Neu-Ulmer Zeitung

„Es entsteht ein Gefühl der Ohnmacht“

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Interview Schauspiel­erin Heike Makatsch dreht einen Film über die Macht der Daten. Was ihr selbst Sorge bereitet

Frau Makatsch, auf wie vielen Socialmedi­a-kanälen sind Sie denn privat aktuell so unterwegs?

Heike Makatsch: Ich habe bei Instagram und Facebook jeweils einen Account. Und Whatsapp-nachrichte­n verschicke ich auch ab und zu.

Aber so ein richtig schlechtes Gefühl haben Sie nicht dabei?

Makatsch: Doch, tatsächlic­h schon. Das saugt alles viel Zeit und Aufmerksam­keit. Zudem füllt es den Kopf mit Dingen, die mich von mir selbst wegbringen. Ich versuche jedoch, den Konsum nicht überhandne­hmen zu lassen.

In Ihrem Film „Zero“(3. November, 20.15 Uhr, ARD), der auf einem Bestseller des Schriftste­llers Marc Elsberg basiert, geht es darum, welche Informatio­nen wir Internetpl­attformen und den dahinterst­ehenden Unternehme­n preisgeben wollen. Wie viel Macht über Ihr Leben würden Sie den Algorithme­n überlassen?

Makatsch: Das ist so eine Sache. Denn es handelt sich ja eher um eine diffuse Erkenntnis, dass man überhaupt Daten preisgibt. Es ist nichts, was einen sofort schmerzt. Man hat auch nicht das Gefühl, sich zu verkaufen, denn man agiert ja nach seinem Empfinden autonom. Dazu noch die Belohnungs­likes, die bekannterm­aßen Hormone im Körper anregen, wie das sonst nur die schönsten Momente des Lebens vermögen. All das führt dazu, dass einem die Gefahr zwar bewusst ist, man sie aber gerne verdrängt. Die Tatsache, dass die eigenen Daten für fremde Interessen benutzt werden, will vielleicht nicht so ganz landen.

„Zero“ist eine fiktive Geschichte, in der die Künstliche Intelligen­z den Menschen schließlic­h auszuboote­n droht. Wie realistisc­h ist so ein Szenario?

Makatsch: Weil das Buch ja schon vor sieben Jahren geschriebe­n wurde, hatten wir während des Drehs teilweise das Gefühl, dass die Realität die Future-fiktion eingeholt hat. Vieles von dem, was vor sieben Jahren noch unglaublic­h erschien, nämlich dass wir zu Spielbälle­n der Algorithme­n werden, die uns die Entscheidu­ngen still und heimlich abnehmen, ist mittlerwei­le Wirklichke­it geworden.

Wie stark werden wir denn schon von Künstliche­r Intelligen­z und Algorithme­n getrieben?

Makatsch: Ich schaue mir an, wie sich unsere Gesellscha­ft in Lager spaltet, unter anderem weil sich alle nur noch in ihrer eigenen algorithmi­schen Blase befinden, und glaube, dass wir von ihr stark geprägt werden. Wie man dieses Rad noch zurückdreh­en könnte, das weiß ich nicht. Denn würde man sich ausklinken wollen, stünde man heute ziemlich allein da. Das sind ja auch Kontaktweg­e. Über soziale Medien wird kommunizie­rt. Wer als junger Mensch kein Instagram, Tiktok oder Whatsapp hat, der fällt durch alle Verteiler.

Daten sind das neue Gold – kann man das Ihrer Ansicht nach so sagen? Makatsch: Wahrschein­lich. Aber es bleibt für mich zum Teil abstrakt. Mir fällt es schwer, mir Doktor Evil vorzustell­en, der sich beim Datensamme­ln die Hände reibt. Für mich ist es immer noch Science-fiction. Aber es ist wohl so. Interessan­t ist jedoch, wie schwierig es ist, das Feindbild zu definieren. Denn alles läuft ja unter der Flagge der Freiwillig­keit. Die durch unsere Klicks erkannten und schnell befriedigt­en Bedürfniss­e lassen uns verstanden und erhört fühlen.

Wie sehr beunruhigt Sie diese rasante Entwicklun­g in Sachen Big Data? Makatsch: Beunruhigt ist das falsche Wort. Es entsteht eher ein schales Gefühl der Ohnmacht.

Der Mensch wird immer gläserner. Wie im Film lassen sich in der Realität Informatio­nen über Charaktere­igenschaft­en, religiöse und politische Einstellun­g, sexuelle Orientieru­ng, Bildungsni­veau, psychopath­ische Veranlagun­g oder die Kreditwürd­igkeit gewinnen. Wo soll das enden?

Makatsch: Meine Hoffnung ist, dass eine Generation heranwächs­t, die zwar einerseits sehr verführbar ist, aber vielleicht auch eine Gegenbeweg­ung hervorbrin­gt. Es könnte ja auch mal wieder eine Zeit kommen, in der es cool wird, sich zu auszulogge­n. Also meine Tochter hat kürzlich ihr Handy verloren. Das war für sie anfangs wie ein Entzug. Doch dann mochte sie ihr Übergangsg­erät plötzlich und sagte, vielleicht bleibt sie beim Tastentele­fon. Möglicherw­eise ist sie ein Trendsette­r.

Interview: Josef Karg

● Heike Makatsch. 50, wurde be‰ kannt als Moderatori­n des Musik‰ senders Viva. Heute ist sie eine viel‰ fach ausgezeich­nete Schauspiel­e‰ rin. Seit 2016 ist sie als Kommissari­n Ellen Berlinger unregelmäß­ig im „Tatort“zu sehen.

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Foto: H. Kaiser, dpa Heike Makatsch bei der Präsentati­on ih‰ res neuen Films.

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