Neu-Ulmer Zeitung

Wo sind die Intensivbe­tten geblieben?

- VON MARKUS BÄR

Pandemie In Bayern wächst die Anzahl der schweren Covid-fälle wieder. Zugleich gibt es aber 700 Plätze weniger auf den Stationen als vor einem Jahr, um sie zu versorgen. Woran das liegt

München Die kühlere Jahreszeit hält Einzug, das Aufkommen von Corona-infektione­n häuft sich wieder massiv – und die bayerische­n Intensivst­ationen, die mit der Versorgung schwerer Corona-fälle betraut sind, sind mancherort­s schon völlig ausgelaste­t. Es gibt aktuell im Freistaat mit 359 Covid-intensivfä­llen (Stand 27. Oktober) wesentlich mehr als etwa vor einem Jahr, als am 27. Oktober 129 Intensivbe­tten mit Covidfälle­n belegt waren. Dazu kommt ein Riesenprob­lem: Im Vergleich zum vergangene­n Oktober gibt es nach Angaben der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin (Divi) rund 700 Intensivbe­tten weniger, die in Bayern zur Verfügung stehen. Doch woran liegt das eigentlich?

Eine interessan­te Frage, denn schon seit langer Zeit wird unter anderem in Kreisen von Corona-skeptikern behauptet, dass die Zahl der Intensivbe­tten künstlich verknappt wird. Es würden Betten geschlosse­n, um dann zu sagen, die Intensivst­ationen seien prozentual gesehen voll. Und dann bekomme man mehr Zuschüsse vom Staat. „Wir können diese Behauptung­en nur immer wieder kopfschütt­elnd verneinen“, betont Professor Gernot Marx, Präsident der Divi und Direktor der Klinik für operative Intensivme­dizin an der Uniklinik Aachen, gegenüber unserer Redaktion. „Ein betreibbar­es Intensivbe­tt, in dem ein Patient liegt, rechnet sich für jede Klinik. Hier wird Geld verdient. Es absichtlic­h nicht zur Verfügung zu stellen und dann darauf zu hoffen, dass der Staat Zuschüsse zahlt, würde jeden Klinikmana­ger den Job kosten“, sagt Marx.

Der Grund für die deutlich kleinere Anzahl der Intensivbe­tten im Freistaat – 3112 derzeit und 3789 vor genau einem Jahr – sei viel einfachere­r Natur: „Das Problem ist der Pflegekräf­temangel“, sagt Marx. Es war schon vor der Coronakris­e schwierig, Pflegepers­onal für die schwierige und kräftezehr­ende Arbeit auf den Intensivst­ationen zu bekommen. Zumal in den Großstädte­n, wo die Lebenshalt­ungskosten für Menschen mit den Gehaltsstu­fen der Pflege oft zu hoch sind.

Für die anspruchsv­olle Versorgung der Patienten auf Intensivst­ationen gibt es überdies eine gesetzlich­e Untergrenz­e: „Sie dürfen als Intensivst­ation die Betten nur belegen, wenn tagsüber für zwei Patienten eine Pflegekraf­t anwesend ist.“Nachts sind pro Pflegekraf­t drei Patienten vorgesehen. „Haben Sie zu wenig Personal, bleiben die Betten leer und werden nicht mehr bei uns im Register als ,vorhanden‘ gemeldet. Teilweise stehen derzeit ganze Abteilunge­n oder gar Stockwerke in Kliniken leer, weil die Pflegekräf­te nicht mehr auf den Intensivst­ationen arbeiten oder ihre Arbeitszei­t deutlich reduziert haben“, so Marx.

Bilder von leeren Intensivst­ationen geistern dann durch das Internet – als Beleg, dass dort nichts los ist, sagt auch Divi-pressespre­cherin Nina Meckel. „Doch die Ursache ist mit dem Personalma­ngel eben eine ganz andere.“

Dass es zu Beginn der Coronakris­e erheblich mehr Intensivbe­tten gab, lag nur daran, dass der Gesetzgebe­r wegen der Corona-krise die gesetzlich­e Untergrenz­e notfallmäß­ig einfach aufgehoben hatte. Doch das sollte natürlich keine Dauereinri­chtung sein, denn das würde zu einer massiven Überlastun­g der Pflegekräf­te führen. Was sich wiederum nachteilig für die Patientinn­en und Patienten auswirken könnte. Also wurde die Pflegeunte­rgrenze am 1.August 2020 wieder eingeführt – zunächst aber nur mit dem Verhältnis 2,5 Intensivpa­tienten am Tag und 3,5 Intensivpa­tientinnen in der Nacht pro Pflegekraf­t. Erst am 1.Februar dieses Jahres wurde der ursprüngli­che Schlüssel wieder verordnet. Viele Intensivpf­legekräfte hätten in der Corona-krise ihre Konsequenz­en gezogen, seien entweder in andere Bereiche der Pflege gegangen, hätten ganz aufgehört oder die Arbeitszei­t reduziert, so Pressespre­cherin Meckel. Das habe neben dem Wiedereins­etzen der Personalun­tergrenze den Pflegekräf­temangel verschärft.

Im Vergleich zur vergangene­n Woche sind laut Divi in Bayern rund 100 Intensivbe­tten mehr mit Covid-patienten belegt. Und wie die Uniklinik Augsburg mitteilt, sind 80 Prozent ihrer Covid-intensivpa­tienten ungeimpft.

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Foto: Jean‰christophe Bott, dpa (Symbolbild) Immer wieder wird behauptet, dass Betten – etwa auf Intensivst­ationen – abgebaut werden, damit Kliniken behaupten können, sie hätten eine prozentual hohe Auslastung. Um so höhere staatliche Corona‰zuschüsse zu sichern. Doch stimmt das?

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