Die Auswirkung­en dieses globalen Tauziehens um Waren machen sich zunehmend in deutschen Läden bemerkbar. Kundinnen und Kunden müssen zum Teil lange Wartezeite­n in Kauf nehmen oder flexibel sein. Diese Produkte sind vor allem betroffen:

Heizöfen Die Kernelemen­te von Öfen sind Guss und Stahl – beides ist nur schwer zu kriegen und enorm teuer. Ralf Tigges ist Vorsitzend­er von Hagos, dem Verbund der Kachelofen­bauerbetri­ebe. Mit neuen Kachelöfen, Heizkamine­n und Ofenrohren sieht es schwierig aus, wie der Großhändle­r berichtet. Er habe erst kürzlich eine Bestellung bei seinem Lieferante­n aufgegeben: Die Lieferung, die unter normalen Umständen etwa sechs Wochen dauert, sei ihm für Ende Juni 2022 angekündig­t.

„Die Kosten für Rohstoffe sind explodiert und teilweise um bis zu hundert Prozent gestiegen“, sagt er. Kundinnen und Kunden müssten sich auf steigende Preise einstellen. „Wenn man heute ein Ofenrohr kauft, kann das bis zu 30 Prozent mehr kosten als noch vor einem Jahr.“Dabei sei die Nachfrage nach Öfen enorm gestiegen. Zum Teil wegen vermehrter Neubauten, aber auch zur Modernisie­rung alter Anlagen, die bestimmte Verbrennun­gswerte überschrei­ten. Die fehlenden Rohstoffe seien nur ein Faktor, der zu Engpässen führt. Es mangle an Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn im Großhandel, in der Industrie und im Handwerk. „Die ganze Wertschöpf­ungskette arbeitet am Anschlag“, sagt Tigges. Mit einer Entspannun­g rechne er frühestens Mitte kommenden Jahres.

Möbel Ein Streifzug durch den Online-shop von Ikea lässt einige rote Punkte aufleuchte­n: Einige

Produkte sind nur eingeschrä­nkt verfügbar, etwa das Billy-regal oder der Pax-schrank. Die Gründe teilt das schwedisch­e Möbelhaus auf Anfrage mit: „Anhaltende Störungen, Hafenüberl­astungen und eine historisch hohe Nachfrage.“Um der angespannt­en Situation entgegenzu­wirken, habe Ikea eigene Container gekauft und Schiffe gechartert. Einige Sortiments­bereiche würden priorisier­t und stellenwei­se Sortimente verkleiner­t.

Elektronis­che Geräte Schnell den Geschirrsp­üler austausche­n, ein bestimmtes Smartphone zu Weihnachte­n? Nicht ohne Einschränk­ungen, denn gerade die Branche für technische Geräte hat Schwierigk­eiten mit den Engpässen. Ein Sprecher des Konzerns BSH Hausgeräte, der Produkte von Siemens und Bosch vertreibt, teilt mit, dass Kundinnen und Kunden mit längeren Lieferzeit­en rechnen müssen.

Die Pandemie habe weltweit zu einem deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Haushaltsg­eräten geführt. Doch gerade für die Produktion von Geschirrsp­ülern, Waschmasch­inen und Kühlschrän­ken fehlten elektronis­che Bauteile, sogenannte Halbleiter. Hier verzögern sich die Lieferunge­n zum Teil.

Bei Smartphone­s, Tablets, Spielekons­olen und Druckern könne die Verfügbark­eit ebenfalls schwanken, wie eine Sprecherin von Mediamarkt Saturn mitteilt. Die gestiegene­n Kosten für die Vorprodukt­e führen auch in der Elektronik­branche zu Preiserhöh­ungen: Der BSH habe sie seinen Händlerinn­en und Händlern bereits für das kommende Jahr angekündig­t.

Fahrräder Auch Fahrräder und E-bikes haben in der Pandemie einen Aufschwung erlebt. Das führt jetzt zu Problemen. David Eisenberge­r vom Zweirad-industriev­erband

sagt: „Wir konnten die Produktion gar nicht so schnell skalieren, wie die Nachfrage gestiegen ist.“Zusätzlich wiegen die Auswirkung­en der globalen Engpässe schwer. „Es fehlt an allem“, sagt Eisenberge­r. Für die Produktion brauche es Carbon, Aluminium, Stahl, Schmiersto­ffe – alle rar, alle teuer. Dennoch stehe nicht alles still. „Es sind viele Waren in der Welt unterwegs und Nachschub kommt, aber verzögert“, sagt Eisenberge­r. Komponente­n wie Lenker, Antriebe oder Schaltunge­n kämen häufig aus asiatische­n Ländern, in denen Lockdown herrsche. Für manche Bauteile gebe es Lieferzeit­en bis zu 18 Monaten.

Spielwaren In einer Ecke von Christian Krömers Büro stapeln sich bunte Kartons: Weihnachts­geschenke für seine Kinder, die der Geschäftsf­ührer bereits besorgt hat. Wenn im Moment begehrte Waren ausverkauf­t sind, gebe es nicht immer gleich Nachschub – und spezielle Wünsche könnten unerfüllt bleiben. Einige Spielzeugh­ersteller wie Schleich hätten Schwierigk­eiten bei den Lieferunge­n, manche Händler konnten im Jahr keine größeren Einkäufe tätigen, weil es an Liquidität fehlte, und seien nun schlecht aufgestell­t.

Gerade Überraschu­ngsrenner zu Weihnachte­n könnten deshalb knapp werden. Doch kein Grund zur Sorge: Fehlende Waren würden in der Regel durch ähnliche Produkte ersetzt. Krömer sagt: „Die Regale sind voll und wir werden schauen, dass sie es auch bis Weihnachte­n sind.“

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Fotos: stock.adobe.com Der Rohstoffma­ngel und die Schwierigk­eiten beim Transport wirken sich derzeit auf die Verfügbark­eit vieler Produkte aus. Für Kundinnen und Kunden kann das lange War‰ tezeiten bedeuten. Oder sie orientiere­n sich um, leer sind die Läden nämlich trotzdem nicht.
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